Raritäten und eine Mini-Oper in Form einer Kantate standen im Mittelpunkt des Festkonzerts anläßlich der Händel Festspiele.
Vor der Pause standen Werke, die bestenfalls gefällig klangen: Das Concerto Nr. 5 „Armonico Tributo“ von Georg Muffat erklang in kontrastlos monotoner Schönheit, das Concerto grosso e-Moll op. 3 Nr. 3 von Francesco Geminiani sowie das Concerto grosso D-Dur op. 6 Nr. 1 von Arcangelo Corelli blieben kaum in Erinnerung. Nach der Pause wurde es interessanter. Händels Kantate Apollo e Dafne HWV 122 entstand am Ende von Händels italienischer Lehrzeit und nach seiner Rückkehr nach Deutschland um 1710. Wenige Jahre zuvor hatte Händel bereits die verschollene Oper Die verwandelte Daphne (HWV 4) im Hamburger Theater am Gänsemarkt aufgeführt. Dafne ist die Nymphe, in die sich Apollo verliebte, als Amor ihm einen Streich spielen wollte, denn Dafne war für Apolls Werben unempfänglich und verschmähte hartnäckig die Liebesbezeugungen des Gottes. Sie entkam ihm, indem sie sich in einen Lorbeerbaum verwandeln ließ. Apollo trug seitdem einen Lorbeerkranz, ein Symbol, das später menschliche Helden bekamen. Acht Arien und zwei Duette - eine Kantate wie eine Mini-Oper, die man inszenieren könnte. Musik, Gesang und Charakterisierung paßten im Konzert schön zusammen. Im Rezitativ „La terra è liberata“ prahlt Apollo, denn er hat den Drachen Python besiegt. Baßbariton Andreas Wolf sang die fünf Arien des Apollo und erwies sich als Glücksfall und ideale Besetzung, seine Stimme klang sanft, verführerisch und charismatisch, die Arie "Pende il ben dell’universo“ war nicht brachial, die schnellen Tonfolgen in "Spezza l’arco e getta l’armi“ klangen elegant - eine durch und durch überzeugende Interpretation. Die Sopranistin Rebecca Bottone kontrastierte mit einer etwas spröden Dafne, ihre Auftrittsarie "Felicissima quest'alma" -gezupfte Streicher und Oboe umschmeichelten das Ohr- klang bei ihr weniger bezaubernd oder erotisch, sondern eher distanziert bzw. entrückt. Dafne war bei ihr von Anfang an keine Versuchung oder Verlockung, sondern Projektionsfläche für Apollo. Der tugendhafte Klagegesang "Come in ciel benigna stella" klang nicht verletzt oder verletzlich, sondern vorwurfsvoll. In Zeiten von #Metoo wirkte diese Dafne wie ein Kommentar zur Debatte.
Der renommierte Barock-Experte Rinaldo Alessandrini dirigierte die Deutschen Händel-Solisten mit harmonisch fließender Ausgewogenheit und erwies sich als Meister alter Schule. Er stellte sich nie in den Mittelpunkt, sein Dirigat kannte weder Extrovertiertheit noch Zuspitzungen oder harsche Klänge.
Seit 1988 bin ich steter Besucher des Badischen Staatstheaters. Bei vielen Opern-, Theater-, Konzert- und Ballettvorstellungen im Jahr und Besuchen in anderen Städten verliert man schon mal den Überblick. Dieser Tagebuch-Blog dient mir seit der Spielzeit 2011/12 als elektronische Erinnerung. Bitte beachten Sie meine Intention: ich bin kein Journalist oder Kritiker, sondern schreibe hier lediglich persönliche Eindrücke, private Ansichten und Vermutungen für mich und Angehörige nieder.