Montag, 30. Mai 2016

Wagner - Tristan und Isolde, 29.05.2016

Eine intensive und starke Vorstellung von Sängern und Musikern! Justin Brown hat schon viele herausragende Interpretationen dirigiert, besonders bei Opern von Richard Wagner zeigten er und die Badische Staatskapelle in den letzten Jahren bemerkenswerte Leistungen, doch vor allem dieser Tristan ist sein Meisterwerk: wie er zulegen kann, Steigerungen, Aufschwünge bis zum Ausbruch vorantreibt, das Grenzenlose und Ekstatische des zweiten Akts auf die Spitze treibt, aufwühlend, emotional und doch stets transparent und dynamisch in hohem Maße differenziert. Die Begeisterung und elektrisierende Spannung beim Zuhören ist ansteckend: Orchester und Dirigent wurde von der Presse mit Lob überschüttet. Und das absolut zu recht!

Auch die Inszenierung (mehr hier zur Premiere) macht einiges richtig und hat gelungene Linien und Details: Isolde als "Kriegerwitwe", Brangänes Charakterisierung als Mauerblümchen oder König Marke, der am Ende des 1. Akts die Blumen der falschen Braut übergibt oder im zweiten zwischendurch eine Zigarette raucht, um seine Nerven zu beruhigen. Die Ekstase und Unbedingtheit der Liebe zwischen Tristan und Isolde ist zu verhalten, es fehlt die Grenzüberschreitung auf der Bühne, zu Beginn des zweiten Akts wird manch einer etwas anderes hören als inszeniert ist. Und doch ist die sehnsüchtige Intimität im Zentrum des zweiten Akts der stärkste Einfall, ein Moment, bei dem die Intensität der Zweisamkeit ganz selbstverständlich getroffen ist, und gerade gestern war der zweite Akt ein berückender Höhepunkt.
     
Tief beeindruckend bei der gestrigen Vorstellung war Stephen Gould, der aktuelle Bayreuth-Tristan, der seinen allerersten Tristan 2010 sang (der Dirigent war damals der frühere Karlsruher GMD Kazushi Ono) und erklärte, mit dieser Rolle alt werden zu wollen, mächtige Statur, mächtige, dunkelgefärbte Stimme, wahrlich ein Heldentenor, der Tristan seinen ganz individuellen kraftvollen Stempel aufdrückt, der lyrisch sein kann, ohne weinerlich zu klingen, der liebevoll klingen kann, ohne schwach zu werden und dann nach Stunden noch so viele stimmliche Reserven hat, daß er auch noch einen vierten Akt stemmen könnte. BRAVO!  
Auch Rachel Nicholls sang eine sehr gute Isolde, die doch ganz anders klang als Heidi Melton in der Premiere. Nicholls wirkte resoluter, bestimmter, geradliniger, weniger fragil, vielleicht weniger emotional als Melton. 
Jan-Hendrik Rootering gab Marke eine reife Würde, die doch nicht über den Dingen stehen konnte. Seung-Gi Jung ist weiterhin ein starker Kurwenal, Katharine Tier klingt für mich immer noch nicht ganz wohlbefindend als Brangäne, dafür spielt sie ihre Rolle perfekt. Sehr gut Eleazar Rodriguez als Seemann und Hirt.
 
Fazit: Musikalisch, sängerisch und darstellerisch eine mitreißende Aufführung. Bravo!