Sonntag, 21. September 2014

Theaterfest, 20.09.2014

Ein strahlend schöner Spätsommertag und wie so oft ein Theaterfest in positiver und aufgeschlossener Atmosphäre. Es muß mal wieder attestiert werden: Karlsruhe hat einfach ein bemerkenswert gutes Publikum und viele Abonnenten, die ihr Theater über einen langen Zeitraum unterstützen und selbstverständlich auch dann, wenn nicht alles rund läuft.


Wie gewohnt beendeten 3 Stunden des wie üblich ausverkauften Spielzeit Cocktails am Abend die offiziellen Veranstaltungen und Allround-Talent Heiner Kondschak moderierte nun schon zum 13. mal in Folge auf seine unnachahmliche Weise den ersten Teil. Besonders viel Aufmerksamkeit verdient in der kommenden Spielzeit das Karlsruher Schauspiel. Nach drei unterdurchschnittlichen Jahren, in denen man oft rat- und hilflos wirkte, hat sich die Karlsruher Problemsparte neu aufgestellt: Im vierten Jahr wird das Programm auf dem Papier ausgeglichener und man setzt bei den Wiederaufnahmen auf die Bereiche, in denen man sich etablieren konnte bzw. Knut Webers Arbeit fortsetzte: Komödien und Singspiele sowie viele Schülerstücke. Man hat alle Dramaturgen des Beginns ausgetauscht und einige neue Schauspieler im Ensemble. Nachdem man bei den männlichen Schauspielern über mehrere Jahre fast alle Leistungsträger verloren hat, könnte man fast von einem Neuanfang sprechen - aber man hat nun weniger Zeit, um sich zu finden. Wer hat das nötige Charisma? Wer der zukünftige Timo Tank, Sebastian Kreutz, Georg Krause etc. sein könnte, kann man erst am Ende der Spielzeit vermuten. Als Schauspiel-Fan kann man nur hoffen, das man es schafft, in Dramaturgie und Bühnendarstellung Anschluß an die frühere Leistungsfähigkeit zu gewinnen. Die Theater boomen, vielen melden steigende Zuschauerzahlen, auch Karlsruhe profitiert von einer neu aufkommenden Neugiere, die den stark wachsenden virtuellen Lebensanteil durch Unmittelbarkeit und Live-Erlebnisse erweitern will. Man möchte sich lieber gar nicht erst vorstellen, was in Karlsruhe aktuell möglich wäre, wenn man ein ähnlich spielstarkes Ensemble wie vor ca 10 Jahren hätte. Aber es gibt Grund zur Hoffnung. Der gestrige Abend zeigte bereits einige interessante Ausschnitte aus Schillers Räuber, Jelineks Schatten, Nis-Momme Stockmanns Tod und Wiederauferstehung der Welt meiner Eltern in mir (gute Nachricht: Jannek Petri ist zurück in Karlsruhe. Vor allem sein Auftritt in Karlsruhe als junger Peer Gynt ist mir unvergessen) und Ingrid Lausunds Monologe. Besonders gespannt darf man auf Anton Tschechows Drei Schwestern sein: die drei großen Paraderollen wurden gestern von Sophia Löffler, Joanna Kitzl und Florentine Krafft in einem Ausschnitt treffend gespielt.

Nach der Pause  präsentierte sich das Ballett mit einem Ausschnitt aus Spiegelgleichnis aus dem Ballettabend Mythos (mehr hier). Und was für ein Ausschnitt! Das Karlsruher Staatsballett elektrisierte das Publikum und erhielt den meisten Applaus des Abends. Doch zuvor moderierte Intendant Spuhler die Ballettpräsentation (Birgit Keil und Vladimir Klos saßen auf ihren gewohnten Plätzen im Parkett) und hob die außergewöhnlichen Leistungen Keils und der Kompagnie hervor. Besonders gilt es, für die erste Solistin Bruna Andrade die Daumen zu drücken. Sie ist für ihre Leistung im Fall M. für den FAUST Preis nominiert. Doch bereits die Nominierung ist eine besondere Auszeichnung.

Auch in der Oper gibt es Neues. Moderiert wurde vom neuen Trio: Operndirektor Michael Fichtenholz, seinem Stellvertreter Achim Sieben und dem neuen Dramaturgieleiter Carsten Jenß. Auch weiterhin ist die Opernvorstellung nicht optimal umgesetzt: zu brav und ein wenig zu uninspiriert - man sollte sich langsam mal eine neue Form der Präsentation und Moderation überlegen.
Der erste Ausschnitt galt einer der beliebtesten Opern - Puccinis La Bohème, die in Karlsruhe zwei Jahrzehnte in der beglückend schön-traurigen Inszenierung von Giancarlo del Monaco zu sehen war und an die man sich in dieser Spielzeit mit einer Neuinszenierung wagt, mit der man nur dann erfolgreich sein wird, wenn man aus den Schatten des Vorgängers treten kann. Ina Schlingensiepen und Andrea Shin weckten allerdings die musikalische Vorfreude auf dieses Werk. Die neue polnische Sopranistin Agnieszka Tomaszewska sang eine Arie aus der ersten Premiere des Spielzeit, Hans Krásas Verlobung im Traum, Katharine Tier eine Arie aus Glucks Iphigenie auf Tauris. Stimmungsvoll wurde es dann mit einer Kostprobe aus dem „Liederabend Populär“. „I am what I am“ aus Ein Käfig voller Narren (Rebecca Raffell) und als Abschluß das Trinklied aus La Traviata.