Sonntag, 8. Juli 2012

Festspielhaus Baden-Baden: Hans van Manen Gala, 07.07.2012

Viele Karlsruher Ballettfreunde konnte man gestern in Baden-Baden sichten bei einem Gala Abend für Hans van Manen, der dieser Tage seinen 80. Geburtstag feiert (*11.07.1932). Der niederländische Choreograph ist weltweit einer der wichtigsten Meister des neoklassizistischen Tanzes in der Nachfolge George Balanchines und war auch schon mehrfach in Karlsruhe zu Gast. Bereits bei ihrer ersten Premiere als Ballettdirektorin am Badischen Staatstheater im Oktober 2003 setzte Birgit Keil auf zwei seiner Choreographien (damals Andante und Bits and Bytes; 2006 folgten Concertante, Trois Gnossiens sowie Solo und 2010 Adagio: Hammerklavier). Hans van Manen hat seit 1957 über 120 Choreographien gestaltet, darunter befindet sich kein einziges Handlungsballett. Dennoch erklären sich seine abstrakten Ballette aus sich selbst, ohne dabei plakativ zu sein. Sein Stil ist geradlinig, er setzt auf geometrische Harmonie, Gleichmaß und Sachlichkeit. Van Manen entwirft keine entfesselten oder überhitzten Choreografien, keine grellen Gesten. Er ist ein Meister der  unterkühlten Leidenschaft: sie brodelt bei ihm unter der Oberfläche  und bricht kontrolliert in strengen und teilweise kühlen Bewegungen aus, spannungsvoll, ohne Pathos, aber oft voll milder Ironie. Das Programmheft schreibt dazu passend: Es geht ihm um das Humane im Abstrakten: darum, das Schöne im Menschlichen zu finden. Van Manen verzichtet fast komplett auf Musik, die für Ballett komponiert wurde. Bühne und Kostüme sind minimalistisch und reduziert. Es ist passend, daß er mit seinem großen Landsmann Piet Mondrian und dessen strenger und nüchterner Kunst verglichen wurde.

Gestern also eine Gala für van Manen im Festspielhaus Baden-Baden zu der man das renommierte Het Nationale Ballet Amsterdam eingeladen hatte, das musikalisch begleitet von der Holland Symfonia unter Ermanno Florio folgende Ballette präsentierte: 

Black Cake (1. Teil)
zur Musik von Tschaikowsky 
Trois Gnossiennes zur Musik von E. Satie
Solo aus 5 Tangos zur Musik von A. Piazzolla
Two Pieces for Het zur Musik von E.S. Tüür /A. Pärt
-Pause-
Große Fuge zur Musik von Beethoven
-Pause-
Symphonieën der Nederlanden zur Musik von Louis Andriessen
Solo zur Musik von J. S. Bach
Filmvorführung: Hans van Manen, performer
Variations for two couples zur Musik von Britten, Rautavaara, Tickmayer und Piazolla
Black Cake (5. Teil) zur Musik von Massenet

Der Tanz muß die Musik ausdrücken mit eigenen Mitteln – nichts mehr  - und genau dies konnte man gestern genußvoll beobachten. Das Programm bot diverse Höhepunkte: die dunkle Spannung der Trois Gnossiens, die schroffe Konfrontation der Großen Fuge, das mit 24 Tänzern besetzte und beeindruckend synchrone Symphonieën der Nederlanden oder das von drei Tänzern im fliegenden Wechsel durchweg sehr schnelle Solo. Dazu ein kurzer, interessanter Film mit Aufnahmen Hans van Manens als Tänzer und Choreograph.

Der Abend endete doppelt glücklich: mit dem humorvollen Ballett zur Meditation Thais aus Massenets gleichnamiger Oper und den stehenden Ovationen als Hans van Manen auf die Bühne kam und ca 2500 Zuschauer ihm im ausverkauften Festspielhaus zujubelten. Das Publikum weiß, was es an van Manen hat: auch für die zweite Vorstellung am 08.07. gibt es nur noch sehr wenige Restkarten.

2 Kommentare:

  1. Guten Tag Herr Ley,

    vielen Dank für Ihren ausführlichen Beitrag.
    Ich kann Ihren Kommentar nachempfinden: van Manens Stil ist oft reduziert und man spürt eine gewisse Reserviertheit und gebremste und unter Kontrolle gehaltene Leidenschaftlichkeit. Das ist nicht das, was Sie sich als „lebendigen Tanz“ wünschen, sondern in hohen Maße stilisierter Tanz.

    Tatsächlich war ich mit der Auswahl und Umsetzung nicht uneingeschränkt einverstanden: nicht jedes Ballett war eine Meisterwerk, nicht jeder Vortrag war ein tänzerisches Ausdruckswunder. Man hätte stärkere Kontraste bei der Auswahl machen können.
    Das niederländische Ballett ist sehr gut, kann es aber meines Erachtens nicht mit der individuellen Klasse bspw. des Stuttgarter Balletts aufnehmen, aber das ist nach dem einen Abend in Baden-Baden eine Aussage mit Vorbehalt.

    Ich bin voreingenommen: van Manens Stil und Musikauswahl kommt mir entgegen. Sie würden mich als Puristen bezeichnen, wenn ich Ihren Kommentar richtig verstehe. Deswegen hat es mir gefallen und ich habe mich über die spontane stehende Ovation für van Manen gefreut.

    Ich wünsche Ihnen viel Erfolg und zukünftig mehr unmittelbare Freude und Faszination bei Ihren Ballettbesuchen

    PS: Ich glaube, es war Balanchine, der Beethovens Musik für untanzbar und unchoreographierbar bezeichnete. Die „große Fuge“ war für mich beeindruckend, allerdings kann ich nachvollziehen, daß es nicht Musik ist, die jedem gefällt.

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  2. NACHTRAG, 11.07.12

    Die FAZ zum 80. Geburtstag von Hans van Manen:

    http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buehne-und-konzert/hans-van-manen-zum-achtzigsten-diese-laessigkeit-im-tanz-11812281.html

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