Symphonien von Avner Dorman und Ludwig van Beethoven - das letzte Konzert der Spielzeit stellte weitgehend Unbekanntes neben sehr Vertrautes und wurde kontrovers diskutiert.
Avner Dorman komponierte 25-jährig zum Jahrtausendwechsel seine Millenium Symphonie. Die drei ersten der vier ineinanderfließenden Sätze handeln von Krieg, Angst und Trauer und basieren auf drei Gedichten jüdischer Autoren über Kriegserlebnisse; der letzte Satz ist abgeklärt optimistisch: eine leere Leinwand, die es noch zu füllen gilt. Das Stück kam beim Publikum sehr gut an: es ist geprägt durch eine abwechslungsreiche Klangvielfalt, dabei melodiös und bekömmlich, mit gemäßigt-modernem Gestus und doch: etwas stimmte nicht damit. Der Musik fehlte der doppelte Boden. Sie wirkte wie eine Bewerbungskomposition für Hollywood und erinnerte an intelligente, originelle und gekonnt komponierte Filmmusik. Doch damit schienen die Erwartungen der Zuhörer erfüllt: der anwesende Komponist erhielt herzlichen Applaus. Im Februar 2013 steht eine weitere Komposition Dormans auf dem Programm der Symphoniekonzerte, bei der er hoffentlich mehr Tiefgang zeigen kann.
Beethovens 9. Symphonie ist ein symphonisches Schwerstgewicht und Justin Brown dirigierte diesen Blauwal der Konzertliteratur für viele überraschend schwerfällig und in eher mittleren bis teilweise langsamen Tempi.
Es heißt ja, daß der technikbesessene Herbert von Karajan, der sehr gute Beziehungen zu Sony und Philips hatte, die beiden Konzerne in der Einführungszeit der CD so lange bedrängte, bis die CD-Kapazität auf 74 Minuten festgelegt wurde, damit Beethovens Neunte auf eine Scheibe passte. Dabei dachte man an die langsamste bekannte Version von Furtwängler. Der Zeitgeschmack hat sich geändert - heute benötigen viele Dirigenten deutlich weniger Zeit. Es gibt CD Einspielungen, die unter 60 Minuten liegen. Justin Brown war gestern mit knapp über 66 Minuten Gesamtdauer schneller als das einige empfanden und doch langsamer als viele wünschten. Besonders im 3. Satz, bei dem die Gefahr bei zu schnellem Spiel darin besteht, daß der wehmütige Charakter trostvoll klingt, zelebrierte Brown Otto Klemperer'sche Dimensionen, allerdings ohne dessen Intensität zu erreichen.
Es gab einige Unkonzentriertheiten bei den Instrumenten - musikalisch war der Abend nicht CD-reif. Und auch das Gesangsquartett bot Stoff zur Kontroverse. Stimmfarben und Stimmkombinationen sind auch immer Geschmackssache: die vier Sänger (Heidi Melton, Ewa Wolak, John Treleaven und Tobias Schabel) passten sehr gut zueinander. Ausgerechnet Melton patzte - und zwar bei beiden Konzerten. Schon viele Soprane scheiterten an dem nahezu unmenschlich-hohen Schlußton. Doch es ist nur etwas weniger als sechs Jahre her, daß Beethovens Neunte zuletzt in Karlsruhe aufgeführt wurde, und damals meisterte Barbara Dobrzanska souverän und klangschön diese Hürde. Es ist unverständlich, wieso das Badische Staatstheater Melton nicht durch Dobrzanska ersetzte, als sich die Probleme abzeichneten. Der Chor hingegen war sehr gut vorbereitet.
Es war im Publikum ein in hohem Maß kontrovers empfundener Beethoven-Abend mit Höhen und Tiefen, bei dem noch lange diskutiert wurde und der zeigte, wie groß und unterschiedlich die Erwartungshaltungen bei dieser Symphonie sind. Jenseits aller Erwartungen gab es aber auch genug Zuschauer, die die Musik genießen konnten und sich an Beethovens bezwingender Komposition erfreuten.
Am Samstag ist das große Orchesterfest zum 350. Gründungsjubiläum der Badischen Staatskapelle mit freiem Eintritt zu allen Musikveranstaltungen und einer Open-Air Aufführung Beethovens. Dann singt Lance Ryan den Tenorpart!
PS: Hallo liebes Staatstheater, könnt ihr nicht eine gelegentliche Hörgeräte-Beratung als Service ins Staatstheater holen? Zum wiederholten Mal in dieser Saison konzentrierten sich einige wenige gut hörende Besucher darauf, den Inhaber eines pfeifenden Hörgeräts in ihrer Umgebung aufzuspüren. Das Gerät pfeifte zum Glück nur dann, wenn das Orchester lauter wurde oder die Holzbläser größere Einsätze hatten. Der kontrastierende Ton war dennoch keine geeignete Reminiszenz an den schwerhörigen Beethoven ...
Seit 1988 bin ich steter Besucher des Badischen Staatstheaters. Bei vielen Opern-, Theater-, Konzert- und Ballettvorstellungen im Jahr und Besuchen in anderen Städten verliert man schon mal den Überblick. Dieser Tagebuch-Blog dient mir seit der Spielzeit 2011/12 als elektronische Erinnerung. Bitte beachten Sie meine Intention: ich bin kein Journalist oder Kritiker, sondern schreibe hier lediglich persönliche Eindrücke, private Ansichten und Vermutungen für mich und Angehörige nieder.
@anonym
AntwortenLöschenVielen Dank für die Nachricht. Ihnen auch eine schöne Urlaubszeit!
Lieber Honigsammler,
AntwortenLöschenich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass ich als Besucher Ihres Blogs seit einiger Zeit keine Kommentare von anderen Besucher sehen kann; nur die von Ihnen geschriebenen sehe ich. Sie als Administrator sehen vermutlich alle, ich aber nicht.
Vielen Dank für den Hinweis.
LöschenSie sprechen einen Punkt an, für den ich noch keine einheitliche Regelung getroffen habe.
Es ist tatsächlich so, daß ich viele Kommentare aktuell nur beantworte und nicht veröffentliche. Die Gründe sind unterschiedlich:
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