Eine schöne Symphoniekonzertsaison geht zu Ende. Das letzte Konzert der Spielzeit stand im Zeichen der unterlaufenen Erwartungen. Große Namen mit eher weniger bekannten Werken standen im Mittelpunkt.
Zu Beginn allerdings Zeitgenössisches. Georg Friedrich Haas' (*1953) Bearbeitung aus dem Jahr 2003 der 9. Klaviersonate von Alexander Skrjabin. Haas nannte seine Instrumentierung Opus 68 und das Programmheft versprach nicht zu viel: "Was im Klavierklang versteckt lag, entfesselt er zu einem Kosmos an Farbigkeit." Tatsächlich ein Stück voller orchestraler Feinheiten, das beim Publikum gut ankam.
Boris Berezovsky ist ein Star der Klavierszene und von Statur, Technik und Spiel der richtige Pianist für die großen, ausdauerfordernden und schweren Klavierkonzerte. Brahms (den er letzte Spielzeit in Karlsruhe spielte) und Rachmaninow scheinen für ihn prädestiniert, besonders das 2. und 3. Klavierkonzert des Russen sind diesbezüglich beliebte Bravourstücke. Aber Rachmaninows Klavierkonzert Nr. 4? Was hat es denn mit dem auf sich? Ein wenig Filmmusik, ein wenig Bravour, ein wenig Show, auch ein wenig Leere, aber das auf spielfreudig hohen Niveau - das konnte man erwarten. Doch es kam besser: Berezovsky und Brown legten oft ein hohes Tempo vor und musizierten ein rasantes und virtuoses Plädoyer für dieses Konzert, das zwar nicht die Dichte seiner Vorgänger hat, aber doch nur relativ schwächer ist und jenseits dieser Relation gestern das Publikum begeisterte. Als Zugabe gab es etwas Ungewöhnliches: Winterabend - ein Lied von Nikolai Medtner. Zusammen mit einer Sängerin wurde der Winterabend von Berezovsky eher untypisch präsentiert, denn Winterlandschaft und Dunkelheit waren nicht zu hören, sondern Wärme und Leidenschaft.
Dimitri Schostakowitsch hat große Symphonien geschrieben, einige davon waren lange nicht mehr in Karlsruhe zu hören (bspw. Nr. 4, 6, 7, 8 und die 5. kann man gerne öfters live erleben). Nun wählte Justin Brown nach der spröden 14. im Jahr 2011 (mehr hier) die Symphonie Nr. 15. Späte und letzte Werke haben oft etwas Rätselhaftes, das man je nach Standpunkt als Vermächtnis, Botschaft oder einfach auch im Sinne nachlassender Kreativität eines gealterten Komponisten begreifen kann. Schostakowitschs 15. Symphonie zitiert Rossini und Wagner und benötigt eigentlich nur zwei Satzbezeichnungen (Adagio und Allegretto). Besonders die orchestral verdichteten Höhepunkte in den Adagios und die vielen solistischen Passagen für verschiedene Instrumente blieben gestern in Erinnerung und bildeten einen sehr guten Abschluß einer immer wieder positiv überraschenden Konzertsaison. So gab es am Ende viele Bravos für Justin Brown und die Badische Staatskapelle.
Und auch von der kommenden Saison kann man einiges erwarten. Brown hat diesbezüglich nachvollziehbar und richtig darauf hingewiesen: „Diese Konzertsaison ist die für mich schönste und inhaltlich überzeugendste meiner Zeit in Karlsruhe". 2014/15 wird spannend!
Seit 1988 bin ich steter Besucher des Badischen Staatstheaters. Bei vielen Opern-, Theater-, Konzert- und Ballettvorstellungen im Jahr und Besuchen in anderen Städten verliert man schon mal den Überblick. Dieser Tagebuch-Blog dient mir seit der Spielzeit 2011/12 als elektronische Erinnerung. Bitte beachten Sie meine Intention: ich bin kein Journalist oder Kritiker, sondern schreibe hier lediglich persönliche Eindrücke, private Ansichten und Vermutungen für mich und Angehörige nieder.