Manche Urteile werden im Laufe der Zeit milder. Fünf Wochen nach der Premiere wirkt Jim Lucassens Rigoletto Inszenierung beim erneuten Besuch allerdings noch ärgerlicher. Was für eine öde Umsetzung ganz ohne szenische Höhepunkte, was für eine vertane Chance, aber immerhin: die Regie stellt keine hohen Ansprüche an die Sänger, die sich dadurch auf ihre vokalen Qualitäten konzentrieren können. Das Publikum strömt trotzdem, Rigoletto hat eine hohe Zuschauerauslastung: zu Recht, denn musikalisch gibt es weiterhin viel Gutes zu vermelden.
Als Rigoletto sang diesmal Seung-Gi Jung, der bereits letzte Woche beim Gala-Abend Roberto Frontali wegen einer allergischen Reaktion spontan nach der Pause bravourös ersetzt hatte. Schon als Germont in La Traviata bewies Jung, dass er ein sehr guter Verdi-Bariton ist, als Rigoletto war er ungleich stärker gefordert und bewies, dass er ein großartiger Verdi-Bariton ist. Mit ihm hat die Karlsruher Oper ihr Ensemble wirklich verstärkt!
Als Gast sang der junge mexikanische Tenor David Lomeli höhensicher, souverän mit klangschöner Stimme und hinterließ einen sehr sympathischen Eindruck. Er hat vielleicht noch kein unverwechselbares Timbre, aber alle Anlagen zu einer großen Karriere.
Für die leider erkrankte Stefania Dovhan hatte man kurzfristig Burcu Uyar (Deutsche Oper Berlin) als Gilda engagiert. Ein Glückgriff: der helle, mädchenhafte Ton der jungen Sopranistin passte wunderbar und ihre schöne Stimme nahm das Publikum für sie ein.
In den Nebenrollen machte nur Lucas Harbour als Monterone auf sich aufmerksam; alle anderen lieferten eine solide Leistung.
Johannes Willig dirigierte einen perfekten Rigoletto und so blieben fast keine musikalischen Wünsche unerfüllt. Das zentrale Gesangstrio hinterließ ein glückliches Publikum, das sich nach der Vorstellung in Scharen um die Besetzungsliste im Foyer drängte, um noch mal die Namen derer zu lesen, die diesen schönen Nachmittag ermöglicht hatten.
Seit 1988 bin ich steter Besucher des Badischen Staatstheaters. Bei vielen Opern-, Theater-, Konzert- und Ballettvorstellungen im Jahr und Besuchen in anderen Städten verliert man schon mal den Überblick. Dieser Tagebuch-Blog dient mir seit der Spielzeit 2011/12 als elektronische Erinnerung. Bitte beachten Sie meine Intention: ich bin kein Journalist oder Kritiker, sondern schreibe hier lediglich persönliche Eindrücke, private Ansichten und Vermutungen für mich und Angehörige nieder.