Vor dem Ausblick ein Rückblick:
Durch den spektakulär inszenierten Suizid des früheren Chordirektors Helg am Spielzeitende im Juli 2011 wurde der scheidende Generalintendant Thorwald mit seinem Team um die verdiente Verabschiedung gebracht. Thorwald hat das Haus auf hohem künstlerischem Niveau geführt. Es war kein Zufall, dass Besprechungen Karlsruher Inszenierungen in überregionalen Tageszeitungen (FAZ, Süddeutsche, Welt u.a.) zu finden waren. Mit Knut Weber wurde das Schauspiel zu einer gleichberechtigten Sparte mit einem homogenen und ausgeglichenen Ensemble. Das Ballett unter Birgit Keil erlebt in den letzten Jahren eine Hochzeit. Und Operndirektor Thomas Brux schaffte das Kunststück hochrangige Sänger nach Karlsruhe zu locken, die auch die Abo-Vorstellungen unter der Woche zu einem Ereignis machen konnten.
Sänger wie Bernhard Berchtold, Walter Donati, Anna-Maria Dur, Edith Haller, Lance Ryan und Sabina Willeit sind nur schwer zu ersetzen. Dazu kamen andere große Namen: José Cura sang verschiedene Rollen und inszenierte Samson et Dalila. Stars wie Ramon Vargas, Anja Harteros, Ambrogio Maestri, Klaus Florian Vogt, Franz Grundheber, Bo Skovhus, Violetta Urmana, Franco Fagioli (der bei den Händel Festspielen zum Publikumsliebling wurde), ... sangen als Gäste.
Peter Spuhler und sein Team präsentierten sich nun beim diesjährigen Theaterfest, das mehr zu bieten hatte als die übliche Routine. Allem Anfang wohnt ein Zauber inne … das Publikum konnte das spüren: es lag ein erwartungsfrohe Atmosphäre über den Veranstaltungen.
Traditioneller Höhepunkt ist der Spielzeit Cocktail am Abend. Zuerst erfolgten ungewohnt interessante und kurzweilige Ansprachen von Vertretern der Stadt (der Karlsruher OB Fenrich) und des Landes (Staatssekretär Jürgen Walter). Beide bekannten sich zum Haus und dessen kulturellen Aufgaben, erläuterten die finanziellen Hürden und die anstehenden Sanierungsmaßnahmen des Hauses an der Baumeisterstraße. Die Nancy-Halle als zusätzlicher Probenbereich wurde von Fenrich als Möglichkeit angedeutet. Spuhler kann man nur viel Verhandlungsgeschick wünschen – es stehen mehr Aufgaben und Entscheidungen an als in den letzten Jahren. Zudem will er ein Kinder- und Jugendtheater etablieren und für das Haus neues Publikum gewinnen. Ob er die hohen Auslastungszahlen der vergangen Jahre überhaupt halten oder wirklich überbieten kann, wird in den nächsten 5 Jahren eine Meßlatte für seine Tätigkeit.
Zur künstlerischen Seite: in allen Sparten sind Publikumslieblinge gegangen, die nun ersetzt werden wollen. Das Schauspiel eröffnete den Abend mit Ausschnitten aus den anstehenden Produktionen. Der neue Schauspielchef Jan Linders und das komplette Ensemble waren angetreten und hinterließen einen sehr guten Eindruck und machten neugierig auf den Spielzeitbeginn. Ob die Stücke das Karlsruher Publikum in der Breite ansprechen, muss sich erst zeigen, doch das Ensemble scheint das Potential gehalten zu haben.
Das Ballett zeigte zwei Ausschnitte früherer Produktionen. Angesichts der hohen Popularität Birgit Keils wird es auch in der kommenden Spielzeit wieder ausverkaufte Abende geben. Allerdings sind zwei der drei ersten Solisten nicht mehr am Haus. Auch ist weiterhin keine erste Solistin in Sicht. Flavio Salamanka als einziger verbliebener erster Solist wird nicht alleiniges Zugpferd und Sympathieträger bleiben können. Mittelfristig wird man also personelle Veränderungen vornehmen müssen, um den Erfolg zu halten.
Die Oper hinterließ den schwächsten Eindruck an diesem Abend. Der Spielplan ist ambitioniert, der neue Operndirektor Schaback, Casting-Direktor John Parr und Chefdramaturg Bernd Feuchtner hinterließen einen kompetenten Eindruck und doch blieben Zweifel, ob sie aus dem großen Schatten ihres Vorgängers treten können.
Die vorgestellten neuen Sänger konnten nur teilweise Interesse wecken. So machten die beiden jungen Tenöre Sebastian Kohlhepp und Elezar Rodriguez neugierig auf ihre weitere Entwicklung. Andrew Finden ließ mit einer Bariton-Arie aus Händels Alessandro die Vorfreude auf die Händel-Festspiele wachsen und der junge Baß Avtandil Kaspeli begeisterte bei seinem Auftritt als Komtur in Mozarts Don Giovanni. Der neue Heldentenor John Treleaven wird sich mit Lance Ryan vergleichen lassen müssen.
Es fehlten an diesem Abend einige der voraussichtlich neuen Stars: die Soprane Dovhan und Melton, der Tenor Shin und die Baritone Venter und Jung nehmen zentrale Rollen in der neuen Spielzeit ein. Mit ihnen hätte die Vorfreude auf das kommende Opernprogramm größer ausfallen können.
Und für alle Wagner-Fans: es wird 2013 eine Wiederaufnahme des Rings geben.
Seit 1988 bin ich steter Besucher des Badischen Staatstheaters. Bei vielen Opern-, Theater-, Konzert- und Ballettvorstellungen im Jahr und Besuchen in anderen Städten verliert man schon mal den Überblick. Dieser Tagebuch-Blog dient mir seit der Spielzeit 2011/12 als elektronische Erinnerung. Bitte beachten Sie meine Intention: ich bin kein Journalist oder Kritiker, sondern schreibe hier lediglich persönliche Eindrücke, private Ansichten und Vermutungen für mich und Angehörige nieder.