Donnerstag, 23. August 2018

Mumpitztheater (8)

Wer will in Karlsruhe 2020 Generalmusikdirektor werden?
Die BNN schrieb am 13.07.18 anläßlich der Vorstellung der neuen Konzertsaison:
  • "Justin Brown wollte ruhigere Fahrwasser ansteuern ab der kommenden Spielzeit. Nach zehn verdienstvollen Jahren am Badischen Staatstheater sollte ihm ein neuer Generalmusikdirektor (GMD) folgen. Doch wie zu hören ist, fand sich keiner, der unter den Bedingungen am  Karlsruher Haus zu arbeiten bereit gewesen wäre."
Der letzte Satz hat es in sich. Eine klatschende Ohrfeige - nur für wen und ist sie berechtigt? Es gab letztes Jahr keine offizielle Stellungnahme zur Absage von Frank Beermann als neuem GMD der Badischen Staatskapelle. Man hatte vielmehr den Eindruck, als ob man in Karlsruhe den Vorgang unter den Teppich kehren wollte. Wer hatte hier etwas zu verheimlichen? Zumindest war die Außenkommunikation mal wieder kein Ruhmesblatt für Intendant Spuhler. Daß der Intendant selber bei dieser Pleite erneut in den Fokus der Kritik gerät, hat also hausgemachte Gründe.
 
Als der Wunschkandidat des Orchesters Frank Beermann letztes Jahr absagte, blieb es überraschend still. Beermann hat zahlreiche CD-Einspielungen aufzuweisen und ist zweifacher Echo Klassik Preisträger (für eine CD mit Mendelssohns Klavierkonzerten und die Aufführung der überarbeiteten Meyerbeer-Oper Vasco da Gama), ein Experte für Richard Wagner, profiliert als Konzert- und Operndirigent. Wann bekommt man schon mal einen so renommierten Kandidaten, der in der Lage ist, überregional Aufmerksamkeit für die Badische Staatskapelle zu gewinnen? Daß Beermann neuer GMD wird, schien sicher, die Absage kam überraschend. Was war der Anlaß?

Beermann war von der Badischen Staatskapelle und dem Badischen Staatsopernchor überzeugt, es lag definitiv nicht an den fehlenden musikalischen Möglichkeiten in Karlsruhe, ganz im Gegenteil, er soll sich auch am Haus wohlgefühlt haben. Falls die Chemie zwischen ihm und den Musikern oder dem Theater nicht gestimmt hätte, wäre die Reißleine schon vorher gezogen worden. Doch warum wurde die Reißleine quasi an der Ziellinie gezogen? Was gab den Ausschlag?

Beermann ist Profi genug, nicht aus dem Nähkästchen zu plaudern. Um ein verantwortungsvolles Amt anzutreten, müssen sehr viele Details stimmen. Zu spekulieren, was den Ausschlag gegen Karlsruhe gab, ist müßig. Und auch Intendant Spuhler muß man hier (vorerst) entlasten. Er ist offiziell noch bis 2021 im Amt, die Opern-Planungen stehen bis dahin. Was 2021 passiert, ist (zumindest theoretisch) noch offen. Hätte Beermann dieses Jahr Justin Brown abgelöst, hätte er für die kommenden drei Jahre auf die Oper keinen Einfluß nehmen können. Und offiziell kann er das auch nicht, der Operndirektor bestimmt Programm und Ensemble, der GMD kann bestenfalls beraten. Seine Verantwortung liegt bei den Musikern und dem Konzertprogramm. Man kann spekulieren, daß es für Beermann keine zufriedenstellende Aussicht ist, in der Oper kein Mitspracherecht zu haben, aber ein Entgegenkommen für Wunschprojekte sollte man ermöglichen können. Justin Brown hatte einen Wagnerzyklus, Neuinszenierungen dieser Opern sind bspw. auf Jahre in Karlsruhe nicht zu erwarten - auch das könnte bspw. einer der Gründe sein, die für Beermann gegen Karlsruhe sprechen.

Wenn die BNN pauschal andeutet, daß es die "Bedingungen am  Karlsruher Haus" waren, kann man Einspruch erheben: viele Bedingungen sind vorab bekannt (bspw. Bezahlung, Verantwortung, Umfang und Aufwand), sogar die schlechte Stimmung, die sich seit der Intendanzübernahme durch Peter Spuhler ausgebreitet hat. Auch wenn man Intendant Spuhler massiv für seine Amtsführung kritisieren kann, verhindert diese nicht, daß man ein Orchester erfolgreich gegen seine Intendanz führen kann. Gerade ein gestandener GMD wie Beermann hat die Position, um Kritik zu üben und für das Orchester zu kämpfen.

Spekulieren bringt hier nichts, ein anderer Blickwinkel lautet so: Es waren der Verwaltungsrat und Intendant Spuhler, die zusammen an der Ziellinie scheiterten. Wenn man so weit in der Entscheidungsfindung ist, wenn man einen so hochkarätigen Kandidaten hat, darf man sich den nicht durch die Lappen gehen lassen. Was man den Karlsruher Verantwortlichen vorwerfen muß, scheint doch vielmehr, daß sie sich nicht bewegt haben, daß sie Beermann anscheinend nicht den roten Teppich ausrollen wollten oder sich nicht motiviert darum bemühten, ihn für Karlsruhe zu gewinnen. Die Frage ist also, wer ist verantwortlich, wer hat sich nicht bemüht oder wer wollte sich nicht bemühen? Diese Frage kann hier nur in den Raum gestellt werden. Auch nachträglich könnte man sich übrigens erneut um Beermann bemühen. Wieso sollte er nicht 2020 nach Karlsruhe kommen? Also liebe Verantwortliche in Stadt, Land und im Theater: was spricht gegen einen Sprung über den eigenen Schatten, wenn das Orchester ihn noch immer haben wollte! Die Tür ist erst endgültig zu, wenn klar ist, daß es nicht zusammenpaßt. Beermann selber erklärte, er wäre "traurig", daß es nicht zu einer längerfristigen Zusammenarbeit kam. Auch für Intendant Spuhler wäre das eine Erfolgsmeldung und in dem Zusammenhang eine Möglichkeit, seiner Intendanz etwas mehr Glanz und Akzeptanz zu verleihen. Die Suche nach einem neuen GMD beginnt in dieser Spielzeit vorerst von vorne. Haben Intendanz und Verwaltungsrat ihre Lektion aus der Absage gelernt? Noch eine Absage eines Wunschkandidaten, und man muß diskutieren, wie die Reputation des Hauses derartig gelitten haben konnte und wer hier verantwortlich für das Mumpitztheater und den Wettbewerbsnachteil ist.

Ab wann sucht man nach einem neuen GMD?
Aktuell ist für die kommenden fünf Monate (noch) nichts davon zu erkennen, keine Gastdirigenten reichen sich den Taktstock weiter; erst 2019 scheint es dann aber spannend zu werden. Kurzfristige Übernahmen von Operndirigaten muß man beobachten. In den Symphoniekonzerten erscheint der erste Gastdirigent erst im Februar 2019 mit Kevin John Edusei (der noch bis 2019 Dirigent in Bern und seit 2014 Chefdirigent der Münchner Symphoniker ist), weitere folgen im Frühjahr: Rasmus Baumann (GMD der Neuen Philharmonie Westfalen) und Georg Fritzsch (der 2019 nach 16 Jahren die Kieler Oper verläßt). Oksana Lyniv (die erst seit 2017 die Grazer Oper leitet) sollte tatsächlich nur Gast sein. Constantin Trinks soll im Juni als Gast Hoffmanns Erzählungen einstudieren, war allerdings zuvor als Kandidat beim Orchester bereits durchgefallen. Trinks ist Karlsruher, hat an der Karlsruher Musikhochschule studiert und eine starke Lobby, die ihn gerne haben will. Doch -das muß man so klar sagen- Trinks ist schon abgelehnt worden, er wäre immer nur die zweite Wahl und Verlegenheitslösung - eine Reputation, die er nicht nötig hat und nur schwer loswerden würde.

1 Kommentar:

  1. @anonym: Vielen Dank für die zusätzlichen Infos.
    Die Entwicklung um Verwaltungsdirektor Obermeier beobachte ich. Darüber werde ich irgendwann eine Zusammenfassung schreiben

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