Montag, 20. August 2018

Mumpitztheater (7)

Die Häßlichkeit der R*innen
oder
Intendant*in Spuhler*in ist nun irgendwie Gender   

Die Verbraucher*innenschützer*innen für gesäuberte und überwachte Sprache sind nun auch im Badischen Staatstheater eingetroffen. Die Intendanz scheint in der schriftlichen Selbstdarstellung des Staatstheaters sprachpolitische Rücksicht auf die Befindlichkeiten der sich benachteiligt fühlenden Opfer der Sprache angeordnet zu haben und sexualisiert das grammatische Geschlecht, um Diskriminierung leichter unterstellen zu können. Man darf sich dadurch nicht täuschen lassen, es geht bei dieser Verhunzung von Sprache nicht um grammatische Gleichberechtigung, es ist auch kein progressives Emanzipations-, sondern ein konservatives Milieuprojekt einer linksidentitären Klientelgruppierung. Sahra Wagenknechts neue links-soziale Sammlungsbewegung "Aufstehen" (mehr hier und auch hier) scheint bspw. von Anfang an auf Gegenkurs zu hypersensiblen Sprachregelungen der links-identitären "Political Correctness" und dem wirren Sammelsurium von Identitätsfragen zu gehen. Und dafür gibt es gute Gründe.
 
Wo ist die Mädchen? Sie putzt das Küche! 
Grammatik ist kompliziert, vor allem ideologisch erscheint es einer kleinen Minderheit nicht verständlich, daß das grammatische Geschlecht nicht zwingend etwas mit dem biologischen Geschlecht zu tun hat und das generische Maskulin verwendet wird, wenn kein bestimmtes Geschlecht gemeint ist. Diese und andere historische Sprachentwicklungen behandeln in deren Sicht Frauen und Männern nicht gleich, ein Beispiel: da "die Geisel" im Deutschen weiblich ist, können Männer sich sexistisch verunglimpft fühlen. Im Umfeld der esoterisch anmutenden Gender-Anhänger empfindet man es anscheinend als nicht "korrekt", daß die Pluralform zwar mit dem weiblichen Artikel, aber überwiegend dem männlichen Substantiv gebildet wird. Als Abhilfe gibt es u.a. das Binnen-I (z.B. FanatikerInnen), den Gender-Gap (z.B. Fundamentalist_innen) und das Gender-Sternchen (z.B. Sektierer*innen). Intendant Spuhler entschied sich für das Gender-Sternchen - es ist die offizielle Schreibweise bei Bündnis 90/Die Grünen (bis 2015 setzte diese Sprachsekte auf das Binnen-I, seit 2015 ist das Sternchen Pflicht) und was diese Partei in ihrer scheinbaren Unfehlbarkeit entscheidet, soll nun von oben herab Verbindlichkeit verliehen werden. Es heißt in den Schriften des Badischen Staatstheaters also bspw. statt die Zuschauer nun die Zuschauer*innen, statt die Besucher nun die Besucher*innen. Oberflächlich betrachtet versucht man damit halbherzig eine sprachliche Gleichbehandlung durch Geschlechtsneutralität, die in der deutschen Sprache allerdings nicht erreichbar ist und eine Verhunzung von Texten zur Folge hat. Hier ein konsequenter Beispielsatz zur Verdeutlichung:
  • Das Badische Staatstheater braucht endlich wieder eine*n kompetente*n Intendanten*in, die/der das Zuschauer*innen nicht als Geisel*er ihres/seines spießigen, zeigefingerhebenden Oberlehrer*ingehabes nimmt.
Neutral verunstaltet und ein häßliches Textbild als Hindernislauf über *. Der Zweck mag ja gut gemeint sein, die Mittel sind verheerend gedankenlos. Durch diese absurde Sprachsensibilität und Provokation durch schlechten Geschmack werden im Gegenzug all jene diskriminiert, die ästhetische Freude an Sprache haben und glauben, daß man einen Text auch stets sprechen und vorlesen können sollte.
Hier einige weitere Beispiele für männliche Substantive, die in geschlechtsneutraler Bedeutung ohne Gender-*in Frauen diskriminierend ausschließen:  
  • Pfuscher*innen
  • Hornochse*innen
  • Schwachkopf*innen
  • Knecht*innen
  • Flachgeist*innen
  • Labersack*innen
  • Stinkstiefel*innen
  • Depp*innen
  • Armleuchter*innen
  • Schlappschwanz*innen
  • Gehirnkastrat*innen
  • Idiot*innen
  • Dummschwätzer*innen
  • Spießer*innen
  • Trottel*innen
  • Tiefflieger*innen
  • Wichtigtuer*innen
  • Heuchler*innen
  • Stalker*innen
  • Betrüger*innen
  • Täter*innen
  • Verbrecher*innen
  • .... 

Wenn das Sonne*r des Kultur*er niedrig steht, werfen selbst bunte Zwerge*innen lange dunkle Schatten*innen
Ja, das macht so richtig Spaß, Sprache genderkorrekt zu verunstalten und zu verhunzen und das scheint auch irgendwie perfekt zur Karlsruher Intendanz zu passen. So unsäglich sie regelmäßig agiert, so unsäglich sind nicht mehr sprechbare Texte. Für Anti-Ästheten (fehlbesetzt in einem Theater) sicherlich ein Erfolg, für alle anderen eine häßliche Verunstaltung von Sprache und eine weitere lächerlich anmutende Disqualifizierung.
    

Intendant Spuhler und die Rückkehr der Spießigkeit im Theater
Was steckt hinter dieser Schreibweise? Definitiv nicht das Thema Gleichberechtigung, eine  geschlechtersensible Sprache kann lesbar und sogar halbwegs elegant sein und benötigt keine Sonderregeln. Es geht auch schon lange nicht mehr um Sinn oder Nutzen, sondern um die Vorführung der eigenen "Korrektheit". Der Bekenntnisdrang des Intendanten ist ein konservatives Milieuprojekt, das vor allem das eigene Milieu stärken soll und der Durchsetzung einer politischen Agenda dient. Deshalb produziert man so gerne Klientel-Theater für Zielgruppen. Es geht nicht nur um die Herstellung von Kunst, sondern auch um die Ausstellung von persönlicher Parteinahme, Ziel ist nicht die Meinungsbildung, sondern die Meinungsbestätigung und -verbreitung. Von der Soziologin Cornelia Koppetsch stammt der Begriff  Selbstvergewisserungsindustrie. Es wird sortiert, wer/was dazugehört und wer/was nicht. Auch das Theater will sich identitär ab- und damit andere ausgrenzen, Kunst ist nicht mehr vermittelnd, man produziert faktisches Statement-Theater statt fiktionales Theater-Statement.
 
Problematisch an der identitären Vergewisserung ist die unterschwellige Tonart der Selbstgerechtigkeit und der Verdächtigung. Der machtpolitische Mißbrauch einer Sprachaufsicht liegt auf der Hand – die Tugendwächter und ihre sozialpädagogischen Projekte von oben zur Erziehung der Untertanenbürger  bedrohen individuelle Freiheit und gesellschaftliche Autonomie durch die Verbreitung von Ressentiment, Unterstellung und Denunziation. Konforme Bekenntnisse und Gutwörter werden zum Ablaßhandel für gutes Gewissen und Zugehörigkeit, es geht darum, sich selbst rituell ins richtige und andere ins falsche Licht zu setzen. Man bildet sich etwas darauf ein, "korrekt" mit "guten Gewissen" zu sein und man zeigt es - ein neuer Moralismus der Werte soll gesellschaftliche Homogenität erzwingen und grenzt damit kritisches Denken aus. Gerade große Teile der Grünen erscheinen als vehemente Erbsündenprediger und Prototypen der neuen Spießigkeit. Man verdächtigt und unterstellt - die anderen sind die Zurückgebliebenen oder die Bösen und im Zweifelsfall reduziert man alles Subversive und Kritische zur politisch radikalen Erscheinung. Der erhobene Zeigefinger ist unerläßlich für dieses überhebliche Sittenwächterkonzept, als Zuschauer soll man das Denken einstellen und sich belehren lassen - ein Theater der Indoktrinierung, das sich den Zuschauer im imaginären Kommunionskleid und Konfirmationsanzug zu wünschen scheint. Daß Peter Spuhler auf Einladung der evangelischen Kirche 2017 eine Predigt hielt, kann als ein Sinnbild seiner Intendanz gelten. 

Die Folgen dieser neuen Spießigkeit im Theater sind zutiefst unsympathisch und prekär, denn das sogenannte "politische" Theaterkonzept von Intendant Spuhler hat eine sehr bedenkliche autoritäre Stoßrichtung: man thematisiert und hinterfragt nicht primär das Handeln der Politik bzw. der Politiker und was daraus gesellschaftlich an sozialen Verwerfungen folgt, sondern verdächtigt vielmehr das Denken der Bürger. Aufmerksamen Zeitgenossen mag es durchaus vorkommen, daß zu viel DDR in diesem Konzept steckt.
   
Kann man gesellschaftliche Widersprüche durch moralische Erpressung auflösen? Carl Schmitt hat bereits 1960 erkannt: "Wer Wert sagt, will geltend machen und durchsetzen. Tugenden übt man aus; Normen wendet man an; Befehle werden vollzogen; aber Werte werden gesetzt und durchgesetzt. Wer ihre Geltung behauptet, muß sie geltend machen. Wer sagt, daß sie gelten, ohne daß ein Mensch sie geltend macht, will betrügen." Dieser Zwang des Durchsetzens der Ziele des eigenen Wert-Milieus dient in dieser Sicht wie jeder Zwang selbstverständlich "dem Wohl der Menschheit", die nur durch Zwang auf den richtigen Weg gebracht werden kann. Der Dünkel der eigenen Maßgeblichkeit entwickelt sich aus Selbstüberschätzung und Hypermoral. Die unsprechbare Genderschreibweise hat vor allem einen Zweck, sie will gesellschaftlich segmentieren und spalten. Wer stets ins Rampenlicht stellen will, wie "korrekt" man agiert, impliziert, daß andere nicht "korrekt" sind - ein typisches Beispiel für Spießigkeit.
 
Schon Goethe wußte es besser und forderte eine gelassene Pluralität: Eines schickt sich nicht für alle. Sehe jeder, wie er's treibe. In England hängt man sich ein Plakat um den Hals, läuft durch die Straßen oder predigt den Passanten an Straßenecken oder im Hyde Park. In Deutschland wird man bspw. Intendant, um ein Publikum zu haben, das man als selbsternannter Prediger auf der Kanzel belehren kann.
 
Buchempfehlungen: Wer sich über die Rückkehr der Spießigkeit und Selbstgerechtigkeit informieren will, der kann zum 2017 bei Wagenbach erschienenen Buch «Wahre Meisterwerte. Stilkritik einer neuen Bekenntniskultur» greifen. Wolfgang Ullrich zeigt darin auf, wie die Bekenntniskultur den gesellschaftlichen Frieden gefährdet. Ullrich war von 2006 bis 2015 Professor an der Karlsruher Hochschule für Gestaltung und hielt auch spannende öffentliche Vorträge im ZKM, seine Themen umfassen kritische Betrachtungen zu Kunst, Kunstbetrieb und Konsum.
Hanno Rauterberg nähert sich dem allgemeinen Thema zunehmender Prüderie und Empfindlichkeiten in «Wie frei ist die Kunst?» (edition suhrkamp)

Denkanregung: Wer lieber soziale statt identitäre Fragestellungen in den Mittelpunkt stellen will, der sollte den sozial-linken Ansatz prüfen, daß es der linksidentitäre Adam war, aus dessen Rippe sich die rechtsidentitäre Eva gestaltete. Auf beiden Seiten dominieren Werte- und Gesinnungs-Moralisten. Manche sehen sich als selbsternannte Feuerwehr dazu berufen, Brände zu löschen, die sie selber gelegt haben.

PS: Against Identity Politics.The New Tribalism and the Crisis of Democracy - Ein Essay von Francis Fukuyama findet sich hier.

(Fortsetzung folgt)

2 Kommentare:

  1. Der Gender* ist wirklich albern, aber das von Ihnen konsequent durchgezogene Generische Maskulin ist genau so aus der Zeit gefallen. Frau Braunger ist Operndirektorin und nicht -direktor. Wenn der Begriff eine Gattung oder reine Funktion bezeichnet, mag es ja noch gerechtferigt sein, aber so, wie Sie das Maskulin durchziehen, ist auch zumindest diskussionswürdig bis abstoßend. Ich bin froh, dass die Medien von unserer Bundeskanzlerin sprechen. Ich plädiere dafür, das Geschlecht zu verwenden, wenn es das Sprachgefühl nicht verletzt. Also Operndirektorin, Ballettdirektorin, etc. Grüße, eine Leserin Ihres Blogs (ich bin kein Leser) dp

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  2. @dp: Vielen Dank für Ihren freundlichen Hinweis. Ich bin da ganz bei Ihnen, um präzise zu sein, sollte man immer das richtige Geschlecht verwenden, soweit es das Sprachgefühl nicht verletzt. Im Singular läßt sich das tatsächlich einfach anwenden. „Operndirektor Braunger“ kann ja auch mißverständlich sein, ich würde „Operndirektorin Braunger“ sagen und schreiben. "Bundeskanzler Merkel" würde mir nicht auffallen, da jeder weiß, wer Merkel ist. Das kann man aber nicht immer durchziehen, ein Beispiel: Nicole Braunger ist bereits der dritte Operndirektor im achten Jahr dieser Intendanz, sie ist aber nicht die dritte Operndirektorin in den letzten acht Jahren.

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