Felix Mendelssohn hat herrliche Musik komponiert, wie schade, daß man sie so wenig im Konzertsaal zu hören bekommt und wie schön, daß man ihm gestern im Festspielhaus ein ganzes Konzert widmete, das auch noch besonders gut gelang.
Die Academy of St Martin in the Fields wurde 1958 vom Dirigenten Sir Neville Marriner gegründet und wenn er nicht im Oktober 2016 im Alter von 92 Jahren gestorben wäre, hätte der Engländer auch gestern den Taktstock geschwungen. Der Dirigent Jaime Martín leitete das Konzert in memoriam des Briten. Der Zufall wollte es, daß Marriner Stücke von Mendelssohn über Aufbruchsstimmung, Sommergefühle und Erneuerung gewählt hatte.
Die Symphonie Nr. 4 A-Dur op. 90, die beliebte Italienische stand am Beginn und kaum einmal hört man die Euphorie des Italienaufenthalts prägnanter, leuchtender und begeisterter als im Auftakt des ersten Satzes. Das englische Orchester blieb von Anfang an seinem guten Ruf nichts schuldig. Der melancholische zweite Satz (wer mal den Film Hausboot mit Sophia Loren und Cary Grant bewußt gesehen hat, wird bei der Melodie dennoch schmunzeln), das Menuett, das Mendelssohn anstelle des Scherzos für den 3. Satz wählte und das abschließende Saltarello erklangen vorbildlich.
In Rom vollendete Mendelssohn sein Klavierkonzert Nr. 1 g-Moll op. 25, das sehr erfolgreich werden sollte und heute viel zu selten im Konzertsaal zu hören ist. Die in München lebende russische Pianistin Yulianna Avdeeva (die erste
Frau, die nach Martha Argerich den Warschauer Chopin-Wettbewerb gewann und vierte überhaupt neben Halina Czerny-Stefańska und Bella Davidovich) spielte voller Leidenschaft, der langsame mittlere Satz erhielt bei ihr einen wunderschön verträumten Ausdruck, das ganze Konzert klang CD-reif und souverän und herausragend selbstverständlich musiziert.
Die Symphonie Nr. 5 d-Moll op. 107, die sogenannte Reformationssymphonie ist eigentlich Mendelssohns zweite Symphonie und wird im Reformationsjahr 2017 in einigen Konzertplänen auftauchen - sie ist religiös ohne sakral zu sein. Richard Wagner verwendete für ein Gralsmotiv im Parsifal eine Melodie, die auch bei Mendelssohn erklingt (das sogenannte Dresdner Amen), der Sieg des Protestantismus feiert der Komponist, indem er den Choral „Ein feste Burg ist unser Gott“ erklingen läßt, erst von einer Flöte, schließlich hymnisch und triumphal orchestral. Und ein wenig paßten die Blechbläser des Chorals auch zur Weihnachtsstimmung - auf der Bühne stand am Rand ein riesiger Weihnachtsbaum. Im zweiten Teil leistete sich das Orchester zwar Schnitzer, dennoch waren Spielkultur und Klang durchgehend überzeugend und das Konzert ein starkes Plädoyer für Mendelssohn.
Seit 1988 bin ich steter Besucher des Badischen Staatstheaters. Bei vielen Opern-, Theater-, Konzert- und Ballettvorstellungen im Jahr und Besuchen in anderen Städten verliert man schon mal den Überblick. Dieser Tagebuch-Blog dient mir seit der Spielzeit 2011/12 als elektronische Erinnerung. Bitte beachten Sie meine Intention: ich bin kein Journalist oder Kritiker, sondern schreibe hier lediglich persönliche Eindrücke, private Ansichten und Vermutungen für mich und Angehörige nieder.