Mit Auszeichnungen und Preisen ist das so eine Sache. Ihr künstlerischer Wert und ihre Aussagekraft sind oft diskutabel. Frühere Karlsruher Intendanzen verbuchten solche Erfolge in der Regel auch nur einmalig und ohne großes Trara in der damals noch monatlich erscheinenden Theaterzeitung.
Für die neue Karlsruher Intendanz sind Auszeichnungen hingegen wichtige Bestätigung der eigenen künstlerischen Arbeit. Während der ganzen letzten Spielzeit schmückte man sich mit Titeln für beste Programmzusammenstellungen bzw. als vermeintlich drittbestes Theater der Spielzeit 11/12
(Slogan in Karlsruhe: "Danke für Bronze").
Wenn dies nicht aus Prahlerei und Opportunismus geschah, könnte man die Abfertigung für die Spielzeit 12/13 bei der Kritikerumfrage der Fachzeitschrift „Die Deutsche Bühne“ als Ohrfeige empfinden. Letztes Jahr wurde man von der Zeitschrift noch als drittbestes Theater der Spielzeit 11/12
gekürt ("Danke für Bronze"). Dieses Jahr fällt man deutlich ab.
54 Kritiker, davon 12 aus Baden-Württenberg, gaben in verschiedenen Kategorien ihre Bewertungen für bundesdeutsche Bühnen ab. Zwanzig mal wurde das Stuttgarter Staatstheater genannt, zwei mal das Karlsruher Staatstheater. Doch besonders alarmierend ist, daß im Vergleich mit Karlsruhe neben dem Freiburger Theater auch das Heidelberger besser abschneidet und beide sich den Titel für "Ungewöhnlich überzeugende Theaterarbeit abseits großer Theaterzentren" teilen. So beginnt der einleitende Text zur Kritikerumfrage von „Die Deutsche Bühne“ mit dem Hinweis, daß "Stuttgart, Heidelberg oder Freiburg ... auf dem Siegertreppchen" stehen. Der Südwesten steht also hervorragend da. Die künstlerische Leistung in Karlsruhe findet hingegen nur wenig Anerkennung bei denen, die Vergleichsmöglichkeiten haben und verliert gegenüber kleineren Bühnen.
Hier der Link zu dem im Internet abrufbaren kurzen Überblick von „Die Deutsche Bühne“:
Das Badische Staatstheater befindet sich also im künstlerischen Niemandsland - wenig gewürdigt, wenig wahrgenommen und nur noch ein Geheimtipp für Musical-Fans, die nach Starlight Express, König der Löwen, Miss Saigon etc. ihre Sammlung durch Dylan und Rio Reiser ergänzen wollen. Auch im neuen Theatermagazin (Nr. 8) spielt die bevorstehende Premiere von Verdis Maskenball nur noch eine marginale Rolle. Seitenlang berichtet man hingegen über Rio Reiser. Die Oper, lange das Karlsruher Aushängeschild, scheint einen geringeren Stellenwert einzunehmen als früher.
Kann das Badische Staatstheater mit anderen wichtigen Spielstätten überhaupt noch konkurrieren? Ja! Aber mit Einschränkungen. Anspruch und Leistung stimmen nicht überall und es gilt, rechtzeitig Maßnahmen zu ergreifen, wenn man nicht bereits in der Mitte des Intendanzvertrags als ideenlos dastehen will. Überhaupt würde es dem Badischen Staatstheater gut tun, sich im dritten Jahr der Intendanz auf alte Stärken zu konzentrieren. In der Oper ist das Potential vorhanden. Hier wird es entscheidend sein, daß Maskenball, Fledermaus und Meistersinger Erfolge werden und die Spielplanvielfalt steigt. Das Ballett und die Konzerte der Badische Staatskapelle sind auf dem richtigen Weg.
Über die größte Baustelle und Problemzonen im Schauspiel wurde in diesem Blog wiederholt geschrieben (mehr dazu hier). Hier ist der Qualitätsverlust deutlich und man muß kräftig gegensteuern, um wieder in tiefere Wasser zu kommen und um nicht in bundesdeutscher Bedeutungslosigkeit zu verschwinden. Die Vorschau für die kommende Spielzeit war stark enttäuschend. Dazu benötigt man neue Hauptrollen-Schauspieler und man kann nur hoffen, daß man eine glückliche Hand bei der Verpflichtung neuer Schauspieler hat. Das Frankfurter Schauspiel -ein Einspartenhaus- bekam alleine elf Nominierungen bei obiger Umfrage (hier ein Besuchsbericht) und könnte als Vorbild dienen.
"Danke für Bronze" konnte ich nie ernst nehmen. Die diesjährige Niederlage bei den Kritikern ebenso wenig. "Die Deutsche Bühne“-Umfrage liefert Momentaufnahmen und Stimmungen, Wechsel und Wandel werden oft stärker wahr genommen als konstante Arbeit und wer hat, dem wird bekanntlich auch gegeben. Stuttgart hat finanzielle Mittel und Sponsoren wie EnBW, Daimler und Porsche zur Verfügung, von denen andere nur träumen können. In diesem Jahr gibt die Kritikerumfrage also nur zufällig ein Indiz für etwas, dem dieser Blog auf der Spur ist: einem fehlenden künstlerischen Qualitätsschub der Karlsruher Bühne.
Seit 1988 bin ich steter Besucher des Badischen Staatstheaters. Bei vielen Opern-, Theater-, Konzert- und Ballettvorstellungen im Jahr und Besuchen in anderen Städten verliert man schon mal den Überblick. Dieser Tagebuch-Blog dient mir seit der Spielzeit 2011/12 als elektronische Erinnerung. Bitte beachten Sie meine Intention: ich bin kein Journalist oder Kritiker, sondern schreibe hier lediglich persönliche Eindrücke, private Ansichten und Vermutungen für mich und Angehörige nieder.
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Hallo Honigsammler
AntwortenLöschenDie geringe Präsenz des Bad.Staatstheaters in der überregionalen Presse ist ein altes Problem. Schon Thorwald und Fieber haben vergeblich um mehr Anerkennung gekämpft. Bezeichnenderweise schaffen es auch die guten Produktionen, nicht mal Nischenprojekte in die großen Zeitungen und Magazine. Einzig auf die Händelfestspiele ist Verlass. Da wird quer durch den Blätterwald berichtet.
Resonanz bei Kritikern setzt voraus, dass solche da sind. Die jährliche Kür des „X des Jahres“, die von der Opernwelt durchgeführt wird zeigt dies ganz deutlich: Es kommt nicht auf den, die, das X an, sondern auf die Zahl der involvierten Kritiker. Wenn Karlsruhe eine Nennung erreicht, dann war eben nur ein Kritiker zur Stelle. In Bayreuth, Salzburg, München usw. sind sie alle vertreten. Auch Baden-Baden besitzt lockt mit dem Glamour seiner Solisten viele Journalisten an. Mannheim und Heidelberg liegen im Einzugsbereich von Frankfurt. Karlsruhe offensichtlich nicht.
Das „Opernglas“ berichtet aus fast ganz Deutschland– aus Karlsruhe kommen nur sporadische Nachrichten, obwohl einer der Autoren (J. M. Wienecke) hier ansässig ist. An ihm kann es nicht liegen, er schreibt sicher so viel wie möglich, d.h. über jede Premiere oder Wiederaufnahme. Die Redaktion hat aber immer das letzte Wort.
Ich weiß nicht, woran die Nichtbeachtung des Badischen Staatstheaters durch die Kritiker letztlich liegt, aber dem Theater würde ich sie nicht ankreiden. Peter Spuhler ist mit dem Problem vertraut. Er möchte es ändern – bislang ohne Erfolg. Jedenfalls ist der Titel „Beste Oper des Jahres“ ungefähr gleich viel wert, wie der für das beste Opernprogramm.
Guten Tag Herr Kiefer,
Löschenvielen Dank für die Analyse. Ich mache mir nicht viel aus diesen Umfragen und schätze ihre Bedeutung nur gering ein. Nachdem man letztes Jahr an der "Danke für Bronze" -Kampagne nicht vorbei kam, war ich aber ausnahmsweise gespannt, ob man einen besseren Draht zur überregionalen Kritik erreicht hat. Daß man neben Stuttgart nun Freiburg und Heidelberg stark hervorhebt, spricht nicht für die Lobby- und Vernetzungsarbeit in Karlsruhe, relativiert aber auch den Stellenwert, den man sich in Karlsruhe letztes Jahr geben wollte. Weder war man 2011/12 so gut, noch 12/13 so schwach. In den Bereichen Ballett, Oper und Konzert ist man m.E. sogar gut und teiweise sehr gut aufgestellt. Nur den Schub, den man sich beim Badischen Staatstheater gerne selber zuschreibt ("Bestes Programm", "Rekord", "berührend", "intensiv"..), vermisse ich. Die Verantwortlichen kochen halt auch nur mit Wasser und sollten mehr auf die Verfeinerung der Rezepte und dessen Variationen achten anstatt auf den vermeintlichen Massengeschmack. Kurzfristig kann man den Zielwert Quantität durch Werbung erhöhen, langfristig glaube ich nur daran, wenn auch die Qualität stimmt.
Hallo Honigsammler,
AntwortenLöschenSalzburg:
Meistersinger: ideenreiche und nachempfindbare Regie.
Mir hats gefallen. Musikalisch nicht so tolle, wär in Karlsruhe besser gewesen.
Don Carlo: eine Sternstunde. Gibt es nur ganz wenige davon.
(Etwas zu bebeckmessern gibt es ja immer).
Falstaff: in der GP - Pause bin ich raus. Regie war mir zu kindisch. Musikalisch ok (Beste: Falstaff und Mrs. Quickly)
Fröhlichen erholsamen Sommer.
Klaus
Vielen Dank für die Übersicht! Im Fernsehen ergab sich ein ähnlicher Eindruck.
LöschenDon Carlos scheint mir der Höhepunkt des Festivalsommers zu sein. Harteros & Kaufmann sind aktuell gerade das Duo, das ich gerne mal zusamen erleben würde. Ich hoffe, dass es die beiden mal zusammen in Baden-Baden zu hören gibt.
Ihnen einen schönen Sommer!
Cosi- Desaster in Salzburg
Löschenhttp://www.der-neue-merker.eu./
Gruß Klaus
Danke! Inzwischen gibt es zwei genaue Links:
Löschenhttp://www.der-neue-merker.eu/salzburg-festspiele-cosi-fan-tutte-symmetrie-und-schleichen
http://www.der-neue-merker.eu/salzburger-festspiele-cosi-fan-tutte-2-vorstellung-23-august-2013
Kalrsruhe und die mangelnde Berichterstattung in der überregionalen Presse. Woran liegt's ?
AntwortenLöschenNun, weshalb reist der übersättigte Musiktheaterjournalist an ? Sicher nicht wegen einer Regimentstochter. Sondern wegen
- eines bestimmten musikalischen Teilnehmers (interessantes Debüt, profilierter Name)
- eines Nischenwerks
- eines Regisseurs
Karlsruhe hat - so jedenfalls mein Eindruck - diese Spielzeit durch die Vestalin und die Passagierin auf sich aufmerksam machen können. Dummerweise
- fiel die Vestalin szenisch und auch in vielerleich Hinsicht musikalisch durch
- hatte Mannheim als Konkurrenzveranstaltung den Idioten zur passagierin aufzubieten (noch unekannter, bessere Regie) - und in den Doppelrezensionen schnitt KA eben schlechter ab
Peter Grimes hätte sicher auch mehr Publicity erhalten können, hätte man die Premiere nicht in den Sommer und die damit verbundene Festspielzeit gesetzt.
Nicht nur hinsichtlich des Wagner-Verdi-Jahres (und auch Britten-Jahr, aber das niemanden interessiert - leider) hatten MA und insbesondere FFM im direkten Vergleich mit KA sicher die interessanteren Produktionen zu bieten, auch wenn in den genannten Städten längst nicht alles Gold ist, was glänzt.
Auffällig ist auch die mediale Dominanz von Ettinger im Vergleich zu Brown. Erstgenannter hat mittlerweile ein Dauerabo in München, letzter muss eben häufig nach Alabama fliegen. Nur interessiert das keinen deutschen Kritiker.
Das hört sich jetzt alles schrecklich überkritisch an - aber so ist es nicht gemeint. Ich bin froh, dass Brown GMD ist und nicht Ettinger. ich bin dem Staatstheater bis in alle Ewigkeit dankbar für die Händelfestspiele - selbst für die verkorksten dieses Jahr. Ich bin froh, Sänger im Ensemble zu haben bzw. gehabt zu haben, für die ich andernorts das Fünffache hinlegen müsste.
Wenn ich als Sesselkommentator irgendetwas empfehlen würde, dann Folgendes:
- Macht weiter mit der Moderne. Dantons Tod, Wallenberg, Passagierin und Doctor Atomic waren Höhepunkte der letzten Jahre.
- Traut euch - gerade weil ihr ein Ensemblehaus seid - mehr zu Nischenopern bekannter Komponisten. Bestes Beispiel: Maskenball. Pforzheim macht's. Heidelberg macht's, FFM und MA haben's letzte Spielzeit gemacht. da wartet keiner drauf, keiner hat au den gewartet. Früher Verdi wäre doch eine Alternative, zumal mit Schlingensiepen, Dobrzanska und Melton gleich drei Hammersängerinnen da wären.
- Wieder mehr Mut zur Provokation. Nicht um ihrer selbst willen, aber ich kenne kein Theater im Umkreis von KA (ca. 2 Fahrstunden), das derart handzahm ist. Wo ist der Spuhler, den man aus Heidelberg kannte ?
In aller Regelmäßigkeit treffe ich mich mit Opernfreunde aus München, die in die Gegend wegen des reichhaltige Opernangebotes fahren. Nach KA kommen sie in den wenigsten Fällen (nach Wiesbaden übrigens noch weniger), allerdings wegen Mainz und Frankfurt, auch Heidelberg, Strasbourg und Freiburg.
Grüße,
Florian
Hallo Florian,
Löschenherzlichen Dank für die sehr interessante Analyse.
Jeder Spielplan muß die richtige Balance halten zwischen alten, beliebten und neuen Werken. In der Hinsicht freue ich mich sogar sehr auf den Maskenball, dessen letzte Inszenierung in KA ca 30 Jahre zurück liegt. Da er auch in Heidelberg und Pforzheim gespielt wird -na ja, das spricht nicht für die Kommunikationsfähigkeit unter den Häusern. Der Druck liegt auf Joscha Schaback. Man sollte erwarten, daß der Karlsruher Maskenball mehr zu bieten hat als der der kleineren Häuser.
Ob Dr. Atomic viel Kritiker und Zuschauer anziehen wird? Ich bezweifle es. Ich freue mich allerdings auch sehr auf diese John Adams Oper, die ja 2010 in Saarbrücken für etwas Aufsehen sorgte (http://www.welt.de/welt_print/kultur/article6445962/John-Adams-Doctor-Atomic-in-Saarbruecken.html).
Baden-Baden:
AntwortenLöschen28.02.14 Anja Harteros und Johan Botha: Verdi + Wagner
10.05.14 Jonas Kaufmann: Mahler
Gruß
Klaus
Vielen Dank für den Hinweis. Ich habe alle drei Sänger schon live gehört und schätze sie sehr hoch ein.
Löschen