Donnerstag, 30. Juni 2022

Verdi - Aida, 30.06.2022

Aida zieht Publikum an, die beiden bisherigen Vorstellungen waren bis auf wenige Plätze ausverkauft, und das trotz Sommer, Sonne und über 30°C. Die zweite Aida litt unter der Corona-Epidemie, die den Chor deutlich dezimierte, und profitierte von einem im Vergleich zur Premiere homogeneren Sänger-Ensemble.

Mittwoch, 29. Juni 2022

Donizetti - Roberto Devereux, 28.06.2022

Noch einmal! Weil's so schön war!
Roberto Devereux ist der Hidden Champion der Karlsruher Oper - eine Inszenierung, die unter anderen Umständen ein Klassiker wäre, also eine zeitlose Produktion, die man über Jahre immer wieder zeigen kann (beste Beispiele aus Sicht der Karlsruher Oper in den letzten vier Jahrzehnten: Giancarlo del Monacos Inszenierungen aus den 1980ern: Lucia di Lammermoor, La Bohème, Madama Butterfly oder Pavel Fiebers Hochzeit des Figaro). Unglückliche äußere Umstände haben Roberto Devereux aus dem Fokus gerückt, glücklicherweise hat die Karlsruher Operndirektion eine kleine, aber feine Wiederaufnahmenreihe ermöglicht, die durch hochengagierte, leidenschaftliche Interpretation einen verdienten Erfolg erfährt. Verdis Aida mag die beliebtere, publikumswirksamere Oper sein, doch dieser Roberto Devereux ist die wahre Perle im aktuellen Repertoire.

Montag, 27. Juni 2022

Verdi - Aida, 26.06.2022

Befreiungsschlag: Musikalisches Spektakel mit dramatischer Energie
Über 20 Jahre sind seit der letzten Karlsruher Aida verstrichen. Höchste Zeit also, dem Publikum diese großartige Oper wieder vorzustellen und das Badische Staatstheater scheute das Spektakel nicht: Chor und Extra-Chor, Blechbläser auf der Bühne und im Zuschauerraum, eine grandios aufspielende Badische Staatskapelle und auftrumpfende Sänger. Dazu eine geradlinige Regie, die Aida im pharaonischen Ägypten beläßt und sich damit begnügt, die Handlung dekorativ zu begleiten, - das mag szenisch nicht aufregend sein, es ist aber vor allem nicht aufdringlich. Die Inszenierung hält sich zurück und läßt die Musik sprechen und der Abend wurde zum Befreiungsschlag: endlich wieder ein großer Erfolg!

Montag, 6. Juni 2022

Donizetti - Roberto Devereux, 05.06.2022

Umjubelte Wiederaufnahme
Abgesehen vom öden Don Pasquale, der am Ende dieser Saison nach einem halben Jahr schnell wieder abgesetzt wird, gab es während der letzten  Intendanz schöne Donizetti-Produktionen, eine ordentliche Regimentstochter, eine spannende Anna Bolena, und wieso es der Liebestrank nicht wieder zurück in den Spielplan geschafft hat, wird vielen unverständlich bleiben. Das gestrige Wiederhören und Wiedersehen mit Harry Fehrs Inszenierung von Roberto Devereux ist auch nach drei Jahren (mehr hier) ein Vergnügen. Für die gestrige fulminante Vorstellung feierte das Publikum Sänger und Musiker mit vielen Bravo-Rufen und stehenden Ovationen.

Montag, 23. Mai 2022

Puccini - Tosca, 22.05.2022

Da weiß man, was man hat
Vor über fünf Jahren verkündete das Badische Staatstheater die Dernière: "Tosca - zum 70. & letzten Mal" (mehr hier), doch damals war schon abzusehen, daß John Dews Inszenierung aus dem Jahr 2000 nicht so einfach ersetzt werden kann. Nun erlebt man eine über zweijährige Abschiedsphase und wer weiß, 2023/24 -im letzten Jahr vor der Neuaufstellung- könnte auch diese Tosca noch mal zurückkehren. Die gestrige 70+x-ste Vorstellung hatte so viele Besucher, daß sich zwischendurch eine 60-70 Meter lange Schlange vor dem Einlaß bildete, was aber auch daran lag, daß man am Eingang teilweise nur eine Person hatte, die Eintrittskarten scannte. Das Karlsruher Opernpublikum ist also noch da und spendete Tosca viel Applaus und Bravos.

Donnerstag, 19. Mai 2022

Strauss - Salome, 18.05.2022

Die neue Karlsruher Salome wird beim zweiten Anschauen  nicht besser. Bei der Premiere überwog die Erleichterung, daß Strauss' Oper nicht frontal gegen die Wand gefahren wurde, doch die Reduzierung der Titelfigur zu einem kindlichen Backfisch, die als entpersönlichte Symbolfigur noch etwas anderes erlebt als die Opernhandlung, ist zu wirkungsschwach und halbherzig dramaturgisch aufgesetzt, um lange als Inszenierung in Erinnerung zu bleiben. Sängerisch war gestern Miriam Clark in der Titelrolle eine hörenswerte Alternative, die der Aufführung eine andere Richtung gab.

Sonntag, 15. Mai 2022

Strauss - Salome, 14.05.2022

Die Karlsruher Oper hat über ein Jahrzehnt Vertrauen verspielt und Zuschauer verloren - die gestrige Premiere von Strauss' Salome war nicht ausverkauft, die Ballettpremiere am letzten Wochenende war beim Publikum deutlich begehrter und besser besucht. Donizettis Don Pasquale war ein Reinfall und wird am Ende der Saison wieder abgesetzt, Rossinis Barbier von Sevilla wurde kurz vor der Premiere abgesagt. Kurz: man braucht endlich wieder attraktive Neuproduktionen. Gestern nun Strauss' Salome, bei der die Erwartungshaltung niedrig war und die Erleichterung beim Schlußapplaus um so größer: Musikalisch und sängerisch erlebte man eine sehr gute und intensive Aufführung und die harmlose Inszenierung gewann durch Halbherzigkeit und Zurückgenommenheit: sie trug zwar kaum zur Spannung bei, sie sabotierte sie aber auch nicht.

Montag, 9. Mai 2022

Per aspera ad astra (Ballett), 08.05.2022

Nach knapp über zwei Jahren Virus-Epidemie und sozialen Einschränkungen sowie dem russischen Angriffs- und Zerstörungskrieg gegen die Ukraine und Europa kann die Stimmung schon mal etwas gedrückt sein. Per aspera ad astra -ein Ausdruck von Seneca, den man als Durch Mühsal zu den Sternen oder Durchs Dunkel ans Licht übersetzen kann- ist als dreiteiliges Ballett mit Kreationen von drei Choreographen geprägt von diesem Ringen und Streben hin zu mehr Möglichkeiten, Freiheiten und Ungebundenheiten. Eine optimistische, zwischen Trost und Hoffnung stattfindende Trilogie, die sich ad astra im Verlauf steigert und deren Zahlensymbolik bekanntlich auch für das Göttliche steht und die auch in verschiedener Hinsicht religiösen Ursprung hat und sich musikalisch des christlichen Instruments schlechthin bedient: der Orgel. Das Konzept ging auf, am Schluß gab es Bravo-Rufe und begeisterten Applaus, und wer das Theater nicht gut gelaunt verließ, dem konnte auch sonst nicht geholfen werden.

Freitag, 6. Mai 2022

Vorschau auf die Spielzeit 2022/2023

Jetzt gilt's! Und doch auch wieder nicht ...
Epidemiebedingt verdämmerte zwar das Theater für viele Zuschauer, doch muß man am Badischen Staatstheater darauf achten, daß Corona und vom früheren Intendanten verursachte Hausprobleme nicht als Vorwand für weitere Stagnation und gepflegte Langeweile herhalten dürfen. Es ist Zeit für das Badische Staatstheater, Klartext zu reden, sich selbst in Frage zu stellen und sich von alten Zöpfen zu trennen. Das Haus braucht eine neue Ausrichtung, neues künstlerisches Personal, neue Ideen. Der Neustart steht erst 2024 bevor, im Herbst will der Verwaltungsrat bereits über den neuen künstlerischen Intendanten entscheiden, der dann genug Zeit für die Planungen hat. Niemand weiß, wie sich die Infektionslage auf den kommenden Herbst/Winter auswirkt, doch für Intendant Peters beginnt nun die erste von zwei Spielzeiten, in denen er auch seine Handschrift zeigen kann und in denen er mit den bestehenden Möglichkeiten das Publikum zurückholen und wieder ans Haus binden will. Mit der kommenden Spielzeit ist die Übergangsphase nach Abgang des letzten Intendanten beendet, man kann wieder Erwartungen haben und Ansprüche stellen, obwohl der richtige und erforderliche Neustart erst 2024 erfolgen wird. Was darf man als Zuschauer von den nächsten zwei Jahren überhaupt noch erhoffen? Die heutige Vorstellung der Saison 2022/23 ist teilweise ernüchternd.

Freitag, 15. April 2022

Sand - Gabriel, 14.04.2022

Das tragische Ende des konstruierten Geschlechts
George Sands Familientragödie Gabriel variiert ein bekanntes Motiv, das bereits in der Frühzeit zu grausamen Isolations-Experimenten an Menschen geführt hatte. Herodot berichtete von einem ägyptischen Pharao, der zwei Neugeborene isolierte und wortlos aufwachsen ließ, um zu erfahren, welche Sprache sie sprechen würden. Später soll Stauferkönig Friedrich II. ebenfalls versucht haben, die "Ursprache" Adam und Evas mittels dieser Versuchsanordnung zu ermitteln. In Marivauxs Komödie La Dispute (Der Streit, zuletzt in Karlsruhe 2004) werden isoliert aufgewachsene Kinder einem Experiment ausgesetzt: Was ist ursprüngliche Natur, was ist anerzogene Kultur?, - eine Frage, über die heute noch gestritten wird. George Sands Gabriel handelt von einem fast isoliert in Einsamkeit aufgezogenem und getäuschtem jungen Mann, der erfährt, daß er überhaupt keine männlichen Geschlechtsorgane besitzt und tatsächlich eine Frau ist. Das klingt nach komischen oder zumindest tragikomischen Verwicklungen, ist aber als Tragödie angelegt, deren Konflikt nur scheinbar aktuell wirkt. Das biologische Geschlecht triumphiert zwar über das konstruierte Geschlecht, dennoch ist Gabriel kein Stück über Geschlechtsidentitätsstörungen, also der Inkongruenz zwischen dem biologischen Geschlecht einer Person und dem von ihr psychisch gefühlten. Auch Gabriel tragisches Ende hat andere Gründe (- eher sei an eine vergleichbare Konstellation erinnert: der griechische Held Achill wurde als Mädchen großgezogen - so bspw. in Händels Oper Deidamia). Vielmehr ist Gabriel eine zu konstruiert wirkende Geschichte über Familie und Erbschaft, Liebesbeziehung und die Frage der Selbstbestimmung, doch auch hier ist der historische Aspekt nicht überbrückbar: es sind keine zeitgemäßen Verhältnisse, die Geschlechterrollen von damals unterlagen anderen Gegebenheiten. Das Stück erschien 1839 als "Dialogroman", war später auf der Bühne kein Erfolg und schnell vergessen, obwohl es Balzac 1842 an Shakespeare erinnerte (was aber nicht zutrifft). Bei der gestrigen Karlsruher Premiere gelang ein unerwarteter, aber verdienter Überraschungserfolg - ein mäßiges Stück wird durch eine ordentliche Inszenierung und starke Schauspieler zu einer bemerkenswerten Aufführungen mit ungewöhnlich starkem Applaus für alle und Bravo-Rufen für die großartig auftrumpfende Swana Rode in der Titelrolle.

Donnerstag, 14. April 2022

Buchan/Hitchcock/Barlow - Die 39 Stufen, 13.04.2022

Verkrampftes Komödiendebakel
Es ist ja nicht so, daß das Karlsruher Schauspiel schon immer an Komödien gescheitert ist. Es gab erfolgreiche Produktionen, die lange liefen und das Publikum begeisterten, bei denen oft und mehrheitlich gelacht wurde, bei denen manche Pointen-Dichte so hoch war, daß sie die Zwerchfellmuskulatur bis zum Muskelkater forderte, das Publikum vor Begeisterung johlte, rhythmisch klatschte und nicht genug bekommen konnte. Es gab Komödien-Inszenierungen, die man begeistert mehrfach sehen konnte (bspw. Der Menschenfeind, Der Diener zweier Herren, Außer Kontrolle, Sommernachtstraum (2006), Grönholm-Methode, Die Panik). Wenn man diese Erfolgsproduktionen als Maßstab nimmt, dann erlebte man gestern erneut einen dilettantisch mißlungenen Versuch, lustig zu sein. Und wieder einmal fällte das Publikum sein Urteil diskret während der Premieren-Aufführung, indem es nicht oder kaum lachte (und dann auch eher nur durch Angehörige, Freunde und Kollegen). Patrick Barlows Bühnenbearbeitung von Alfred Hitchcocks Verfilmung (1935) des Romans Die 39 Stufen von Autor John Buchan ist seit der Uraufführung 2005 ein internationaler Theatererfolg, der seinen Reiz u.a. daraus bezieht, daß aus dem Spionage-Thriller eine Komödie wird, bei der drei der vier Schauspieler zahllose Rollen spielen und dafür schnelle Wechsel erforderlich sind. Die Komödie wurde mit Preisen ausgezeichnet und auf zahllosen Bühnen gespielt, in Karlsruhe hat man nun  eine frühere Regieassistentin verpflichtet, für die die Aufgabe noch zu fordernd war und die Produktion in den Sand setzt. In qualitativer Hinsicht kann diese Inszenierung früheren Komödienerfolgen nicht das Wasser reichen.

Donnerstag, 24. März 2022

Neues Intendanzmodell ab 2024

Was auf diesen Seiten zu Beginn der Probleme mit dem früheren Intendanten bereits vor einigen Jahren gefordert wurde, wird nun offiziell umgesetzt: ab 2024 gibt es den Einpersonenintendanten nicht mehr (bereits jetzt ist Ulrich Peters Intendant der Interimslösung, aber nicht mehr Generalintendant), sondern ein Team soll es richten. Noch in diesem Jahr soll eine Findungskommission nach der Sommerpause einen neuen künstlerischen Leiter vorschlagen, der dann zwei Jahre Zeit für die Vorbereitungen hat, bevor dann 2024 hoffentlich ein richtiger Neuanfang bevorsteht.

Dienstag, 22. März 2022

Bachmann - Der gute Gott von Manhattan, 21.03.2022

Der Sound der Großmütter
oder
Schlechtes Theater ist dem Karlsruher Publikum zumutbar(?)
Wer wissen will, womit Schüler aktuell in der Oberstufe gequält werden, der kann sich (wie seit einigen Jahren) am Programm des Karlsruher Schauspiels orientieren, das manches aufgreift und inszeniert, was Prüfungsthema wird. So landete auch diese Inszenierung auf der Bühne und quält nun Zuschauer aller Altersgruppen. Ingeborg Bachmann (*1926 †1973) gewann 1959 den Hörspielpreis der Kriegsblinden für das Hörspiel  Der gute Gott von Manhattan - eine schlichte, parabelhafte Handlung in teilweise pathosgeladener, lyrischer Sprache über eine vermeintliche Normverletzung (nämlich Liebe) und deren fatale Bestrafung durch selbsternannte Moralwächter. Anläßlich der Verleihung des Hörspielpreises hielt Bachmann eine Dankesrede mit dem sprichwörtlich gewordenen Satz: Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar. Was taugt das Hörspiels nach über 60 Jahren? Das Karlsruher Schauspiel findet weder einen Zugang zur Handlung noch zu Bachmanns typischem Sound, das Resultat dieser auf infantil gequirlte Weise verunstalteten Adaption wirkt durchgängig mißlungen. Als Zuschauer kann man nur die Hände vors Gesicht schlagen und sich fragen, wie verzweifelt man als Theater sein muß, um diese qualitätsprekäre Produktion ins Programm zu nehmen.

Mittwoch, 16. März 2022

Rossinis Barbier von Sevilla entfällt

Die Omikron-Variante des Covid-Virus wütet, und auch am Badischen Staatstheater gibt es zahlreiche Personalausfälle in diversen Abteilungen und Gewerken, die nicht mehr kompensiert werden können. Die Einstudierung der aus Dortmund eingekauften Produktion von Rossinis Barbier von Sevilla kann deshalb nicht beendet werden, nicht nur die Premiere entfällt, sondern auch alle geplanten Vorführungen. Das ist bitter, die Inszenierung war zuvor sehr erfolgreich, nach der mißlungenen Übernahme des Don Pasquale hätte eine schöne Buffa der Karlsruher Oper gut getan. Die nun abgesagte Inszenierung ist bühnentechnisch anspruchsvoll, sie wird nicht ohne weiteres nachgeholt werden können und es stellt sich unweigerlich die Frage: wann kann die Premiere erfolgen? Der Plan für nächste Saison steht bereits, die kursierenden Gerüchte scheinen auf eine Konzentration auf Übliches hinzudeuten.

Donnerstag, 3. März 2022

Händel - Tolomeo, 02.03.2022

Tolomeo ist eine Oper der Antihelden, die durch Schwermut und unglückliche Liebe gekennzeichnet ist, und obwohl das zentrale Liebespaar am Ende zueinanderfindet, will man ihnen keine Zukunft prognostizieren. Der suizidal gefährdete Tolomeo erringt sein Glück nicht selber, sondern ist auf den guten Willen anderer angewiesen. Betrachtet man Tolomeo aus diesem Aspekt, dann ist die meditative, innerliche Inszenierung von Benjamin Lazar werkgerecht, denn sie fängt eine Gestimmtheit ein, die sich Tolomeo zuschreiben läßt. Ein bißchen mehr inszenatorischer Pep hätte es vielleicht trotzdem sein dürfen.
Bereits die Vorstellungen 2020 (mehr hier und hier) waren sängerisch und musikalisch ein Genuß, und auch die Wiederaufnahme bereitete viel Freude. Anstelle von Jakub Józef Orliński (mehr hier) hat Cameron Shahbazi die Titelrolle übernommen. Lazar kennt ihn von der Kölner Oper, wo sie im Dezember 2020 gemeinsam George Benjamins Written on Skin erarbeitet haben (mehr dazu hier; auch interessant, bspw. hinsichtlich barocker Aufführungspraxis, das Interview mit Lazar auf der gleichen Seite hier). Die schöne Stimme des persisch-kanadischen Countertenors überzeugt, sein Tolomeo klingt sehnend und melancholisch, die bekannteste Arie der Oper "Stille amare" gelingt intensiv und spannungsvoll. Weiterhin wunderbar: Louise Kemény mit leuchtend warmer Stinne als Seleuce, die koloratursichere Eléonore Pancrazi als Elisa, Meili Li als Alessandro (der übrigens an der Lübecker Oper schon selber den Tolomeo sang, wie man hier auf seiner youtube-Seite hören und sehen kann), Morgan Pearse als rabiater Araspe sowie Dirigent Federico Maria Sardelli und die Händel-Solisten. Die gestrige Dernière bekam zum Abschied viel Applaus und Bravos von einem Publikum, das weiß, was es zu bejubeln gilt.

Bei den Händel-Festspielen 2023 wird man Ottone hören, in der Titelrolle will man Max E. Cencic verpflichten, erklärte Intendant Peters, der seit diesem Jahr zusammen mit Operndirektorin Braunger die Leitung der Händel-Festspiele übernommen hat und 2024 selber Regie führen will. Welche Händel-Oper es wird, scheint noch nicht offiziell bekannt.

Samstag, 19. Februar 2022

Händel - Hercules, 18.02.2022

Regisseur Floris Visser verdankt man in Karlsruhe bereits das originell, amüsant und kurzweilig inszenierte Oratorium Semele (mehr hier) bei den Händel Festspielen 2017, weiterhin unterhaltsame Hoffmannsche Erzählungen und einen ordentlichen  Don Giovanni. Nun also das nächste Händel-Oratorium: Wie bereits Semele (UA 1744) wirkt Hercules (UA 1745) aufgrund seines mythologischen Themas mehr wie eine Oper denn ein Oratorium. Die biblischen Oratorien waren zur Entstehungszeit erfolgreicher und beliebter, die Londoner wollten anscheinend kein neues dramatisches Konzept, sondern religiöse Erbauung - Hercules war 1745 ein grandioser Mißerfolg für Händel, was aber auch an erkrankten Sängern lag. Die gestrige Premiere zum Auftakt der Karlsruher Händel Festspiele gelang durchaus solide und hochwertig, allerdings mit Abzügen in der B-Note, denn es fehlten die Höhepunkte; so richtig wollte der Funke nicht überspringen. Wo sonst fast jede Arie beklatscht wird, herrschte gestern meditative Stille - die Premieren-Vorstellung wahrte während der Aufführung eine gewisse andächtige Distanz , die sich bei folgenden Aufführungen noch legen kann, falls es dieser Produktion in mehrfacher Hinsicht gelingen sollte, aufzutauen.

Mittwoch, 9. Februar 2022

Vorschau: Händel Festspiele 2023

Nächstes Jahr gibt es keine der bei den Karlsruher Händel Festspielen noch fehlenden Opern, sondern man bringt ein Werk, daß man hier bereits 2002 hören und sehen konnte. 2023 gibt es den 1723 uraufgeführten Ottone, Re di Germania. Dirigent: Carlo Ipata, Regisseur: Carlos Wagner (mehr hier), Bühne & Kostüme: Christophe Ouvrard. Die Premiere findet es am 17. Februar statt. Wer singt ist noch nicht durchgesickert. Die diesjährige Inszenierung Hercules wird am 23.02.23 wieder aufgenommen.
PS: Max E.Cencic ist der Wunschkandidat für die Titelrolle des Ottone.

Sonntag, 6. Februar 2022

Birch - [Blank], 05.02.2022

Die Stunde(n) des reproduzierenden Künstlers
oder
Szenen aus dem beschädigten Leben
Mit [Blank] hatte Autorin Alice Birch eine aus Sicht des deutschen Theatermarktes kommerziell raffinierte Idee. Das Stück besteht aus 100 nicht zusammenhängenden Szenen und ca. 400 Seiten Text, aus denen sich jede Inszenierung frei bedienen kann. [Blank] ist also ein Selbstbedienungs- und Baukasten-Theaterstück. Der produzierende Künstler (also die Autorin) gibt dem reproduzierenden Künstler (Regie/Inszenierung) die offizielle Erlaubnis, sich quasi in den Vordergrund zu drängen und aus dem Text zu machen, was ihm paßt. Gerade in einem Land wie der Bundesrepublik (-in der es Kunst für alle geben soll, eine Re-Feudalisierung durch hohe Eintrittspreise durch großzügige Finanzierung der Theater durch Steuergelder verhindert wird, und jede Stadt ihren Bürgern Hochkultur bieten will-) ist der kommerzielle Erfolgsdruck auf reproduzierende Künstler niedrig und im Windschatten finanzieller Absicherung hat sich ein breites Inszenierungsprekariat herangebildet, dessen Ego weit größer als sein Können ist. Auch am Badischen Staatstheater leidet man seit über einem Jahrzehnt regelmäßig unter diesem Phänomen: Inszenierungsteams, die nicht Werk und Schauspieler, sondern sich selber in den Mittelpunkt stellen, dafür Autor, Stück und/oder Publikum über die Klinge springen lassen und das Theater für eigene Zwecke instrumentalisieren; Hauptsache sie sind im Scheinwerferlicht. Solche Inszenierungen zum Zwecke der Selbstbefriedigung der Regie mit Zuschauern als erzwungenen Voyeuren sind seit einigen Jahren Kennzeichen einer Selfie-Generation, bei der Selbstherrlichkeit schnell zur Spießigkeit wird. Man kann von einer problematischen Tendenz zur doppelten Selbstreferenzialität des deutschen Steuergeldtheaters sprechen: Man macht Theater, weil es nun mal die Aufgabe eines mit Steuern finanzierten Theaters ist, Produktionen auf die Bühne bringen, und das Regieprekariat hat oft keine originellere Idee, als sich selber und ihren Suppentellerrand als banale Inspiration zu verwenden (gerne kaschiert als Zeigefinger- und Betroffenheitstheater oder mit plakativer, politisch korrekter Agitprop-Attitüde mit der man "Relevanz" vorgaukelt). Inspiration und Originalität sind dabei Routine und Selbstdarstellung gewichen. Gerade das Karlsruher Schauspiel hat in der Hinsicht einen Absturz erlitten, seitdem es zu oft Theater von Spießern für Spießer bietet.
Die deutsche Erstaufführung von Alice Birchs [Blank] erfolgte gestern am Badischen Staatstheater, Schauspieldirektorin Anna Bergmann ergriff die Gelegenheit und inszeniert selber. Das Ergebnis ist bemerkenswert, kurzweilig und ungewöhnlich eindrucksreich. Die Regisseurin hat aus [Blank] zwei unterschiedliche, nacheinander gespielte Stücke für insgesamt 16 Schauspieler zusammengefügt, die in einer Gegenüberstellung auf ganz unterschiedliche Weise Szenen aus beschädigten Leben zeigen. Vor der Pause sieht man eine Mischung aus Psychodrama und Krimi, es geht um prekäre Zustände, Gewalt, Vergewaltigung, ein entführtes Mädchen, Mord, zwei Kommissare, einen Sozialarbeiter und eine Psychopathin. Freunde düsterer skandinavischer Krimis kommen auf ihre Kosten. Nach der Pause wird es voyeuristisch: die meisten Schauspieler agieren splitternackt und geben unerwartete Einblicke in einer grell überzeichneten, derben Satire auf das grün-woke Selbstherrlichkeitsmilieu. Von den 16 hochmotivierten starken Schauspielern können insbesondere Antonia Mohr, Wassilissa List und Timo Tank für ihre intensiven Szenen im ersten Teil hervorgehoben werden.

Donizetti - Don Pasquale, 05.02.2022

Gekünstelt statt kunstvoll
Was sich bei der Premiere vor zwei Wochen abzeichnete, bestätigte auch die gestrige Matinee-Vorstellung des Don Pasquale. So eine schöne Oper, so engagiert gesungen und musiziert, und doch gab es lahmen Applaus. Der szenische Funke springt nicht über, der Regisseur hat nicht nur keinen Sinn für Komik, er kriegt aus keine Steigerungen zuwege, es wird nie wirklich turbulent oder rasant, und nicht einmal Klamauk und Slapstick sind originell oder witzig. Die Regie will pseudo-moderne Aspekte einfließen lassen, das Ergebnis wirkt allerdings verstaubt und langweilig. Es gibt Kissenbezüge, die komischer sind. Wer unbewußt auf Vorstellungen körperlich reagiert, der kann Nackenschmerzen bei diese Inszenierung bekommen vom ständigen Kopfschütteln und seufzen über vertane Szenen. So eine schöne Oper, doch so lieblos und reizlos in Szene gesetzt.
Es sang die Premierenbesetzung, aus einem so homogenen und starken Quartett kann man kaum jemand hervorheben, doch neben Tiziano Bracci, Armin Kolarczyk und Eleazar Rodriguez zeigte gestern Uliana Alexyuk noch eine Steigerung, sie sang nuancenreicher mit sehr schönen Stimmfarben.

Sonntag, 23. Januar 2022

Donizetti - Don Pasquale, 22.01.2022

Steril und humorfrei
Wie kann man eine so schöne Oper wie Don Pasquale nur so uninspiriert, so ganz ohne Komik, ohne Tempo, ohne Pointen und ohne Charme inszenieren? Die gestrige Premiere zeigte, daß für die heruntergewirtschaftete Karlsruher Oper das letzte Jahrzehnt bedauerlicherweise immer noch nicht beendet ist, noch immer spuken die Gespenster des Intendanten umher, dessen Namen hier nicht mehr genannt werden soll. Dabei hat das vergangene Jahrzehnt am Badischen Staatstheater einige schöne Produktionen von Donizetti-Opern hervorgebracht, die dramatischen Werke Roberto Devereux (der ja auch am Ende der Spielzeit berechtigterweise wieder aufgenommen werden soll) und Anna Bolena, zuvor auch die fröhlichen Opern Der Liebestrank und die Die Regimentstochter. Dieser Erfolg Donizettis auf der Karlsruher Bühne ist auch mit Künstlern eng verbunden, insbesondere Ina Schlingensiepen und Eleazar Rodriguez sowie Armin Kolarczyk sind die Stars dieser geglückten Reihe. Nun also endlich mal wieder Donizettis heiteres Meisterwerk Don Pasquale in einer Übernahme aus Montpellier. Doch obwohl es ein auftrumpfendes Sängerquartett und dazu agile Musizierfreude aus dem Orchestergraben zu hören gab, wollte der Funke szenisch nicht überspringen.

Mittwoch, 24. November 2021

Der nächste Corona-Winterschlaf für Theater tritt in Kraft

Die Theater müssen zwar nicht offiziell schließen, werden aber durch die ausgerufene Alarmstufe II der neuen Corona-Verordnung von Baden-Württenberg quasi in den Winterschlaf geschickt. Die Alarmstufe II soll ab einer landesweiten Intensivbetten-Auslastung von 450 Corona-Patienten oder ab einer Sieben-Tages-Hospitalisierungsinzidenz von sechs gelten.
Ab heute ist der Zugang zum Theater doppelt beschränkt: "Der Zugang ist nur für Geimpfte oder Genesene gestattet, die zusätzlich einen negativen Antigen- oder PCR-Test vorweisen können. Der Antigen-Test darf nicht älter als 24 Stunden, der PCR-Test höchstens 48 Stunden alt sein." Wegen einem Theaterbesuch einem Test hinterherzurennen, dürfte für viele kaum machbar oder zumutbar sein.
Die Theater dürfen dennoch nur noch 50% der Plätze vergeben. Der 2G-Nachweis muß übrigens digital erbracht werden, der Impfausweis reicht nicht mehr aus. Das Geld für nicht nutzbare Eintrittskarten kriegen Zuschauer auch nicht zurück. Laut Badischem Staatstheater: "Nicht-immunisierten Personen sowie Personen ohne negativem Corona-Schnelltestergebnis gewähren wir auf bereits erworbene Karten eine kostenlose Stornierung gegen einen Gutschein."
Es könnte sein, daß für viele nun bis zum Frühjahr die nächste theaterlose Zeit anbricht.

PS (1): Der künstliche Winterschlaf gilt nicht für die Mitarbeiter. Der Spielbetrieb wird aufrechterhalten.

PS (2): Inzwischen hat das Land die Corona-Verordnung wieder geändert. Aktuell (13.12.2020) gilt: "Personen, die eine Auffrischungsimpfung (sog. Booster-Impfung) vorweisen können oder deren Vollimmunisierung (i.d.R. Zweitimpfung) nicht länger als sechs Monate zurück liegt, müssen keinen zusätzlichen Testnachweis vorlegen"
Aktuelle Einlaß-Regeln finden sich zur Zeit hier: https://www.staatstheater.karlsruhe.de/service/ihr-besuch/

Dienstag, 23. November 2021

3. Symphoniekonzert, 22.11.2021

Die Rückkehr glanzvollster Normalität in Zeiten galoppierender Infektionszahlen
Endlich wieder großes Orchester, das 3. Konzert der Saison war das erste seit März 2020 mit symphonisch angemessener Besetzung; und mit Werken von Brahms, Grieg und Strauss gab es lauter Schwergewichte des Repertoires. Auch das Publikum durfte wieder zahlreich erscheinen, trotz vierter Welle und Rekordinzidenzzahlen von über 400 bzw. 450 im Stadt- und Landkreis Karlsruhe. Nur wer geimpft oder genesen ist ("2G") darf Vorstellungen noch besuchen, den Mundschutz muß man trotzdem ständig tragen und wieder eng mit Fremden ohne Leerreihen und Leerplätze zusammen zu sitzen, kann nach so langer Zeit schon ein etwas seltsames Gefühl sein. Doch wen wird das groß gekümmert haben angesichts eines so grandios gelungenen Konzertabends, der an normale Zeiten erinnerte.

Sonntag, 14. November 2021

Breiner - Was ihr wollt (Ballett), 13.11.2021

Eine ernst genommene Komödie
John Cranko zeigte einst mit Der Widerspenstigen Zähmung (mehr dazu hier) wie man eine Shakespeare-Komödie so choreographiert, daß Witz und Charme getanzt beeindrucken. Nun traut sich Bridget Breiner mit ihrem ersten abendfüllenden Handlungsballett in Karlsruhe an Shakespeares Verwechslungskomödie Was ihr wollt und nimmt sich dabei viel vor - Liebesdrama und Verzweiflung, Intrige und Komödie, ein tänzerischer und musikalischer Stilmix mit Stimmungsschwankungen und Verzauberung, ambitioniert, abwechslungsreich, mit starken, aber auch mit schwachen Momente. Die choreographierte Handlung spielt nicht vor sommerlich-sonnigen Hintergrund, sondern hat dunkle Abgründe. Der Funke sprang szenisch vielleicht ein wenig zu selten über, dem Premierenerfolg tat das keinen Abbruch, denn Tänzer und Musiker waren hochmotiviert und zeigten starke Leistungen.

Freitag, 29. Oktober 2021

von Schirach - Gott, 28.10.2021

Scheinveranstaltung mit Scheinargumenten
Ferdinand von Schirachs Terror (mehr hier) als Theaterstück mit Publikumsbeteiligung war ein großer kommerzieller Erfolg, über eine halbe Million Besucher sollen es weltweit im Theater gesehen haben. Ethische Dilemma als unlösbare Konflikte, bei denen man stets falsch handelt, wenn man richtig handeln will, werden buchstäblich verhandelt, in Terror als Gerichtsverhandlung, nun in Gott vor einem Ethikrat und am Schluß darf der Zuschauer seinen Senf beitragen und seine unmaßgebliche Meinung in einer Zuschauerabstimmung kund tun. 'Schuldig oder nicht schuldig' (Terror), nun sogar 'Tod oder Leben', denn in Gott geht es um den Wert eines Lebens und die Frage der assistierten Sterbehilfe. Eine 78jährige, kerngesunde(!), aber traurige Witwe will aus dem Leben scheiden, vor der anzuwendenden Gewalt gegen sich selbst scheut sie zurück und fordert das Recht auf medizinisch verträgliches Ableben mittels einer letalen Überdosierung eines Medikaments.
Die Premierenkritiken im Frühherbst 2020 waren schlecht und vor der TV-Premiere Ende November 2020 geriet der Text stark unter Druck. In einem Offenen Brief schrieben Palliativmediziner und Psychologen zu Schirachs Stück ein vernichtendes Urteil: "Die handelnden Personen entsprechen zum Teil einem Zerrbild und auch die Fakten entsprechen zum Teil nicht dem aktuellen wissenschaftlichen Stand. Auch fehlen die Positionen der modernen Suizidprävention. Darüber hinaus entsprechen weite Teile der Diskussion nicht der eigentlichen Frage." Gott taugt nicht als Diskussionsbasis über Sterbehilfe, dazu ist der Text zu schwach konstruiert, Personen und Argumente sind nicht ausgeglichen, ein argumentatives Unentschieden will der parteiische Autor nicht erreichen. Was man sieht, darf man auf keinen Fall inhaltlich überbewerten, denn Realität findet sich kaum in dieser Fiktion von Scheinargumenten in einer so nicht existierenden Scheinveranstaltung. Somit stellt sich nur die Frage, ob Gott trotz eklatanter Schwächen gutes Theater bieten kann. In Karlsruhe erlebt man eine ruhige, unaufgeregte Inszenierung mit dem etwas langweiligen Reiz einer Talkshow, in der unter sehr guten Schauspielern  insbesondere Jannek Petri und Timo Tank als meinungsstarke Figuren ihr Können unter Beweis stellen.

Sonntag, 24. Oktober 2021

Mozart - La finta giardiniera, 23.10.2021

Hochmotiviert und beseelt
Seit 20 langen Monaten unterliegen die Theater den Virus-Beschränkungen und als man diese Spielzeit plante, konnte man nur ahnen, welchen Verlauf die Epidemie nehmen würde. Ein kleines Orchester, das nicht zu eng zusammensitzen darf, keinen Chor, eine überschaubare Anzahl an Sängern und ggf. eine durch Kürzung einfach zeitlich anpaßbare Oper - es mögen solche Erwägungsgründe gewesen sein, die dazu führten, daß nach über 35 Jahren Mozarts selten gespieltes Frühwerk La finta giardiniera auf die Bühne des Badischen Staatstheaters zurückkehrte. Doch die Rückkehr stand bei der gestrigen Premiere in vielerlei Hinsicht unter einem glücklichen Stern: hochmotivierte Sänger und Musiker und eine beseelte Aufführung in liebevoll gestalteter, attraktiver Inszenierung - der frühe Mozart erwies sich als Glücksgriff zum richtigen Zeitpunkt!