"Ein Fall von Machtmißbrauch?" fragt die Neue Zürcher Zeitung (und zwar hier) in Bezug auf Michael Fichtenholz. Der frühere Karlsruher Operndirektor wird seinen Posten am Opernhaus Zürich zum Ende der Saison vorzeitig abgeben. Bei Vorwürfen "in Bezug auf Belästigung und Machtmißbrauch" beauftragt die Oper in Zürich eine "externe spezialisierte Fachstelle". Die NZZ dazu: "«Ein solcher Prozeß wurde auch in Bezug auf Vorwürfe gegen Herrn Fichtenholz verfolgt», heißt es in dem Statement des Opernhauses weiter. Man habe «ohne Verzug nach Kenntnis der Vorwürfe» Abklärungen eingeleitet und die externe Fachstelle hinzugezogen. Über Inhalt und Ergebnis dieser Abklärungen seien die Beteiligten informiert worden. Der Prozeß sei einvernehmlich beendet worden. «Es wurden von keiner Seite her weitergehende Schritte, insbesondere keine rechtlichen, beantragt», teilte das Opernhaus mit." Über die Vorkommnisse wurde Stillschweigen vereinbart, dennoch legt die Vertragsauflösung nahe, daß es nur dann keine Basis für einen Verbleib von Fichtenholz in Zürich geben konnte, wenn ein inakzeptables Verhalten vorlag. Eine Ablöse scheint Fichtenholz nicht zu bekommen, die Schweizer scheinen in der Hinsicht deutlich weniger Verständnis für Fehlverhalten zu haben als die Verantwortlichen in Stuttgart. Wie es mit Fichtenholz' Posten als Leiter der Karlsruher Händel-Festspiele weitergeht, wird sich im Rahmen der Neustrukturierung noch ergeben.
Seit 1988 bin ich steter Besucher des Badischen Staatstheaters. Bei vielen Opern-, Theater-, Konzert- und Ballettvorstellungen im Jahr und Besuchen in anderen Städten verliert man schon mal den Überblick. Dieser Tagebuch-Blog dient mir seit der Spielzeit 2011/12 als elektronische Erinnerung. Bitte beachten Sie meine Intention: ich bin kein Journalist oder Kritiker, sondern schreibe hier lediglich persönliche Eindrücke, private Ansichten und Vermutungen für mich und Angehörige nieder.
Sonntag, 31. Januar 2021
Donnerstag, 14. Januar 2021
Nach der Absetzung ist vor der Aufarbeitung
Verdacht auf grüne Klüngelpolitik
"Es ist eine Art Zeitbombe, an der Theresia Bauer (55) gerade bastelt.
Früher oder später wird sie auf jeden Fall explodieren, die Frage ist
nur, wann und wie heftig. Geschieht es noch vor der Landtagswahl, wäre
der politische Schaden am größten. Aber auch danach kann es unangenehm
werden für die grüne Kunstministerin. Dann muß sie der Öffentlichkeit
womöglich erklären, warum ein Theatermann viel Geld aus Steuermitteln
dafür erhält, daß er künftig nichts mehr tut – und welchen Anteil sie
daran hat, daß es so weit kam. ... Für Kunstministerin Bauer kann der
Abgang brisant werden: ihr eigenes Ministerium hatte sie einst gewarnt.", schreibt die Stuttgarter Zeitung (eingeschränkt zugänglich hier).
"Offene Theater sind möglich"
Das Fraunhofer-Institut hat in Zusammenarbeit mit dem Konzerthaus Dortmund die räumliche Ausbreitung von Aerosolen in einem Konzertsaal untersucht, um die damit verbundene Infektionsgefahr zu bewerten. Das Ergebnis: "Gefahr von Infektionen durch Aerosolübertragung im Saal nahezu ausgeschlossen." Sobald die Infektionslage es zuläßt, scheint nun der erneuten Öffnung der Theater nichts entgegen zu stehen, sofern Symbolpolitik durch wissenschaftliche Erkenntnisse abgelöst werden.
Sanierung oder Neubau?
Die BNN berichten aktuell hier, daß eine weitere Kostensteigerung für die umfangreiche Sanierung des Badischen Staatstheaters möglich ist. Von einst 125 Millionen Euro (2015), dann 325 Millionen (2017) und 500 Millionen (2020) vermuten manche Lokalpolitiker inzwischen 700 Millionen Euro und regen eine Wirtschaftlichkeitsprüfung an, ob ein Neubau nicht sinnvoller ist. Dabei wird allerdings etwas übersehen und es droht ein Fehler, der bereits vor 50 Jahren stattfand. Nachdem die alte Oper von Heinrich Hübsch am Standort des heutigen Bundesverfassungsgerichts bei dem Bombenangriff in der Nacht zum 27.09.1944 zerstört wurde, dauerte es trotz Wirtschaftswunder 30 Jahre bis Karlsruhe wieder ein Theater bekam und sein Provisorium verlassen konnte. Doch auch der aktuelle Bau von Helmut Bätzner war eine schwäbische Sparversion, die nicht optimiert auf die Ansprüche des Theaters war und schnell Defizite zeigte. Ein erneuter Neubau sollte den Anspruch haben, langfristig bestehen zu können und architektonisch etwas zu bieten zu haben. Ein attraktives Theatergebäude zieht Publikum an, der Wohlfühl- und Repräsentationscharakter ist Grundlage für guten Inhalt und Karlsruhe als badische Residenzstadt hat ein Anrecht auf einen kulturellen Leuchtturm. Ein günstigerer Neubau bringt Karlsruhe nicht weiter, das Ergebnis muß attraktiv und nachhaltig sein. Das aktuelle Modell scheint dafür die richtigen Voraussetzungen zu haben. Die Frage sollte also lauten, ob es günstiger ist, das aktuell geplante Endergebnis neu zu bauen oder die bestehende Substanz zu sanieren und zu erweitern. Kurzfristig zu sparen und erneut günstig zu bauen und damit ein Provisorium durch das nächste Provisorium abzulösen, verschiebt die Fragestellung nur um wenige Jahrzehnte. Die Verwaltung eines Problems ist aber nicht gleichbedeutend mit der Lösung dieses Problems, auch wenn die politischen Parteien gerne diesen Eindruck erwecken möchten. Karlsruhe braucht endlich einen zukunftsfähigen Theaterbau und keinen weiteren faulen Kompromiß.
Donnerstag, 24. Dezember 2020
Das Prinzip Hoffnung
Der Ludwigshafener Philosoph Ernst Bloch hat in einem zur Redewendung gewordenen Buchtitel die Hoffnung zu einem Prinzip erklärt, das als Grundsatz dem Handeln zugrunde gelegt werden soll. Für das Badische Staatstheater war die fehlende positive Perspektive das große Thema des Jahres und 2021 scheint doppelt Anlaß zur Hoffnung zu geben: aktuell scheint es, als ob in sensationell kurzer Zeit mehrere wirksame Impfstoffe gegen Covid-19 hergestellt wurden und der unterbrochene Spielbetrieb irgendwann nächstes Jahr bzw. zur nächsten Spielzeit (fast) zur Normalität zurückkehren könnte. Und die Landespolitik mag in mancher Hinsicht orientierungs- und ahnungslos agiert haben, doch sie hat sich richtig entschieden; es wird den dringend erforderlichen personellen Wechsel durch den Abgang von Intendant Peter Spuhler geben. Es wird virusbedingt ein verlorenes Jahr sein, eine verlorene Spielzeit, für Künstler, Mitarbeiter und Zuschauer. Doch das Badische Staatstheater hat viele treue Fans und Freunde und die Sehnsucht nach gutem Theater, Oper und Ballett ist groß. Bis zu 85.000 Seitenaufrufe/Monat verzeichnete dieser Blog in diesem Jahr und buchstäblich hunderte E-Mails und Nachrichten erreichten den Verfasser dieser Zeilen - mehr als geordnet zu kommentieren und beantworten waren, manch einer fand sich hier nicht wieder oder blieb echolos, es ging in diesem seltsamen Jahr leider nicht anders. In diesem Sinne herzlichen Dank an alle, die mich kontaktierten, Kommentare schrieben, Hinweise und Informationen lieferten und denen das Badische Staatstheater am Herzen liegt. Wenn das Badische Staatstheater wieder seine Türen öffnet, warten Gianni Schicchi (in der Regie von Anja Kühnhold und Armin Kolarczyk in der Titelrolle) sowie Opernarien und -duette von Giuseppe Verdi, Toni Erdmann (anscheinend mit Timo Tank in der Titelrolle), und der Feuervogel als Ballett. Der Autor dieses Blogs kann nicht umhin, hoffnungsfroh nach vorne zu schauen und bereits Vorfreude auf diese Vorstellungen und auf die kommende Spielzeit zu empfinden.
Dienstag, 1. Dezember 2020
Die Rückkehr der Zukunft
Offizieller Neubeginn zum Spielzeitende
Seit 2. November ist der Spielbetrieb epidemiebedingt unterbrochen, die Politik hat kürzlich auf 3 Monate erhöht, bis zum 31.01.2021 wird es keine Vorstellungen geben. Und auch der Rest des Winters steht unter viralem Vorbehalt. Mit dem angekündigten Impfstoff scheint zumindest ab der kommenden Spielzeit 2021/22 eine Rückkehr zur Normalität möglich. Das Badische Staatstheater erhält darüber hinaus eine zweite Gelegenheit, den Blick nach vorne zu wenden: Der Verwaltungsrat hat beschlossen, den Vertrag mit Generalintendant Peter Spuhler aufzulösen, und zwar zum Ende der Spielzeit.
Samstag, 28. November 2020
Erosion statt Konsolidierung
Am Montag, 30. November 2020 tagt der Verwaltungsrat des Badischen Staatstheaters und wird die angekündigte Trennung von Intendant Peter Spuhler beschließen. Ob es sogar zu einer sofortigen Freistellung kommt oder erst zum Spielzeitende der Abschied vollzogen wird, scheint noch in der Diskussion. OB Mentrup hat sich nun ausführlich gegenüber dem VAN Magazin (das bereits im Juli vorbildlich berichtete - mehr hier) im Interview geäußert und noch mal seine Sicht der Situation dargestellt. Mentrup bestätigt, daß es in den vergangenen Monaten nicht zu einer Konsolidierung, sondern zu einer fortschreitenden Erosion am Staatstheater gekommen ist. Das ganze Interview findet sich hier: https://van.atavist.com/interview-mentrup
Donnerstag, 19. November 2020
Abrücken aus politischem Kalkül?
Beim SWR kommentiert Marie-Dominique Wetzel kritisch den langen Weg bis zur politischen Einsicht von Ministerin und Oberbürgermeister in die Realität und der Vertragsauflösung mit Peter Spuhler:
Mittwoch, 18. November 2020
Patriarchendämmerung (30)
Vorzeitige Vertragsauflösung mit Generalintendant Peter Spuhler
Kunstministerin Theresia Bauer und OB Frank Mentrup empfehlen dem Verwaltungsrat, den Vertrag mit Generalintendant Peter Spuhler im gegenseitigen Einvernehmen aufzulösen. Der Intendant soll bereits Zustimmung signalisiert haben. Zum Beginn der Spielzeit 2021/2022 gibt es also den von vielen erhofften Neustart.
Mittwoch, 4. November 2020
Patriarchendämmerung (29)
"Hängepartie muß beendet werden"
Oberbürgermeister Mentrup hat in der Angelegenheit um das Fehlverhalten von Intendant Peter Spuhler nicht nur eine schlechte Figur gemacht, sein Verhalten wurden von vielen als arrogant, von oben herab und unverschämt wahrgenommen - eher ein Anti-Sozialdemokrat, nicht wirklich wie ein SPD-Vertreter. Im Vorfeld der bevorstehenden Oberbürgermeisterwahl im Dezember 2020 hat er dadurch Boden verloren, denn niemand, dem das Badische Staatstheater und seine Mitarbeiter am Herzen liegen, kann guten Gewissens seine Stimme für ihn abgeben. Man kann eine Wahl zweifellos auch ohne Theatermitarbeiter, Theaterfreunde, deren Angehörige und Freunde gewinnen, allerdings scheint es um Mentrups Leumund schlechter zu stehen, als vor der letzten Wahl. Eine offene Flanke, in die auch andere OB-Kandidaten stoßen und sich gegen Mentrup und die weitere Herunterspuhlerung des Badischen Staatstheaters positionieren. "Nach den vielen Gesprächen, die ich geführt habe, bin ich zu der
Überzeugung gelangt, daß eine Lösung mit einer oder einem neuen
Generalintendanten her muß", erklärt OB-Kandidatin Petra Lorenz, "die
jetzige Situation auch nach der Sommerpause ist untragbar". OB-Kandidat Sven Weigt positioniert sich ebenfalls für einen Neustart: "Nach den intensiven Gesprächen, die ich geführt habe und die mich eine
große Verbundenheit aller Beteiligten mit dem Badischen Staatstheater
spüren ließen, kann ich mir nicht vorstellen, wie eine vertrauensvolle
Zusammenarbeit mit der jetzigen Generalintendanz in der Zukunft möglich
sein soll." Wenn das Triumvirat aus Ministerin Bauer, OB Mentrup und Intendant Spuhler als rückständige Hoheiten eine Entscheidung gegen einen Neustart dem Theater aufzwingen wollen und damit das Wohl einzelner über das vieler stellt, wäre das eine demokratische Farce, die spalten statt versöhnen will.
Montag, 2. November 2020
1. Sonderkonzert, 01.11.2020
Es gibt Bühnenerlebnisse, die unvergeßlich sind. Das gestrige 1. Sonderkonzert wird bei manchen Besuchern in solch dauerhafter Erinnerung bleiben. Alle fünf Klavierkonzerte Ludwig van Beethovens in einem Konzert!?! Was für eine wagemutige Ausdauervirtuosenleistung des Pianisten Gerhard Oppitz und was für eine wunderbare Konzertidee (dafür bereits ein herzliches Bravo! und Danke! an Solist und Dirigent). Am Vorabend verschärfter Corona-Maßnahmen wurde den Besuchern (die den Mund-/Nasenschutz auch während des Konzerts tragen mußten) mit 2 Pausen über 4,5 Stunden ein kultureller Zehrvorrat für die kommenden Wochen mitgegeben, der als außergewöhnliches Konzerterlebnis länger nachwirken sollte.
Dienstag, 27. Oktober 2020
Patriarchendämmerung (28)
"Karlsruher Zustände kein Einzelfall: Intendant Peter Spuhlers Zeit in Heidelberg"
oder
Ein "neodfeudaler Machthaber" als Wiederholungstäter?
Der SWR berichtete letzte Woche (mehr hier), was bereits bekannt war (mehr hier): Intendant Spuhler scheint Wiederholungstäter, "Wutanfälle" und Schikane gab es bereits in Heidelberg.
2. Symphoniekonzert, 26.10.2020
Das 2. Symphoniekonzert der Pandemie-Spielzeit begann unruhig und erregt, wurde dann gelassen erhaben und klang zärtlich aus.
Sonntag, 18. Oktober 2020
Lehár - Die lustige Witwe, 17.10.2020
Krisen brauchen Komödien
Die erste Premiere im Musiktheater seit Februar konnte gestern stattfinden. In Baden-Württenberg wird ab Montag die Corona-Alarmstufe erhöht, das Robert-Koch-Institut meldete den dritten Tag in Folge ein neues Allzeithoch an Corona-Neuinfektionen und deutlich steigende Reproduktionszahlen. Wie im März, als die Politik das öffentliche Leben bei geringeren Zahlen zum Erliegen brachte, drohen neue harte Maßnahmen. Was bietet sich quasi am Vorabend einer stark aufflammenden Pandemie besser an, als sich zu amüsieren? Wer weiß, ob die Theater nicht bald wieder schließen müssen? Wer gestern Die Lustige Witwe in Karlsruhe erlebte, wird wohl besser temperiert und gelassener in die nächsten Tage gehen, die Freude, endlich mal wieder zu singen, zu spielen und zu musizieren war deutlich bemerkbar und übertrug sich aufs Publikum, das dann auch deshalb lange applaudierte, um Künstlern, Musikern und sich selber Zuversicht zuzuklatschen.
Patriarchendämmerung (27)
Führungskrise durch Politikversagen
Langsam aber deutlich rücken die künstlerisch Verantwortlichen von einem Verbleib des Intendanten ab. Die Karlsruher Ballettdirektorin Bridget Breiner hat sich im Interview mit den BNN (und zwar hier) auch zur Krise um Intendant Peter Spuhler geäußert und relativiert dabei auch die Aussage von OB Mentrup, daß sich die Spartenleiter angeblich nicht gegen eine Zusammenarbeit mit dem Intendanten ausgesprochen hätten: "Daß man nicht gegen
etwas ist, bedeutet nicht automatisch, daß man dafür ist. ... Aber was von den
Theaterträgern bei der Vollversammlung der Belegschaft über die Aussagen
der Spartenleiter verkündet wurde, hat mich schon überrascht. Denn es
war – zumindest was mein Gespräch betrifft – großzügig interpretiert. Die
Frage, ob ich persönlich mit Peter Spuhler arbeiten kann, könnte ich
zwar bejahen. Aber das ist gar nicht die Frage, um die es hier geht.
Sicher: Wir sind die nächste Ebene, und wenn wir Dinge übernehmen
sollen, müssen wir dazu bereit sein. Letztlich aber geht es um das Haus
mit allen seinen Mitarbeitern. Und da ist mein persönliches Gefühl, daß
wir mit der Situation etwas allein gelassen werden."
Sonntag, 11. Oktober 2020
Virusbedingte Programmänderungen
Das Badische Staatstheater muß nun einräumen, was seit dem Sommer erwartet wurde: manche Programmpunkte der Spielzeit können nicht wie geplant auf die Bühne kommen. Zu großes Orchester, zu viel Chor, zu viel Nähe - es wird eine Spielzeit der kleinen Ansätze. Folgende erste Änderungen sind nun bekannt:
Donnerstag, 8. Oktober 2020
Der späte Strauss, 08.10.2020
Die Stimmung zur Intendanz
Die Karlsruher Oper hat als Sparte am stärksten gelitten unter der Herunterspuhlerung durch den Intendanten. Daß die Händel Festspiele ihren Status halten konnten, erklären manche mit deren internationalen Reputation, in deren Licht der Intendant sich sonnen konnte. Doch ansonsten dominiert eine ambitionslose und magere Hausmannskost. Insbesondere Richard Strauss kommt seit Jahren zu kurz, die Pflege seines Werkes findet in Mannheim statt (mehr hier), wo es zuletzt im Januar die zehntägigen Richard Strauss Tage gab. Karlsruhe hingegen scheint bis auf die Händel Festspiele inzwischen abgehängt. Doch auch hier ist mit dem neuen GMD Georg Fritzsch ein Hoffnungsschimmer am Horizont, auch wenn das Covid-19 Virus im 1. Symphoniekonzert Strauss' Alpensymphonie verhinderte und die geplante Opernpremiere der schweigsamen Strauss sinnvollerweise auf einen Zeitpunkt verschoben werden könnte, an dem das ganze Orchester Strauss zelebrieren kann. Man muß Fritzsch dankbar sein, daß er als kleines Lebenszeichen der Strauss-Pflege in Karlsruhe ein kurzes 75minütiges Programm unter dem Titel Der späte Strauss ins Programm genommen hat. Ein Konzert einerseits als Hoffnungsschimmer für eine Wiederbelebung der Karlsruher Oper nach dem Abgang des Intendanten. Ein Konzert andererseits, das in Betracht der Vorfälle um Intendant Spuhler zur Stimmung paßt.
Mittwoch, 7. Oktober 2020
Neuer Operndirektor gesucht
Bei den Stellenanzeigen des Deutschen Bühnenvereins finden sich auch Offerten des Badischen Staatstheaters (und zwar aktuell hier). Dort wird ab der Spielzeit 2021/22 ("früherer Einstieg erwünscht") ein neuer Operndirektor gesucht. Nicole Braunger wird also das Badische Staatstheater verlassen. Intendant Spuhler benötigt den vierten Operndirektor innerhalb eines Jahrzehnts, die Ursache kann man nach dem Abgang aller Operndramaturgen unschwer identifizieren. Braunger scheint kein Vertrauen in die eingeleiteten Maßnahmen zur Eindämmung von Intendant Spuhler zu haben.
Man sucht auch eine Assistenz des Generalintendanten in
Elternzeitvertretung, eine kuriose Anforderungen scheint in Hinblick auf
den Intendanten formuliert: "Besondere Sensibilität im Umgang mit dem künstlerischen Personal und deren Belangen."
Sonntag, 4. Oktober 2020
Die neuen Todsünden, 03.10.2020
Vieles paßt nicht zusammen und will nicht funktionieren bei der ersten großen Produktion der Spielzeit. Die sieben "Kurzdramen" zum altertümlich und sogar reaktionär anmutendem Thema Todsünde, die gestern im Karlsruher Schauspiel Premiere hatten, sind heterogen und leiden unter fehlender Qualität und Haltungsschäden vieler Texte, die teilweise peinlich plakative Geschichten erzählen. Die Geschichten rangieren zwischen Etikettenschwindel (es geht gar nicht um Sünde) und moralischem Pfaffentum (denn erneut sieht man vorgekautes und vorgegaukeltee Relotius-Theater: man konstruiert sich eine plumpe schwarz-weiße Handlung, um künstlich den Zeigefinger heben zu können und sich als selbsternannte Moralwächter aufzuspielen). Das fast vierstündige spartenübergreifende Potpourri mit Schauspielern, Sängern und Tänzern erwies sich als Pseudo-Spektakel, das fast eine Totalpleite geworden wäre, wenn nicht nach der Pause Timo Tank durch große Schauspielkunst aufgetrumpft hätte.
Donnerstag, 1. Oktober 2020
Despentes - Apokalypse Baby, 30.09.2020
Affektierte Leere
Romane sind keine Theaterstücke. Um erzählte Geschichten auf die Bühne zu bringen, braucht man einen Autor, der Epik in Dramatik überführen kann - und das scheitert regelmäßig. Im März, kurz bevor die Corona-Maßnahmen zur Schließung der Theater führten, versuchte sich das Karlsruher Schauspiel mit mäßigem Erfolg am Susan-Effekt (mehr hier). Neun Monate später scheint man weder weiter noch überzeugender. Die Inszenierung von Apokalypse Baby wirkt unbeholfen und überfordert.
Mittwoch, 30. September 2020
Patriarchendämmerung (26)
Vorgerstern hat die BNN ein Interview mit Georg Fritzsch gebracht (online nach Registrierung aktuell hier), indem der neue GMD den schlechten Ruf von Intendant Peter Spuhler bestätigt. Angesprochen auf die durch dessen Führungsstil ausgelöste Krise berichtet Fritzsch: "Die Diskussion an sich überrascht mich nicht, denn unter Theaterleuten
ist die Situation in Karlsruhe schon länger bekannt." Tja, nur der Verwaltungsrat zeigte sich überrascht von der Eskalation und will von nichts gewußt haben.
Zweifel an einer Zukunft mit Peter Spuhler, der irgendwie an seinem Posten kleben will, äußert der GMD indirekt: "Daher kann ich nur hoffen, daß die nun in Gang gesetzten Entwicklungen
wirklich zukunftsorientiert ablaufen und es ermöglichen, daß wir uns
wieder auf das Wesentliche konzentrieren können, nämlich Kunst zu
machen." "Wirklich zukunftsorientiert" ist weder das Generalintendantenmodell noch eine Leugnung der Realität: nur noch wenige Politiker halten an Spuhler fest, doch mehrheitlich ist ihm das Vertrauen entzogen.
Fritzsch selber konnte übrigens für seinen Verantwortungsbereich offenkundig eine Einflußnahme durch den Intendanten verhindern: "In den
Vertragsverhandlungen habe ich immer offen und ehrlich klargemacht, daß
Handlungsfreiheit für mich eine Grundvoraussetzung ist. Insofern habe
ich selbst kein Problem. Aber die Situation im gesamten Haus macht mir
Sorgen."
Dienstag, 29. September 2020
1. Symphoniekonzert, 28.09.2020
Kultur ist Glücksversprechen
Nach 204 Tagen ohne Theaterbesuch endete für den Verfasser dieses Blogs gestern die längste staatstheaterfreie Periode seit über drei Jahrzehnten und die Vorfreude auf das Orchester, den neuen GMD und Beethoven hatte sich gebirgig aufgetürmt. Das Glücksversprechen wurde eingelöst. Georg Fritzsch ist aktuell der Hoffnungsträger am Badischen Staatstheater, er steht für das, was Intendant Spuhler dem Publikum und den Mitarbeitern des Badischen Staatstheaters verweigert: einen unbelasteten Neuanfang. Fritzsch ist nicht wie andere Spartenleiter in den letzten Jahren gezwungen, wegzuschauen, zu ignorieren oder zu relativieren oder lieber zu gehen, als den Windmühlenkampf gegen ahnungslose Politiker und selbstherrliches Führungspersonal aufzunehmen. Fritzsch kann sagen, was ist, er muß sich nicht in die Schweigespirale einfügen. Er wird auch daran gemessen werden.
Dienstag, 22. September 2020
Patriarchendämmerung (25)
Saisonstart im Stimmungstief (3)
Der SWR bleibt dran an der Intendantenkrise, das Auftreten von Intendant Peter Spuhler zum Saisonauftakt beim Theatertag wird deshalb auch deutlich kritisiert: "Wenn jemand im Saal gewesen wäre, der nichts wüßte von der heftigen Kritik seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an seinem Führungsstil, von dem Vertrauensverlust und der tiefen Krise, in die Peter Spuhler das Theater gestürzt hat, man hätte nach dieser kurzen Ansprache den Eindruck haben können, diese Krise hätte nichts mit ihm zu tun. Persönliche Betroffenheit und Verantwortungsübernahme sieht anders aus."
Der ganze Beitrag findet sich hier: https://www.swr.de/swr2/buehne/auftakt-der-spielzeit-am-badischen-staatstheater-corona-und-andere-krisen-100.html
Samstag, 19. September 2020
Patriarchendämmerung (24)
"Deckel drauf und weiter so?" fragt der SWR (und zwar hier). "Der Personalrat hat mir von großer Skepsis unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern berichtet“, sagt Marie-Dominique Wetzel. Man habe die Befürchtung, daß man von Seiten der Theaterleitung, aber auch von Seiten der Politik auf Zeit spiele."
Montag, 14. September 2020
Vorschau auf die Spielzeit 2020/21 des Badischen Staatstheaters
Nach den Skandalen um Intendant Spuhler ist der Kollateralschaden groß und aus Überdruß am Intendanten wird manchem die Freude auf die kommende Saison fehlen. Peter Spuhler ist als Intendant untragbar und eine Belastung für das Badische Staatstheater geworden. Die Sommerpause brachte ihm hoffentlich etwas Frischluft und Einsicht in seine Situation, die es angesichts der Proteste von allen Seiten gegen seine Intendanz aus demokratischem Anstand gebietet, den Weg frei zu machen für einen Neustart.
Was kann man von der bevorstehenden Spielzeit erwarten? Andere Theater haben frühzeitig erkannt, daß das Covid19-Virus nicht einfach verschwinden wird und ein Impfstoff frühestens 2021 zur Verfügung steht und einen entsprechenden Spielplan entwickelt. Die Pandemie wird voraussichtlich auch den Großteil der kommenden Spielzeit beeinträchtigen, wie sehen also die Pläne des Badischen Staatstheaters aus? Wenige Tage vor Saisonbeginn tappt man auch als Abonnent teilweise noch im Dunkeln, doch es zeichnen sich Konturen ab. Der Intendant hat es anscheinend auch hier verpaßt, rechtzeitig die Realität anzuerkennen.