Drei Neuproduktionen und eine Wiederaufnahme (Achim Thorwalds Mozart Inszenierung) sind Bestandteil des Gala-Abos in der kommenden Saison
29.11.14 Boris Godunow
14.03.15 La Bohème
14.05.15 Parsifal
27.06.15 Cosi fan tutte
Wen man als Gala-Gäste gewinnen konnte, wird im Herbst veröffentlicht.
Seit 1988 bin ich steter Besucher des Badischen Staatstheaters. Bei vielen Opern-, Theater-, Konzert- und Ballettvorstellungen im Jahr und Besuchen in anderen Städten verliert man schon mal den Überblick. Dieser Tagebuch-Blog dient mir seit der Spielzeit 2011/12 als elektronische Erinnerung. Bitte beachten Sie meine Intention: ich bin kein Journalist oder Kritiker, sondern schreibe hier lediglich persönliche Eindrücke, private Ansichten und Vermutungen für mich und Angehörige nieder.
Mittwoch, 30. April 2014
Montag, 28. April 2014
Wagner - Die Meistersinger von Nürnberg, 27.04.2014
Glanz und Elend des Regietheaters
Als gestern nach fast 6 Stunden gegen 23 Uhr der letzte Vorhang fiel, war der Zuschauerraum schon deutlich geleert. Der scheidende Operndirektor Joscha Schaback hatte mit dieser Inszenierung das Publikum polarisiert: wütende Buh-Rufe und begeisterte Bravos hielten sich die Waage. Es war die bisher umstrittenste Premiere der letzten drei Jahre, die neue Perspektiven eröffnete, aber dafür den Preis der teilweisen Beziehungslosigkeit zwischen Inhalt und Form zahlte. Eine reichhaltige Inszenierung mit eklatanten Defiziten. Ein durchaus sehr spannender Abend, bei dem sich aber nicht wenige nach der Lohengrin-Pleite fragten, wie erneut ein so diskutables Konzept für eine Wagner-Oper durch die internen Qualitätskontrollen der künstlerisch Verantwortlichen im Badischen Staatstheater kommen konnte. Es handelt sich um eine Inszenierung, die nicht für sich alleine sprechen kann und zu deren Vorbereitung es sich unbedingt lohnt, im Programmheft die Absichten des Regisseures (Seite 28 ff) zu lesen.
Als gestern nach fast 6 Stunden gegen 23 Uhr der letzte Vorhang fiel, war der Zuschauerraum schon deutlich geleert. Der scheidende Operndirektor Joscha Schaback hatte mit dieser Inszenierung das Publikum polarisiert: wütende Buh-Rufe und begeisterte Bravos hielten sich die Waage. Es war die bisher umstrittenste Premiere der letzten drei Jahre, die neue Perspektiven eröffnete, aber dafür den Preis der teilweisen Beziehungslosigkeit zwischen Inhalt und Form zahlte. Eine reichhaltige Inszenierung mit eklatanten Defiziten. Ein durchaus sehr spannender Abend, bei dem sich aber nicht wenige nach der Lohengrin-Pleite fragten, wie erneut ein so diskutables Konzept für eine Wagner-Oper durch die internen Qualitätskontrollen der künstlerisch Verantwortlichen im Badischen Staatstheater kommen konnte. Es handelt sich um eine Inszenierung, die nicht für sich alleine sprechen kann und zu deren Vorbereitung es sich unbedingt lohnt, im Programmheft die Absichten des Regisseures (Seite 28 ff) zu lesen.
Donnerstag, 10. April 2014
Neuer Operndirektor in Karlsruhe wird Michael Fichtenholz
Neuer Operndirektor in Karlsruhe und Leiter der Händel Festspiele ab der Spielzeit 2014/15 wird Michael Fichtenholz. Seine Handschrift wird sich aber erst in den später folgenden Spielzeiten zeigen können.
Mehr dazu findet sich inzwischen hier: http://www.staatstheater.karlsruhe.de/aktuell/news_id/433/
Neuer Chefdramaturg wird Carsten Jenss. Mehr dazu hier: http://www.staatstheater.karlsruhe.de/aktuell/news_id/434/
Und es gibt auch einige neue feste Ensemble-Mitglieder, vor allem im Schauspiel und darunter auch ein prominenter Rückkehrer: Jannek Petri.
Oper: Dilara Baştar, Agnieszka Tomaszewska
Schauspiel: Veronika Bachfischer, Annette Büschelberger, Jonathan Bruckmeier, Maximilian Grünewald, Jannek Petri, Luis Antonio Quintana, Johannes Schumacher, Ralf Wegner
Mehr dazu findet sich inzwischen hier: http://www.staatstheater.karlsruhe.de/aktuell/news_id/433/
Neuer Chefdramaturg wird Carsten Jenss. Mehr dazu hier: http://www.staatstheater.karlsruhe.de/aktuell/news_id/434/
Und es gibt auch einige neue feste Ensemble-Mitglieder, vor allem im Schauspiel und darunter auch ein prominenter Rückkehrer: Jannek Petri.
Oper: Dilara Baştar, Agnieszka Tomaszewska
Schauspiel: Veronika Bachfischer, Annette Büschelberger, Jonathan Bruckmeier, Maximilian Grünewald, Jannek Petri, Luis Antonio Quintana, Johannes Schumacher, Ralf Wegner
Vorschau 2014/2015 des Badischen Staatstheaters
Die ersten Infos zur kommenden Spielzeit sind da. (Vielen Dank für den anonymen Hinweis hierzu :-) Highlight: fast schon sensationell - man bringt John Crankos Ballett Der Widerspenstigen Zähmung! Ich hätte nicht gedacht, daß Stuttgart das in Karlsruhe freigibt.
ABER: KEINE RICHARD STRAUSS Premiere im Strauss-Gedenkjahr in der Oper????? Was ist denn da schief gelaufen???? Nur der Rosenkavalier wird noch mal vorgeholt. Ach je.......
BALLETT
DER WIDERSPENSTIGEN ZÄHMUNG
von John Cranko
nach der Komödie von William Shakespeare
MUSIK Kurt-Heinz Stolze (nach Domenico Scarlatti)
MUSIKALISCHE LEITUNG Steven Moore
INSZENIERUNG & CHOREOGRAFIE John Cranko
EINSTUDIERUNG Jane Bourne
BÜHNE & KOSTÜME Elisabeth Dalton
15.11.14
DER PROZESS
von Davide Bombana nach dem Roman von Franz Kafka
BALLETT URAUFFÜHRUNG
MUSIK Walter Fähndrich, Leoš Janáček, Hans Krása, Pavel Haas u. a.
CHOREOGRAFIE Davide Bombana
BÜHNE & KOSTÜME rosalie
25.4.15
OPER
DIE VERLOBUNG IM TRAUM
von Hans Krása
Deutsche Erstaufführung
MUSIKALISCHE LEITUNG Justin Brown
REGIE Ingo Kerkhof BÜHNE Dirk Becker KOSTÜME Inge Medert
18.10.14
FANTASIO
Komische Oper von Jacques Offenbach
Szenische Uraufführung der kritischen Neuausgabe
MUSIKALISCHE LEITUNG Andreas Schüller
REGIE Bernd Mottl BÜHNE Friedrich Eggert KOSTÜME Alfred Mayerhofer
CHOREOGRAFIE Otto Pichler
13.12.14
LA BOHÈME
von Giacomo Puccini
MUSIKALISCHE LEITUNG Johannes Willig
REGIE Anna Bergmann BÜHNE Ben Baur KOSTÜME Claudia González Espíndola
24.1.15
TESEO
von Georg Friedrich Händel
Internationale HÄNDEL-FESTSPIELE 2015
MUSIKALISCHE LEITUNG Michael Form
REGIE & AUSSTATTUNG Nico and the Navigators
20.2.15
PARSIFAL
Ein Bühnenweihfestspiel von Richard Wagner
MUSIKALISCHE LEITUNG Justin Brown
REGIE Keith Warner BÜHNE Tilo Steffens KOSTÜME Julia Müer
29.3.15
IPHIGENIE AUF TAURIS
von Christoph Willibald Gluck
MUSIKALISCHE LEITUNG Christoph Gedschold
REGIE Arila Siegert BÜHNE Thilo Reuther KOSTÜME Marie-Luise Strandt
13.6.15
FALSTAFF
Lyrische Komödie von Giuseppe Verdi
MUSIKALISCHE LEITUNG Justin Brown
REGIE Jacopo Spirei BÜHNE Nikolaus Webern KOSTÜME Sarah Rolke
12.7.15
SCHAUPSPIEL
DAS GLASPERLENSPIEL
nach dem Roman von Hermann Hesse
REGIE Martin Nimz BÜHNE Sebastian Hannak KOSTÜME Ricarda Knödler
21.9.14 KLEINES HAUS
DAS INTERVIEW
von Theo van Gogh
REGIE Dominique Schnizer BÜHNE & KOSTÜME Christin Treunert
GIFT
von Lot Vekemans
REGIE Marlene Anna Schäfer BÜHNE & KOSTÜME Christin Treunert
23.11.14 STUDIO
SCHATTEN (EURYDIKE SAGT)
von Elfriede Jelinek
DEUTSCHE ERSTAUFFÜHRUNG
REGIE Jan-Philipp Gloger
BÜHNE & KOSTÜME Marie Roth
27.11.14 KLEINES HAUS
DIE RÄUBER
von Friedrich Schiller
REGIE Mina Salehpour BÜHNE Jorge Enrique Caro KOSTÜME Maria Anderski
17.1.15 KLEINE S HAUS
DU SOLLST DEN WALD NICHT VOR DEM HASEN LOBEN
von Jörn Klare
URAUFFÜHRUNG
REGIE Katrin Plötner BÜHNE & KOSTÜME Martin Miotk
28.1.15 STUDIO
DREI SCHWESTERN
Komödie von Anton Tschechow
REGIE Anna Bergmann BÜHNE Janina Audick KOSTÜME Lane Schäfer
20.3.15 KLEINES HAUS
HEIDEGGERS HEFTE
nach den Überlegungen II – XV von Martin Heidegger
URAUFFÜHRUNG
März 15 STUDIO
TOD UND AUFERSTEHUNG DER WELT MEINER ELTERN IN MIR
von Nis-Momme Stockmann
REGIE Simone Blattner BÜHNE Alain Rappaport KOSTÜME Sabin Fleck
21.5.15 KLEINES HAUS
ZUHAUSE
Tragikomische Monologe von Ingrid Lausund
REGIE Florian Hert
Mai 2015
BORIS GODUNOW Musikalisches Volksdrama von Modest Mussorgsky
COSÌ FAN TUTTE Opera buffa von Wolfgang Amadeus Mozart
DAS KIND UND DIE ZAUBERDINGE / DIE NACHTIGALL Kurzopern von Maurice Ravel und Igor Strawinsky
DER ROSENKAVALIER Komödie für Musik von Richard Strauss
DIE FLEDERMAUS Operette von Johann Strauß
DIE MEISTERSINGER VON NÜRNBERG von Richard Wagner
DIE ZAUBERFLÖTE Deutsche Oper von Wolfgang Amadeus Mozart
EIN MASKENBALL von Giuseppe Verdi
HÄNSEL UND GRETEL Märchenspiel von Engelbert Humperdinck
LA TRAVIATA von Giuseppe Verdi
RICCARDO PRIMO von Georg Friedrich Händel
TOSCA Musikdrama von Giacomo Puccini
BALLETT
DER NUSSKNACKER
DORNRÖSCHEN – DIE LETZTE ZARENTOCHTER
GISELLE
MYTHOS
ABER: KEINE RICHARD STRAUSS Premiere im Strauss-Gedenkjahr in der Oper????? Was ist denn da schief gelaufen???? Nur der Rosenkavalier wird noch mal vorgeholt. Ach je.......
PREMIEREN
BALLETT
DER WIDERSPENSTIGEN ZÄHMUNG
von John Cranko
nach der Komödie von William Shakespeare
MUSIK Kurt-Heinz Stolze (nach Domenico Scarlatti)
MUSIKALISCHE LEITUNG Steven Moore
INSZENIERUNG & CHOREOGRAFIE John Cranko
EINSTUDIERUNG Jane Bourne
BÜHNE & KOSTÜME Elisabeth Dalton
15.11.14
DER PROZESS
von Davide Bombana nach dem Roman von Franz Kafka
BALLETT URAUFFÜHRUNG
MUSIK Walter Fähndrich, Leoš Janáček, Hans Krása, Pavel Haas u. a.
CHOREOGRAFIE Davide Bombana
BÜHNE & KOSTÜME rosalie
25.4.15
OPER
DIE VERLOBUNG IM TRAUM
von Hans Krása
Deutsche Erstaufführung
MUSIKALISCHE LEITUNG Justin Brown
REGIE Ingo Kerkhof BÜHNE Dirk Becker KOSTÜME Inge Medert
18.10.14
FANTASIO
Komische Oper von Jacques Offenbach
Szenische Uraufführung der kritischen Neuausgabe
MUSIKALISCHE LEITUNG Andreas Schüller
REGIE Bernd Mottl BÜHNE Friedrich Eggert KOSTÜME Alfred Mayerhofer
CHOREOGRAFIE Otto Pichler
13.12.14
LA BOHÈME
von Giacomo Puccini
MUSIKALISCHE LEITUNG Johannes Willig
REGIE Anna Bergmann BÜHNE Ben Baur KOSTÜME Claudia González Espíndola
24.1.15
TESEO
von Georg Friedrich Händel
Internationale HÄNDEL-FESTSPIELE 2015
MUSIKALISCHE LEITUNG Michael Form
REGIE & AUSSTATTUNG Nico and the Navigators
20.2.15
PARSIFAL
Ein Bühnenweihfestspiel von Richard Wagner
MUSIKALISCHE LEITUNG Justin Brown
REGIE Keith Warner BÜHNE Tilo Steffens KOSTÜME Julia Müer
29.3.15
IPHIGENIE AUF TAURIS
von Christoph Willibald Gluck
MUSIKALISCHE LEITUNG Christoph Gedschold
REGIE Arila Siegert BÜHNE Thilo Reuther KOSTÜME Marie-Luise Strandt
13.6.15
FALSTAFF
Lyrische Komödie von Giuseppe Verdi
MUSIKALISCHE LEITUNG Justin Brown
REGIE Jacopo Spirei BÜHNE Nikolaus Webern KOSTÜME Sarah Rolke
12.7.15
SCHAUPSPIEL
DAS GLASPERLENSPIEL
nach dem Roman von Hermann Hesse
REGIE Martin Nimz BÜHNE Sebastian Hannak KOSTÜME Ricarda Knödler
21.9.14 KLEINES HAUS
DAS INTERVIEW
von Theo van Gogh
REGIE Dominique Schnizer BÜHNE & KOSTÜME Christin Treunert
GIFT
von Lot Vekemans
REGIE Marlene Anna Schäfer BÜHNE & KOSTÜME Christin Treunert
23.11.14 STUDIO
SCHATTEN (EURYDIKE SAGT)
von Elfriede Jelinek
DEUTSCHE ERSTAUFFÜHRUNG
REGIE Jan-Philipp Gloger
BÜHNE & KOSTÜME Marie Roth
27.11.14 KLEINES HAUS
DIE RÄUBER
von Friedrich Schiller
REGIE Mina Salehpour BÜHNE Jorge Enrique Caro KOSTÜME Maria Anderski
17.1.15 KLEINE S HAUS
DU SOLLST DEN WALD NICHT VOR DEM HASEN LOBEN
von Jörn Klare
URAUFFÜHRUNG
REGIE Katrin Plötner BÜHNE & KOSTÜME Martin Miotk
28.1.15 STUDIO
DREI SCHWESTERN
Komödie von Anton Tschechow
REGIE Anna Bergmann BÜHNE Janina Audick KOSTÜME Lane Schäfer
20.3.15 KLEINES HAUS
HEIDEGGERS HEFTE
nach den Überlegungen II – XV von Martin Heidegger
URAUFFÜHRUNG
März 15 STUDIO
TOD UND AUFERSTEHUNG DER WELT MEINER ELTERN IN MIR
von Nis-Momme Stockmann
REGIE Simone Blattner BÜHNE Alain Rappaport KOSTÜME Sabin Fleck
21.5.15 KLEINES HAUS
ZUHAUSE
Tragikomische Monologe von Ingrid Lausund
REGIE Florian Hert
Mai 2015
WIEDERAUFNAHMEN
OPERBORIS GODUNOW Musikalisches Volksdrama von Modest Mussorgsky
COSÌ FAN TUTTE Opera buffa von Wolfgang Amadeus Mozart
DAS KIND UND DIE ZAUBERDINGE / DIE NACHTIGALL Kurzopern von Maurice Ravel und Igor Strawinsky
DER ROSENKAVALIER Komödie für Musik von Richard Strauss
DIE FLEDERMAUS Operette von Johann Strauß
DIE MEISTERSINGER VON NÜRNBERG von Richard Wagner
DIE ZAUBERFLÖTE Deutsche Oper von Wolfgang Amadeus Mozart
EIN MASKENBALL von Giuseppe Verdi
HÄNSEL UND GRETEL Märchenspiel von Engelbert Humperdinck
LA TRAVIATA von Giuseppe Verdi
RICCARDO PRIMO von Georg Friedrich Händel
TOSCA Musikdrama von Giacomo Puccini
BALLETT
DER NUSSKNACKER
DORNRÖSCHEN – DIE LETZTE ZARENTOCHTER
GISELLE
MYTHOS
Mittwoch, 9. April 2014
Spuhler bleibt bis 2021 Intendant in Karlsruhe
Nicht jeder wird sich nach den durchwachsenen Anfangsjahren darüber freuen, aber Stadt und Land entschieden sich für frühzeitige Planungssicherheit und haben den Vertrag mit Peter Spuhler sogar gleich um fünf Jahre bis 2021 verlängert.
Tja, es war damit zu rechnen, daß der sanierungserfahrene Spuhler das Bauvorhaben bis zum Ende begleitet. Dennoch ein etwas trauriger Tag für all jene Zuschauer, die in den letzten 2,5 Jahren künstlerisch wenig glücklich in Karlsruhe waren und Asyl in den Theatern von Baden-Baden, Stuttgart und Frankfurt (etc.) suchen mußten. Man kann gespannt sein, wer neuer Operndirektor wird und ob es dem Team Spuhler/Linders gelingt, nun ohne Druck mehr Qualität auf die Bühne zu bringen. Vielleicht ist das ja für die jetzige Intendanz die Chance, sich in den kommenden Jahren weniger um die eigene Selbstdarstellung und mehr um die künstlerische Profilierung des Badischen Staatstheaters zu kümmern.
PS: Kommentare sind vorerst nicht möglich. Ich glaube, daß sich zu viele von der langen Verlängerung und bisherigen Intendanzzeit Spuhlers enttäuschte Zuschauer zu heftig über diese Entscheidung von Stadt und Land äußern werden.
Tja, es war damit zu rechnen, daß der sanierungserfahrene Spuhler das Bauvorhaben bis zum Ende begleitet. Dennoch ein etwas trauriger Tag für all jene Zuschauer, die in den letzten 2,5 Jahren künstlerisch wenig glücklich in Karlsruhe waren und Asyl in den Theatern von Baden-Baden, Stuttgart und Frankfurt (etc.) suchen mußten. Man kann gespannt sein, wer neuer Operndirektor wird und ob es dem Team Spuhler/Linders gelingt, nun ohne Druck mehr Qualität auf die Bühne zu bringen. Vielleicht ist das ja für die jetzige Intendanz die Chance, sich in den kommenden Jahren weniger um die eigene Selbstdarstellung und mehr um die künstlerische Profilierung des Badischen Staatstheaters zu kümmern.
PS: Kommentare sind vorerst nicht möglich. Ich glaube, daß sich zu viele von der langen Verlängerung und bisherigen Intendanzzeit Spuhlers enttäuschte Zuschauer zu heftig über diese Entscheidung von Stadt und Land äußern werden.
Dienstag, 1. April 2014
6. Symphoniekonzert, 31.03.2014
Harfenklänge, Frühling und Natur - das sechste Symphoniekonzert hatte jahreszeitlichen Bezug und passte gut zum frühen Frühling 2014.
Der jung verstorbene japanische Komponist Toru Takemitsu (*1930 †1996) hat viel Filmmusik komponiert und europäische und asiatische Einflüsse in seinen Werken kombiniert. Spirit Garden soll durch japanische Gartenkunst inspiriert sein: eine Meditation über stilisierte Natur - die an diesem Abend aber wenig reizvoll erklang und schnell aus der Erinnerung verschwand. Zu hören war etwas namenlos Mysteriöses, das sich nicht richtig entfaltete und evtl. nur im Kontext seiner Filmmusikkarriere interessant ist. Ungewöhnlich wenig Applaus für diese schwunglose Musik und die anschließende große Umbauphase schien einigen interessanter als der Spirit Garden.
Die französische Komponistin Germaine Tailleferre (*1892 †1983) ist heute praktisch unbekannt. Ihr Concertino für Harfe und Orchester aus dem Jahr 1928 allerdings eine schöne Entdeckung und auf sympathische Weise gefällig: ein nachdenklicher Mittelsatz wird kontrastiert durch fluffig-lockere Ecksätze - Viel Applaus für Harfenistin Bridget Kibbey und die Musiker.
Das zweite Harfenkonzert des Abends war eine europäische Erstaufführung und ein deutsch-amerikanisches Auftragswerk der Badischen Staatskapelle, des Alabama Symphony Orchestra, des San Jose Chamber Orchestra, des Metropolis Ensemble New York und der Phillips Collection of Arts an die junge Komponistin Vivian Fung, die eine große Leistungsschau der Harfenmusik komponiert hat: ungewöhnlich abwechslungs- und farbenreich, technisch schwierig und virtuos mit verschiedensten Artikulationstechniken. Sehr originell und zum Zuschauen und zum Zuhören ein schönes Konzerterlebnis. Man verstand, warum der Karlsruher GMD Justin Brown die kanadische Komponistin unterstützt. Man kann gespannt sein, ob man zukünftig in Karlsruhe auch noch weitere Kompositionen von Fung hören wird.
Die amerikanische Harfenistin Bridget Kibbey, mit deren Hilfe Fung das Konzert auch konzipierte, erspielte sich mit beiden Konzerten die Ovationen des Publikums. Schade, daß es für Harfe so wenig Konzerte gibt; Fung hat einen neuen Standard mit ihrem Werk hinzugefügt, Kibbey meisterte dessen Herausforderung mit klangsinnlicher Souveränität.
Nach der Pause dann Robert Schumanns erste Symphonie, die sogenannte Frühlingssymphonie. Die Uraufführung im Jahr 1841 benötigte 49 Musiker, Johannes Willig, der im Programmheft interessante Informationen zu Schumann gibt, dirigierte "historisch": erste und zweite Geigen saßen sich gegenüber und es wurden ventil- und klappenlose Naturhörner eingesetzt und mit 56 Musikern gelang ihm eine mitreißende Interpretation: zupackend, frisch und vorbildlich gespielt und dirigiert. Bravo!
Der jung verstorbene japanische Komponist Toru Takemitsu (*1930 †1996) hat viel Filmmusik komponiert und europäische und asiatische Einflüsse in seinen Werken kombiniert. Spirit Garden soll durch japanische Gartenkunst inspiriert sein: eine Meditation über stilisierte Natur - die an diesem Abend aber wenig reizvoll erklang und schnell aus der Erinnerung verschwand. Zu hören war etwas namenlos Mysteriöses, das sich nicht richtig entfaltete und evtl. nur im Kontext seiner Filmmusikkarriere interessant ist. Ungewöhnlich wenig Applaus für diese schwunglose Musik und die anschließende große Umbauphase schien einigen interessanter als der Spirit Garden.
Die französische Komponistin Germaine Tailleferre (*1892 †1983) ist heute praktisch unbekannt. Ihr Concertino für Harfe und Orchester aus dem Jahr 1928 allerdings eine schöne Entdeckung und auf sympathische Weise gefällig: ein nachdenklicher Mittelsatz wird kontrastiert durch fluffig-lockere Ecksätze - Viel Applaus für Harfenistin Bridget Kibbey und die Musiker.
Das zweite Harfenkonzert des Abends war eine europäische Erstaufführung und ein deutsch-amerikanisches Auftragswerk der Badischen Staatskapelle, des Alabama Symphony Orchestra, des San Jose Chamber Orchestra, des Metropolis Ensemble New York und der Phillips Collection of Arts an die junge Komponistin Vivian Fung, die eine große Leistungsschau der Harfenmusik komponiert hat: ungewöhnlich abwechslungs- und farbenreich, technisch schwierig und virtuos mit verschiedensten Artikulationstechniken. Sehr originell und zum Zuschauen und zum Zuhören ein schönes Konzerterlebnis. Man verstand, warum der Karlsruher GMD Justin Brown die kanadische Komponistin unterstützt. Man kann gespannt sein, ob man zukünftig in Karlsruhe auch noch weitere Kompositionen von Fung hören wird.
Die amerikanische Harfenistin Bridget Kibbey, mit deren Hilfe Fung das Konzert auch konzipierte, erspielte sich mit beiden Konzerten die Ovationen des Publikums. Schade, daß es für Harfe so wenig Konzerte gibt; Fung hat einen neuen Standard mit ihrem Werk hinzugefügt, Kibbey meisterte dessen Herausforderung mit klangsinnlicher Souveränität.
Nach der Pause dann Robert Schumanns erste Symphonie, die sogenannte Frühlingssymphonie. Die Uraufführung im Jahr 1841 benötigte 49 Musiker, Johannes Willig, der im Programmheft interessante Informationen zu Schumann gibt, dirigierte "historisch": erste und zweite Geigen saßen sich gegenüber und es wurden ventil- und klappenlose Naturhörner eingesetzt und mit 56 Musikern gelang ihm eine mitreißende Interpretation: zupackend, frisch und vorbildlich gespielt und dirigiert. Bravo!
Freitag, 28. März 2014
Schönes Lob für Weinbergs 'Die Passagierin' in Karlsruhe
Weinbergs Oper Die Passagierin (mehr auch hier) gehört zu den geglückten Ausgrabungen und Sternstunden der letzten Jahre.
Nun hat der Schriftsteller Ilija Trojanow, der für die österreichische Zeitung Der Standard einen Opern-Blog schreibt, in Karlsruhe Die Passagierin besucht und sehr schöne Worte in der Zeitung für die Produktion des Badischen Staatstheater gefunden:
"Karlsruhe war einst Residenzstadt, dann die Landeshauptstadt Badens. Das ist jener Teil Deutschlands, in dem sich das Wetter am häufigsten sonnig gebärdet. Vielleicht gehen deshalb die Straßen in dieser zu Barockzeiten ordentlich geplanten Stadt wie Strahlen vom zentralen Schloss ab. Während der Revolution von 1848/49 wurde der Großherzog kurzzeitig vertrieben. 1863 wurde das landesweit erste Verwaltungsgericht gegründet. Heute tagt hier mit dem Bundesverfassungsgericht eine Institution, die in letzter Zeit das Grundgesetz öfters gegen blinde Übergriffe der Legislative verteidigen musste. All das ist im Badischen Staatstheater zu spüren: der durch und durch demokratische Bau (hervorragende Akustik und gute Sicht auch von den günstigeren Platzen aus), das anspruchsvolle Programm mit vielen Premieren und der Reihe "Politische Oper", ein Publikum, das zwar zuerst skeptisch reagiere, wie der bemerkenswerte Chefdramaturg Bernd Feuchtner erzählt, dann aber Geschmack an Qualität finde (das Haus war fast voll, das Publikum begeistert) – alles in allem ein kleines Wunder. Was die Oper betrifft, gibt es in Deutschland keine Provinz.
(Ilija Trojanow, derStandard.at, 28.3.2014)"
Der ganze Artikel findet sich hier: http://derstandard.at/1395363499611/Opernpentathlon-Musik-gegen-das-Verschweigen
Nun hat der Schriftsteller Ilija Trojanow, der für die österreichische Zeitung Der Standard einen Opern-Blog schreibt, in Karlsruhe Die Passagierin besucht und sehr schöne Worte in der Zeitung für die Produktion des Badischen Staatstheater gefunden:
"Karlsruhe war einst Residenzstadt, dann die Landeshauptstadt Badens. Das ist jener Teil Deutschlands, in dem sich das Wetter am häufigsten sonnig gebärdet. Vielleicht gehen deshalb die Straßen in dieser zu Barockzeiten ordentlich geplanten Stadt wie Strahlen vom zentralen Schloss ab. Während der Revolution von 1848/49 wurde der Großherzog kurzzeitig vertrieben. 1863 wurde das landesweit erste Verwaltungsgericht gegründet. Heute tagt hier mit dem Bundesverfassungsgericht eine Institution, die in letzter Zeit das Grundgesetz öfters gegen blinde Übergriffe der Legislative verteidigen musste. All das ist im Badischen Staatstheater zu spüren: der durch und durch demokratische Bau (hervorragende Akustik und gute Sicht auch von den günstigeren Platzen aus), das anspruchsvolle Programm mit vielen Premieren und der Reihe "Politische Oper", ein Publikum, das zwar zuerst skeptisch reagiere, wie der bemerkenswerte Chefdramaturg Bernd Feuchtner erzählt, dann aber Geschmack an Qualität finde (das Haus war fast voll, das Publikum begeistert) – alles in allem ein kleines Wunder. Was die Oper betrifft, gibt es in Deutschland keine Provinz.
(Ilija Trojanow, derStandard.at, 28.3.2014)"
Der ganze Artikel findet sich hier: http://derstandard.at/1395363499611/Opernpentathlon-Musik-gegen-das-Verschweigen
Sonntag, 23. März 2014
Mythos (Ballett), 22.03.2014
Sehr spannend, beeindruckend und abwechslungsreich - die gestrigen drei Ballett-Uraufführungen bekamen für alle Teile viel Applaus und Bravos und sollten ein weiterer Hit beim Karlsruher Publikum werden!
Thema Mythos - Ausbruch oder Ausdruck?
Die diesjährige Frühjahrspremiere im Badischen Staatsballett zeigt drei Choreographen mit Uraufführungen unter der thematischen Überschrift Mythos - wobei mythisch an diesem Ballettabend eine diskutable und damit interessante Zuordnung ist, denn ist die heutige Verwendung eines Mythos nun ein Ausbruch aus der Moderne oder doch viel mehr ihr Ausdruck? Der Rektor der Karlsruher Hochschule für Gestaltung Peter Sloterdijk kam einst in einem Gespräch zu der überraschenden Einsicht, daß wir heute 'wieder in einem mythologischen Horizont leben': "Der Mythos ist eine Methode, die Welt so zu beschreiben, daß in ihr nichts Neues passieren kann." Und was produzieren unsere Medien, Zeitungen und Nachrichtensender anderes als Wiederholungen! "In diesem Sinne wirkt die Summe aller Nachrichten und Geschichten mythologisch ... die Nachrichten bringen die immergleichen Themen, die immergleichen Unfälle, lauter Urszenen im Gewand von Neuigkeiten. ... Aufs ganze gesehen erzeugen auch unsere Medien eine überraschungsfreie Welt, und dadurch wird sie wieder mythologisch." Die thematische Überschrift dieser Ballette ist also auf der Höhe der Zeit, "weil eine präsentische Kultur wie die unsere sich von zeitlosen Themen ernährt, die sie durch die Medien zirkulieren lässt."
Ob nun wie im Programmheft beschrieben Mythen durch Umkreisung der Welten- und Lebensrätsel entstehen, wobei der Tanz sprachlos Dinge in ein neues Licht zu rücken vermag oder ob der Mythos auf symbolische Weise das Zeitlose umkreist und die Welt in ihrer Unfassbarkeit und Unausweichlichkeit deutet, jeder Choreograph näherte sich seinem Mythos auf sehr unterschiedliche Weise:
DER FALL M., das ist der Medea Mythos, also die Frau, die aus Liebe zu Jason und dann aus Rache für das Liebesende radikal alle Brücken hinter sich abbricht und ihre eigenen Kinder und ihre Rivalin ermordet. Die Konstellation "alle gegen eine" war dabei für Choreograph Reginaldo Oliveira ein Entscheidungskriterium, um sich Medea zuzuwenden; Schuld, Sühne und Vergebung sind Themen des Balletts. Oliveira ist seit 2006 Tänzer der Karlsruher Compagnie und hatte bisher mit einigen originellen Choreographien auf sich aufmerksam gemacht. Der Fall M. ist konkret gedeutet und erzählt, Oliveira gelingt dabei eine gelungene Aktualisierung des Mythos als Psychothriller. Nach einem surreal anmutenden Beginn folgt das Herzstück des Balletts (und vielleicht sogar des ganzen Abends): die intensive Beziehungsbeschreibung einer erkalteten Liebe - großartig getanzt von den beiden ersten Solisten Bruna Andrade und Flavio Salamanka, die ihren Figuren durch Oliveiras intelligente Choreographie ein starkes Profil verleihen und eine packende Auseinandersetzung darstellen. Es ist schon eine besondere Aura, die Andrade ihrer Meda verleiht, besser kann man es nicht machen. Salamanka ergänzt sie als Jason kongenial - Bravo!
Diskutabel ist Oliveiras Schlußbild, und zwar musikalisch und szenisch, wenn er Medea ein versöhnliches und für einige vielleicht utopisch wirkendes Quasi-Happy-End schenkt, daß sich vielleicht ein wenig zu unecht und überraschend anfühlt. Dennoch ein besonderes Ballett: 50 Minuten Hochspannung und ein sehr zufriedenes Publikum zur Pause.
ORPHEUS
Tim Plegge, der in Karlsruhe gefeierte Choreograph von Momo, wählte Orpheus als Mythenfigur und machte aus ihr "die Geschichte eines Mannes...., der sich in erster Linie über seine Erinnerungen definiert, der sich im innerlichen Durchleben des Vergangen selbst am besten spürt, und der schließlich einen Moment erlebt, in welchem die Grenzen zwischen seiner eigenen Gegenwart und der Vergangenheit auf magische Weise aufgehoben werden." Dazu holt Plegge neben den sehr guten Haupttänzern Blythe Newman und Pablo dos Santos einen Schauspieler auf die Bühne, der als alter Mann Verlusterfahrung und Erinnerungswillen verkörpert. Es geht Plegge um die "Überwindung der Grenzen von Leben und Tod". Sein Interpretationsansatz ist suggestiv und poetisch mit starken und einprägsamen Bildern und Videoeinspielungen.
SPIEGELGLEICHNIS
Choreograph Jörg Mannes verwendet für sein Ballett keinen bestimmten Mythos, sondern "sucht in seiner Kreation nach dem Mythos als Gleichnis" und choreographiert ein Ballett in einem Spiegelkabinett. Eingeschlossen in einem Spiegelkabinett zu sein, ist eine Metapher für Erkenntnisfähigkeit: ob Metaphysik, ob Astrophysik - alles was sich nicht mit Innenarchitektur befasst, ist reine Spekulation und ohne Verifikationsmöglichkeit. Letztendlich wird man durch den Spiegel nur reflektiert - Mannes Choreographie ist entsprechend selbstbezogen, verspielt und endet mit einem lauten Lachen. Der Mythos ist nur noch eine lose Klammer in ironischer Haltung. Alle Tänzer dürfen dabei auf die Bühne und zeigen beeindruckende Gruppenszenen.
Sebastian Hannak, in Karlsruhe bekannt als Bühnenbildner von Momo und Jakob der Lügner, hat einen variablen Einheitsraum in ovaler Form geschaffen, der sich für die drei unterschiedlichen Mythos-Deutung perfekt eignet und durch die Kostümbildner sehr schön unterstützt wird.
Fazit: Ausdrucksstark, bildstark, abwechslungsreich, viele Eindrücke und spannende Momente in drei ganz unterschiedlichen und sich ergänzenden Choreographien - der lange Jubel des Publikums für das Ballett-Tryptichon war hoch verdient. Die ca 30 Tänzer des Badischen Staatsballetts zeigten eine beeindruckende Leistungsschau. Die guten Karten sollten dafür bald vergriffen sein!
Team
BÜHNE: Sebastian Hannak
KOSTÜME: Judith Adam, Heidi de Raad (bei Jörg Mannes)
LICHT: Stefan Woinke
Musikzusammenstellung laut Programmheft:
DER FALL M.
Alberto Iglesias - "Una patada en los huevos“ aus der Filmmusik La piel qué habito
Alberto Iglesias - "Some craziness is good“ aus der Filmmusik Ché
Lera Auerbach - Sogno di Stabat mater
Lera Auerbach - Präludium Nr. 1 aus 24 Präudien für Violine und Klavier op. 46
Alberto Iglesias - "Duelo final“ aus der Filmmusik La piel qué habito
Lera Auerbach - Präludium Nr. 5 aus 24 Präudien für Violine und Klavier op. 46
Alberto Iglesias - The Dancer Upstairs 3“ aus der Filmmusik Pasos de baile
Max Richter - „She finds the child“ aus der Filmmusik The Congress
Max Richter - „Beginning and ending“ aus der Filmmusik The Congress
ORPHEUS
Philip Glass - Double Concerto for Violin, Cello and Orchestra (2010)
SPIEGELGLEICHNIS
Giovanni Sollima - Tree Raga Song
Giovanni Sollima - Violoncelles, vibrez!
Thema Mythos - Ausbruch oder Ausdruck?
Die diesjährige Frühjahrspremiere im Badischen Staatsballett zeigt drei Choreographen mit Uraufführungen unter der thematischen Überschrift Mythos - wobei mythisch an diesem Ballettabend eine diskutable und damit interessante Zuordnung ist, denn ist die heutige Verwendung eines Mythos nun ein Ausbruch aus der Moderne oder doch viel mehr ihr Ausdruck? Der Rektor der Karlsruher Hochschule für Gestaltung Peter Sloterdijk kam einst in einem Gespräch zu der überraschenden Einsicht, daß wir heute 'wieder in einem mythologischen Horizont leben': "Der Mythos ist eine Methode, die Welt so zu beschreiben, daß in ihr nichts Neues passieren kann." Und was produzieren unsere Medien, Zeitungen und Nachrichtensender anderes als Wiederholungen! "In diesem Sinne wirkt die Summe aller Nachrichten und Geschichten mythologisch ... die Nachrichten bringen die immergleichen Themen, die immergleichen Unfälle, lauter Urszenen im Gewand von Neuigkeiten. ... Aufs ganze gesehen erzeugen auch unsere Medien eine überraschungsfreie Welt, und dadurch wird sie wieder mythologisch." Die thematische Überschrift dieser Ballette ist also auf der Höhe der Zeit, "weil eine präsentische Kultur wie die unsere sich von zeitlosen Themen ernährt, die sie durch die Medien zirkulieren lässt."
Ob nun wie im Programmheft beschrieben Mythen durch Umkreisung der Welten- und Lebensrätsel entstehen, wobei der Tanz sprachlos Dinge in ein neues Licht zu rücken vermag oder ob der Mythos auf symbolische Weise das Zeitlose umkreist und die Welt in ihrer Unfassbarkeit und Unausweichlichkeit deutet, jeder Choreograph näherte sich seinem Mythos auf sehr unterschiedliche Weise:
DER FALL M., das ist der Medea Mythos, also die Frau, die aus Liebe zu Jason und dann aus Rache für das Liebesende radikal alle Brücken hinter sich abbricht und ihre eigenen Kinder und ihre Rivalin ermordet. Die Konstellation "alle gegen eine" war dabei für Choreograph Reginaldo Oliveira ein Entscheidungskriterium, um sich Medea zuzuwenden; Schuld, Sühne und Vergebung sind Themen des Balletts. Oliveira ist seit 2006 Tänzer der Karlsruher Compagnie und hatte bisher mit einigen originellen Choreographien auf sich aufmerksam gemacht. Der Fall M. ist konkret gedeutet und erzählt, Oliveira gelingt dabei eine gelungene Aktualisierung des Mythos als Psychothriller. Nach einem surreal anmutenden Beginn folgt das Herzstück des Balletts (und vielleicht sogar des ganzen Abends): die intensive Beziehungsbeschreibung einer erkalteten Liebe - großartig getanzt von den beiden ersten Solisten Bruna Andrade und Flavio Salamanka, die ihren Figuren durch Oliveiras intelligente Choreographie ein starkes Profil verleihen und eine packende Auseinandersetzung darstellen. Es ist schon eine besondere Aura, die Andrade ihrer Meda verleiht, besser kann man es nicht machen. Salamanka ergänzt sie als Jason kongenial - Bravo!
Diskutabel ist Oliveiras Schlußbild, und zwar musikalisch und szenisch, wenn er Medea ein versöhnliches und für einige vielleicht utopisch wirkendes Quasi-Happy-End schenkt, daß sich vielleicht ein wenig zu unecht und überraschend anfühlt. Dennoch ein besonderes Ballett: 50 Minuten Hochspannung und ein sehr zufriedenes Publikum zur Pause.
ORPHEUS
Tim Plegge, der in Karlsruhe gefeierte Choreograph von Momo, wählte Orpheus als Mythenfigur und machte aus ihr "die Geschichte eines Mannes...., der sich in erster Linie über seine Erinnerungen definiert, der sich im innerlichen Durchleben des Vergangen selbst am besten spürt, und der schließlich einen Moment erlebt, in welchem die Grenzen zwischen seiner eigenen Gegenwart und der Vergangenheit auf magische Weise aufgehoben werden." Dazu holt Plegge neben den sehr guten Haupttänzern Blythe Newman und Pablo dos Santos einen Schauspieler auf die Bühne, der als alter Mann Verlusterfahrung und Erinnerungswillen verkörpert. Es geht Plegge um die "Überwindung der Grenzen von Leben und Tod". Sein Interpretationsansatz ist suggestiv und poetisch mit starken und einprägsamen Bildern und Videoeinspielungen.
SPIEGELGLEICHNIS
Choreograph Jörg Mannes verwendet für sein Ballett keinen bestimmten Mythos, sondern "sucht in seiner Kreation nach dem Mythos als Gleichnis" und choreographiert ein Ballett in einem Spiegelkabinett. Eingeschlossen in einem Spiegelkabinett zu sein, ist eine Metapher für Erkenntnisfähigkeit: ob Metaphysik, ob Astrophysik - alles was sich nicht mit Innenarchitektur befasst, ist reine Spekulation und ohne Verifikationsmöglichkeit. Letztendlich wird man durch den Spiegel nur reflektiert - Mannes Choreographie ist entsprechend selbstbezogen, verspielt und endet mit einem lauten Lachen. Der Mythos ist nur noch eine lose Klammer in ironischer Haltung. Alle Tänzer dürfen dabei auf die Bühne und zeigen beeindruckende Gruppenszenen.
Sebastian Hannak, in Karlsruhe bekannt als Bühnenbildner von Momo und Jakob der Lügner, hat einen variablen Einheitsraum in ovaler Form geschaffen, der sich für die drei unterschiedlichen Mythos-Deutung perfekt eignet und durch die Kostümbildner sehr schön unterstützt wird.
Fazit: Ausdrucksstark, bildstark, abwechslungsreich, viele Eindrücke und spannende Momente in drei ganz unterschiedlichen und sich ergänzenden Choreographien - der lange Jubel des Publikums für das Ballett-Tryptichon war hoch verdient. Die ca 30 Tänzer des Badischen Staatsballetts zeigten eine beeindruckende Leistungsschau. Die guten Karten sollten dafür bald vergriffen sein!
Team
BÜHNE: Sebastian Hannak
KOSTÜME: Judith Adam, Heidi de Raad (bei Jörg Mannes)
LICHT: Stefan Woinke
Musikzusammenstellung laut Programmheft:
DER FALL M.
Alberto Iglesias - "Una patada en los huevos“ aus der Filmmusik La piel qué habito
Alberto Iglesias - "Some craziness is good“ aus der Filmmusik Ché
Lera Auerbach - Sogno di Stabat mater
Lera Auerbach - Präludium Nr. 1 aus 24 Präudien für Violine und Klavier op. 46
Alberto Iglesias - "Duelo final“ aus der Filmmusik La piel qué habito
Lera Auerbach - Präludium Nr. 5 aus 24 Präudien für Violine und Klavier op. 46
Alberto Iglesias - The Dancer Upstairs 3“ aus der Filmmusik Pasos de baile
Max Richter - „She finds the child“ aus der Filmmusik The Congress
Max Richter - „Beginning and ending“ aus der Filmmusik The Congress
ORPHEUS
Philip Glass - Double Concerto for Violin, Cello and Orchestra (2010)
SPIEGELGLEICHNIS
Giovanni Sollima - Tree Raga Song
Giovanni Sollima - Violoncelles, vibrez!
Samstag, 22. März 2014
Stuttgarter Ballett - Giselle, 21.03.2014
Die Karlsruher Giselle in der Choreographie von Peter Wright erlebte ihre Premiere 1965 in Stuttgart und es heißt, daß einige dort dieser schönen Produktion bis heute nachtrauern. Die aktuelle Stuttgarter Giselle von Reid Anderson und Valentina Savina debütierte 1999 und hatte gestern ihre Wiederaufnahmenpremiere in Stuttgart. Da man in beiden Fällen auf die Choreographie des Balletts nach dem historisch überlieferten Vorbild von Marius Petipa, Jean Coralli und Jules Perrota zurückgreift, ähneln sich die Karlsruher und Stuttgarter Giselle stark und auf einen ersten Blick sind kaum Unterschiede festzustellen. Im zweiten Akt hat Karlsruhe meines Erachtens die stimmungsvollere, nachtblauere und romantischere Fassung. Opulenter ist Karlsruhe auch bei der Anzahl des Corps de Ballett: in Stuttgart sind 18 Wilis auf der Bühne, auf der größeren Karlsruher Bühne 24. In Karlsruhe scheint der weite Bühnenraum auch besser genutzt und ergibt bei den großen Szenen immer wieder eindrucksvollere Gruppenszenen, während die Stuttgarter Nachtgeister weniger bedrohlich als die Karlsruher wirken.
Tänzerisch ist Stuttgart wie üblich eine Klasse für sich. Alicia Amatriain als Giselle und Friedemann Vogel als Albrecht gehören zu den Stars des Stuttgarter Balletts und tanzten auch beide 2012 in der Jubiläumsaufführung von Crankos Romeo und Julia mit (mehr dazu hier), also an dem Abend, an dem Birgit Keil und Vladimir Klos, Marcia Haydée, Egon Madsen und Ray Barra noch mal auf der Bühne standen.
Vogel war bei der Wiederaufnahme der Star des Abends und durch seine elegante Leichtigkeit Publikumsliebling, gefolgt von Amatriain, die aber gestern etwas angeschlagen wirkte und nicht ihren besten Tag erwischt zu haben schien. Als Myrtha tanzte Rachele Buriassi zu unauffällig und konnte ihrer Figur wenig Souveränes oder Charakteristisches verleihen. Überhaupt war es zwar eine schöne Wiederaufnahme, doch mit einigen Patzern. Im ersten Akt beeindruckte dafür gestern der sogenannte Bauern-Pas-de-deux mit einem starken Constantine Allen und einer sich steigernden Elisa Badenes.
Im Orchestergraben gibt es kaum Unterschiede - hier wie dort trägt das Orchester wesentlich zur Dramatik bei.
Fazit: Der Südwesten ist dieses Frühjahr Giselle-Land. Wer dieses Musterbeispiel für romantisches Ballett liebt, der kann sowohl in Karlsruhe als auch in Stuttgart eine hochklassige Aufführung mit unterschiedlichen, aber sich ausgleichenden Stärken und Schwächen sehen.
Tänzerisch ist Stuttgart wie üblich eine Klasse für sich. Alicia Amatriain als Giselle und Friedemann Vogel als Albrecht gehören zu den Stars des Stuttgarter Balletts und tanzten auch beide 2012 in der Jubiläumsaufführung von Crankos Romeo und Julia mit (mehr dazu hier), also an dem Abend, an dem Birgit Keil und Vladimir Klos, Marcia Haydée, Egon Madsen und Ray Barra noch mal auf der Bühne standen.
Vogel war bei der Wiederaufnahme der Star des Abends und durch seine elegante Leichtigkeit Publikumsliebling, gefolgt von Amatriain, die aber gestern etwas angeschlagen wirkte und nicht ihren besten Tag erwischt zu haben schien. Als Myrtha tanzte Rachele Buriassi zu unauffällig und konnte ihrer Figur wenig Souveränes oder Charakteristisches verleihen. Überhaupt war es zwar eine schöne Wiederaufnahme, doch mit einigen Patzern. Im ersten Akt beeindruckte dafür gestern der sogenannte Bauern-Pas-de-deux mit einem starken Constantine Allen und einer sich steigernden Elisa Badenes.
Im Orchestergraben gibt es kaum Unterschiede - hier wie dort trägt das Orchester wesentlich zur Dramatik bei.
Fazit: Der Südwesten ist dieses Frühjahr Giselle-Land. Wer dieses Musterbeispiel für romantisches Ballett liebt, der kann sowohl in Karlsruhe als auch in Stuttgart eine hochklassige Aufführung mit unterschiedlichen, aber sich ausgleichenden Stärken und Schwächen sehen.
Dienstag, 11. März 2014
5. Symphoniekonzert, 10.03.2014
Seit Anne-Sophie Mutter (*1963) und Isabelle Faust (*1972) ist der Musikmarkt von jungen Geigerinnen erobert worden. Wer heute eine Einspielung eines Violinkonzerts erwerben möchte, kommt an ihnen nicht vorbei: Julia Fischer und Arabella Steinbacher, Janine Jansen und Hilary Hahn oder Baiba Skride und Lisa Batiashvili sowie Tianwa Yang, Patricia Kopatchinskaja, Vilde Frang und auch die gestern in Karlsruhe zu hörende Chloë Hanslip (u.v.a.m.) - die Werbeabteilungen des Klassikmarktes hätten es nicht besser erfinden können.
Die junge britische Geigerin Chloë Hanslip (*1987) hatte als Wunderkind (u.a. früh gefördert von Yehudi Menuhin) bereits 1999 eine kleine Rolle in einem britischen Kinofilm: in der Verfilmung Onegin nach Puschkins Versepos (Hauptdarsteller Ralph Fiennes und Liv Tyler). Sie spielt darin in einem Konzert Tartinis Teufelstrillersonate, während Tatjana unruhig auf die Folgen ihres an Onegin gerichteten Liebesbriefs wartet.
Inzwischen gibt die sehr gut deutsch sprechende Hanslip Konzerte auf der ganzen Welt. Gestern spielte sie in Karlsruhe das berühmte und beliebte Violinkonzert in e-Moll von Felix Mendelssohn und zwar mit souveräner Leichtigkeit und betörend schönem Geigenton. Nach einem virtuosen und ausdrucksstarken Eingangssatz ließ Hanslip ihre Geige im anschließenden Andante beseelt singen, bevor sie das Konzert mit einem heiteren, lebhaften und leicht dahinfließendem Allegro beendete. Ein abwechslungsreiches Konzert, das wie im Fluge verging und bei dem sich wahrscheinlich einige im Publikum gewünscht haben, es einfach nochmal komplett zu wiederholen. Ein sehr guter Auftritt, nach dem man schon an ein Folgekonzert denken könnte: Edward Elgars großes Violinkonzert war bspw. schon über 10 Jahre nicht mehr in Karlsruhe zu hören.
Nach der Pause die Asrael Symphonie aus dem Jahr 1906 von Josef Suk konnte ich an diesem Montagabend aufgrund anderweitiger abendlicher Verpflichtung nicht mehr anhören und musste schweren Herzens auf sie verzichten. Vor knapp zwei Jahren war Dirigent Tomáš Hanus schon mal zu Gast in Karlsruhe (mehr dazu hier) und bekam damals herzlichen Applaus. Sein gestrige engagierte Einführung zu Suks Symphonie ließ erahnen, daß es ein hörenswertes Konzert werden würde. Schade, aber zumindest hatte ich so den Rest des Abends Hanslips Mendelssohn im Ohr.
Die junge britische Geigerin Chloë Hanslip (*1987) hatte als Wunderkind (u.a. früh gefördert von Yehudi Menuhin) bereits 1999 eine kleine Rolle in einem britischen Kinofilm: in der Verfilmung Onegin nach Puschkins Versepos (Hauptdarsteller Ralph Fiennes und Liv Tyler). Sie spielt darin in einem Konzert Tartinis Teufelstrillersonate, während Tatjana unruhig auf die Folgen ihres an Onegin gerichteten Liebesbriefs wartet.
Inzwischen gibt die sehr gut deutsch sprechende Hanslip Konzerte auf der ganzen Welt. Gestern spielte sie in Karlsruhe das berühmte und beliebte Violinkonzert in e-Moll von Felix Mendelssohn und zwar mit souveräner Leichtigkeit und betörend schönem Geigenton. Nach einem virtuosen und ausdrucksstarken Eingangssatz ließ Hanslip ihre Geige im anschließenden Andante beseelt singen, bevor sie das Konzert mit einem heiteren, lebhaften und leicht dahinfließendem Allegro beendete. Ein abwechslungsreiches Konzert, das wie im Fluge verging und bei dem sich wahrscheinlich einige im Publikum gewünscht haben, es einfach nochmal komplett zu wiederholen. Ein sehr guter Auftritt, nach dem man schon an ein Folgekonzert denken könnte: Edward Elgars großes Violinkonzert war bspw. schon über 10 Jahre nicht mehr in Karlsruhe zu hören.
Nach der Pause die Asrael Symphonie aus dem Jahr 1906 von Josef Suk konnte ich an diesem Montagabend aufgrund anderweitiger abendlicher Verpflichtung nicht mehr anhören und musste schweren Herzens auf sie verzichten. Vor knapp zwei Jahren war Dirigent Tomáš Hanus schon mal zu Gast in Karlsruhe (mehr dazu hier) und bekam damals herzlichen Applaus. Sein gestrige engagierte Einführung zu Suks Symphonie ließ erahnen, daß es ein hörenswertes Konzert werden würde. Schade, aber zumindest hatte ich so den Rest des Abends Hanslips Mendelssohn im Ohr.
Dienstag, 4. März 2014
Händel - Rinaldo, 03.03.2014
Die Sitten verfallen schon immer und immer wieder, eigentlich ständig, und auch in London vor 300 Jahren war das puritanische Bürgertum nicht begeistert vom Big Business des kommerziellen Kunstbetriebs der italienischen Oper, die findige Geschäftsleute mit adliger Unterstützung für die feine und zahlungskräftige Londoner Gesellschaft einführen wollten. Vor Händel gab es keine erfolgreichen Ansätze dazu. Rinaldo (Premiere 1711) war auch noch nicht der Durchbruch, aber die erfolgreiche Initialzündung. Die für die damalige Zeit spektakulär-effektvolle Inszenierung in Kombination mit Händels Musik war ein Überraschungserfolg mit Folgen. Es folgte u.a. 1713 Teseo (2015 in Karlsruhe zu hören) und 1720 begann dann mit dem Sensationserfolg Radamisto der regelmäßige Londoner Opernbetrieb für Händel.
Rinaldo ist Händels siebte von 42 Opern. 30 Jahre später im Jahr 1741 ertönte Händels letzte Oper Deidamia in London. Danach war er als Oratorienkomponist tätig und mit biblischen Themen in englischer Sprache und in nicht-szenischer Darstellung aktualisierte Händel sein Kunstkönnen marktgerecht als religiöse Erbauung.
Zauberoper im Marionettengewand
Das Sujet um den Kreuzritter Rinaldo und die Zauberin Armida ist prädestiniert für eine phantastisch-illusionsreiche, also anti-naturalistische Interpretation und die Idee zur Umsetzung mit Marionetten erwies sich beim Karlsruher Publikum als großer Erfolg. "Alte Musik und altes Handwerk" - das Mailänder Marionettentheater Carlo Colla & Figli zeigt liebevoll und oft auch humorvoll gemachten barocken Bühnenzauber, also all das, was eine konventionelle Darstellung von Händels Rinaldo sonst nicht zeigt: Ritter reiten auf Pferden über die Bühne, Drachen fliegen durch die Lüfte, Tempel versinken im Erdboden, Armeen prallen aufeinander, Armida verwandelt sich durch Drehung eines Bühnenelements in Almirena und wieder zurück. Die Bühne ist ca. acht Meter breit, die Figuren ca. 100-120 Zentimeter hoch. Zum Schlußapplaus hoben sich dann alle Vorhänge und zeigten die Bühnentechnik und die zehn Marionettenspieler, die einen starken Extrajubel bekamen.
Was ist zu hören?
Die engagiert und schön musizierende Lautten Compagney Berlin spielte Rinaldo mit 25 Musikern - Anhänger historischer Klein- und Kleinstensembles werden das eventuell mögen, aber tatsächlich verlangt Rinaldo nach einem größeren Orchester. Und gerade nach dem Vergleich mit Riccardo Primo wird mal wieder deutlich, was die Karlsruher Händel Festspiele im Kern ausmacht - das extra aus Experten gebildete Festspielorchester der Deutschen Händel-Solisten mit seinen 40 Musikern erzeugt einen differenzierteren Klang als gestern die Lautten Compagney, die immer wieder etwas zu dünn klang. Nur die Trompeten wurden extra für Karlsruhe nachgerüstet und auf vier erhöht, um den militärischen Szenen Schwung und Glanz zu verleihen.
Die Sänger im Orchestergraben zeigten eine sehr gute und sehr ausgeglichene Leistung, bei der es schwer fällt, jemand hervorzuheben - Hagen Matzeit, der Sänger der Titelpartie, hat es trotzdem verdient. Sein Rinaldo war sicher und klangschön gesungen, wie überhaupt alle Stimmen sehr gut zusammengestellt waren und eine individuelle Charakterisierung ermöglichten. Bravo!
Händels Oper ist in dieser Version deutlich gekürzt, wahrscheinlich auch mit Rücksicht auf die körperliche Anstrengung für die Marionettenspieler und die Ausdrucksmöglichkeiten der Figuren, die sich bei den langen ABA' Arien doch erschöpfen würden. So geht die Vorstellung weniger als drei Stunden, statt mehr als vier. Das nicht überanstrengte Publikum dankte für diese kurzweilige Umsetzung mit viel Applaus und Bravos
Fazit: Der Erfolg dieses Gastspiels, das eine Produktion u.a. der Händel Festspiele Halle und des Theaters Winterthur ist, war vorauszusehen und begeisterte auch in Karlsruhe das Publikum. Nicht nur für Barock-Experten, sondern auch für Händel-Einsteiger und Freunde der Augsburger Puppenkiste zweifellos eine zauberhafte Produktion, die man auch zukünftig erneut ins Programm nehmen könnte.
PS: Unter den über 40 Opern von Händel finden sich beliebtere und weniger bekannte Werke, doch Rinaldo gehört neben Julius Cäsar, Ariodante und Alcina, Rodelinda und Radamisto zweifellos zu den bekanntesten und beliebtesten barocken Bühnenkompositionen und auch bei den Karlsruher Händel Festspiele ist Rinaldo bereits selber inszeniert worden (1981, R: J.L. Martinoty) und war als Gastspiel der Frankfurter Musikhochschule Frankfurt zu hören (2010).
Besetzung und Team
Rinaldo: Hagen Matzeit
Almirena: Olivia Vermeulen
Armida: Gesche Geier
Goffredo: Yosemeh Adjei
Argante: Tobias Berndt
Mago: Florian Götz
Eustazio: Artem Krutko
Musikalische Leitung: Wolfgang Katschner
Lautten Compagney Berlin
COMPAGNIA MARIONETTISTICA CARLO COLLA E FIGLI
Mailänder Marionettentheater Carlo Colla & Figli
Regie: EUGENIO MONTI COLLA
Technische Leitung: TIZIANO MARCOLEGIO
Licht: FRANCO CITTERIO
Übertitel: BABETTE HESSE
Produktionsleitung; ARTIE HEINRICH
Gemeinsame Produktion der Händel Festspiele Halle, des Theaters Winterthur, der
Associazione Grupporiani Milano, der Comune di Milano und der Lautten Compagney
Berlin.
Rinaldo ist Händels siebte von 42 Opern. 30 Jahre später im Jahr 1741 ertönte Händels letzte Oper Deidamia in London. Danach war er als Oratorienkomponist tätig und mit biblischen Themen in englischer Sprache und in nicht-szenischer Darstellung aktualisierte Händel sein Kunstkönnen marktgerecht als religiöse Erbauung.
Zauberoper im Marionettengewand
Das Sujet um den Kreuzritter Rinaldo und die Zauberin Armida ist prädestiniert für eine phantastisch-illusionsreiche, also anti-naturalistische Interpretation und die Idee zur Umsetzung mit Marionetten erwies sich beim Karlsruher Publikum als großer Erfolg. "Alte Musik und altes Handwerk" - das Mailänder Marionettentheater Carlo Colla & Figli zeigt liebevoll und oft auch humorvoll gemachten barocken Bühnenzauber, also all das, was eine konventionelle Darstellung von Händels Rinaldo sonst nicht zeigt: Ritter reiten auf Pferden über die Bühne, Drachen fliegen durch die Lüfte, Tempel versinken im Erdboden, Armeen prallen aufeinander, Armida verwandelt sich durch Drehung eines Bühnenelements in Almirena und wieder zurück. Die Bühne ist ca. acht Meter breit, die Figuren ca. 100-120 Zentimeter hoch. Zum Schlußapplaus hoben sich dann alle Vorhänge und zeigten die Bühnentechnik und die zehn Marionettenspieler, die einen starken Extrajubel bekamen.
Was ist zu hören?
Die engagiert und schön musizierende Lautten Compagney Berlin spielte Rinaldo mit 25 Musikern - Anhänger historischer Klein- und Kleinstensembles werden das eventuell mögen, aber tatsächlich verlangt Rinaldo nach einem größeren Orchester. Und gerade nach dem Vergleich mit Riccardo Primo wird mal wieder deutlich, was die Karlsruher Händel Festspiele im Kern ausmacht - das extra aus Experten gebildete Festspielorchester der Deutschen Händel-Solisten mit seinen 40 Musikern erzeugt einen differenzierteren Klang als gestern die Lautten Compagney, die immer wieder etwas zu dünn klang. Nur die Trompeten wurden extra für Karlsruhe nachgerüstet und auf vier erhöht, um den militärischen Szenen Schwung und Glanz zu verleihen.
Die Sänger im Orchestergraben zeigten eine sehr gute und sehr ausgeglichene Leistung, bei der es schwer fällt, jemand hervorzuheben - Hagen Matzeit, der Sänger der Titelpartie, hat es trotzdem verdient. Sein Rinaldo war sicher und klangschön gesungen, wie überhaupt alle Stimmen sehr gut zusammengestellt waren und eine individuelle Charakterisierung ermöglichten. Bravo!
Händels Oper ist in dieser Version deutlich gekürzt, wahrscheinlich auch mit Rücksicht auf die körperliche Anstrengung für die Marionettenspieler und die Ausdrucksmöglichkeiten der Figuren, die sich bei den langen ABA' Arien doch erschöpfen würden. So geht die Vorstellung weniger als drei Stunden, statt mehr als vier. Das nicht überanstrengte Publikum dankte für diese kurzweilige Umsetzung mit viel Applaus und Bravos
Fazit: Der Erfolg dieses Gastspiels, das eine Produktion u.a. der Händel Festspiele Halle und des Theaters Winterthur ist, war vorauszusehen und begeisterte auch in Karlsruhe das Publikum. Nicht nur für Barock-Experten, sondern auch für Händel-Einsteiger und Freunde der Augsburger Puppenkiste zweifellos eine zauberhafte Produktion, die man auch zukünftig erneut ins Programm nehmen könnte.
PS: Unter den über 40 Opern von Händel finden sich beliebtere und weniger bekannte Werke, doch Rinaldo gehört neben Julius Cäsar, Ariodante und Alcina, Rodelinda und Radamisto zweifellos zu den bekanntesten und beliebtesten barocken Bühnenkompositionen und auch bei den Karlsruher Händel Festspiele ist Rinaldo bereits selber inszeniert worden (1981, R: J.L. Martinoty) und war als Gastspiel der Frankfurter Musikhochschule Frankfurt zu hören (2010).
Besetzung und Team
Rinaldo: Hagen Matzeit
Almirena: Olivia Vermeulen
Armida: Gesche Geier
Goffredo: Yosemeh Adjei
Argante: Tobias Berndt
Mago: Florian Götz
Eustazio: Artem Krutko
Musikalische Leitung: Wolfgang Katschner
Lautten Compagney Berlin
COMPAGNIA MARIONETTISTICA CARLO COLLA E FIGLI
Mailänder Marionettentheater Carlo Colla & Figli
Regie: EUGENIO MONTI COLLA
Technische Leitung: TIZIANO MARCOLEGIO
Licht: FRANCO CITTERIO
Übertitel: BABETTE HESSE
Produktionsleitung; ARTIE HEINRICH
Gemeinsame Produktion der Händel Festspiele Halle, des Theaters Winterthur, der
Associazione Grupporiani Milano, der Comune di Milano und der Lautten Compagney
Berlin.
Freitag, 28. Februar 2014
Händel - Riccardo Primo, 27.02.2014
Nach Generalprobe und Premiere erfolgte gestern nun schon wieder die letzte Vorstellung der Spielzeit und man muß dem Badischen Staatstheater und seinem Festspielleiter Dr. Bernd Feuchtner gratulieren: die Kritiken zu Riccardo Primo waren rundweg sehr gut und auch begeistert. Interessanterweise
hatten sehr viele Zuschauer im Vorfeld zu diesem Riccardo Primo keine Zweifel am Erfolg und besorgten sich sehr frühzeitig Karten. Alle Vorstellungen waren schon lange im Voraus ausverkauft. Und welchen stärkeren
Vertrauensbeweis als im Vorverkauf könnte man den Karlsruher Händel Festspielen entgegenbringen? Man hat sich in Karlsruhe seine Reputation und sein Barock-Publikum über Jahrzehnte aufgebaut und während der letzten Intendanz wurden z.B. mit Sängern wie Kirsten Blaise und Franco Fagioli sowie der ersten Kerzenlicht-Oper Radamisto die Grundlagen für den heutigen Erfolg gelegt. Es wird wichtig sein, daß man in Reihen des Badischen Staatstheaters nun dennoch das Augenmaß nicht verliert. Kosteten die Eintrittskarten für Alessandro vor 2 Jahren noch zwischen 9.- und 34.- Euro, liegt man nächstes Jahr bereits zwischen 16.- und 60.- Euro - ein Preisanstieg von ca. 76% in drei Jahren. Gleichzeitig wurde die Anzahl der Karten in der 5. Preiskategorie verringert. Die vorangetriebene Kommerzialisierung und ökonomische Optimierung des Hauses zeigt hier deutliche Spuren. Bei den Händel Festspielen sind diese höheren Preise auch teilweise angebracht - die Entwicklung muß man dennoch im Auge behalten.
Über 200 Jahre ruhte Riccardo Primo im Dornröschenschlaf bis die Oper in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wieder aufgeführt wurde. Und in den europäischen Archiven ruhen seit inzwischen fast 300 Jahren unerhörte Opern anderer damals tätiger Opernkomponisten. Die Schatzsucher sind schon längst unterwegs, um Kostbarkeiten zu sammeln, zu veröffentlichen und neu einzuspielen (mehr dazu hier). Wieso ist Barockmusik zur Zeit so gefragt? Sie passt in unsere Zeit und ist doch ihr Gegenteil: Pop vergesellschaftete Musik, Barockopern waren für die reiche Bevölkerung. Kommerziell sind sie beide: Kastraten war die ersten Pop-Stars - das wohlhabende Publikum kam, um sie zu hören. Die Bezahlung der Sänger lag oft höher als die des Komponisten. Die Opern und Arien von damals sind die Pop-Songs von heute - man benötigte ständig Nachschub und neue Abwechslung. Man muß heutzutage Zeit mitbringen und sich dieser Musik öffnen, um eine stimmungsgemäße Inbesitznahme und Übernahme durch eine Barockoper zu erlauben. Wenn man sich darauf einlässt -und sogar vielen Opernfans fällt dieses Loslassen schwer; sie erleben drei Stunden Spielzeit einer Händel Oper als zu lange und langwierig und sehnen sich nach Verdi etc.-, wenn man sich also darauf einlässt, dann erlebt man ein anderes Zeitmaß, überreiche Harmonie und ein entspanntes Aufgehen im Klang, eine Gestimmtheit der Ausgeglichenheit und Unaufgeregtheit. Das dies bei dieser Inszenierung unterstützt wird, ist der schönste Aspekt der Produktion. Musikalisch und szenisch ist diese Oper ein Genuß und man merkt, wie viel Erfahrung das Inszenierungsteam um Benjamin Lazar einbringt: von der Lichtregie, den im Kerzenlicht wunderschön scheinenden Kostümen und der pittoresk-stimmigen Gesamtanlage, bei der die Personenregie vor allem dekorativ ist.
Viel Applaus, viel Bravos - eine Produktion, an die man sich noch lange gerne erinnern wird und bei der man neben den Hauptsängern auch unbedingt die Gäste in den Nebenrollen hervorheben muß: Mit Nicholas Tamagna und Lisandro Abadie hat man zwei Sänger in den kleineren Rollen, die man gerne zukünftig auch in einer größeren Partie hören möchte. Und auch die hauseigenen Sänger Emily Hindrichs und Andrew Finden werden nach ihren Auftritten neue Fans haben. Wie schon traditionell war der gute Ton der 40 Musiker der Händel-Solisten ein Genuß und besonderes Merkmal der Karlsruher Händelwoche. Michael Hofstetter dirigierte so, wie man ihn aus früheren Auftritten in Karlsruhe kennt: mit einem wunderbar federnden und den Klang auslebenden Schwung. Franco Fagioli zeigt sein Kunststück zwischen tiefer Emotionalität und Virtuosität - für Karlsruhe ein wiederholter Glücksfall - wie die gesamte Produktion und die über 35jährige Vorbereitung und Verankerung im Karlsruher Publikum durch die Händel Festspiele.
Als um 23.40 Uhr der letzte Applaus verklang (sogar Regisseur Benjamin Lazar kam noch auf die Bühne, um sich den Jubel des Publikums abzuholen), gab es nur einen Wermutstropfen: es dauert nun ein Jahr bis zur nächsten Aufführung im Februar 2015. Karten dafür kann man schon erwerben.
Über 200 Jahre ruhte Riccardo Primo im Dornröschenschlaf bis die Oper in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wieder aufgeführt wurde. Und in den europäischen Archiven ruhen seit inzwischen fast 300 Jahren unerhörte Opern anderer damals tätiger Opernkomponisten. Die Schatzsucher sind schon längst unterwegs, um Kostbarkeiten zu sammeln, zu veröffentlichen und neu einzuspielen (mehr dazu hier). Wieso ist Barockmusik zur Zeit so gefragt? Sie passt in unsere Zeit und ist doch ihr Gegenteil: Pop vergesellschaftete Musik, Barockopern waren für die reiche Bevölkerung. Kommerziell sind sie beide: Kastraten war die ersten Pop-Stars - das wohlhabende Publikum kam, um sie zu hören. Die Bezahlung der Sänger lag oft höher als die des Komponisten. Die Opern und Arien von damals sind die Pop-Songs von heute - man benötigte ständig Nachschub und neue Abwechslung. Man muß heutzutage Zeit mitbringen und sich dieser Musik öffnen, um eine stimmungsgemäße Inbesitznahme und Übernahme durch eine Barockoper zu erlauben. Wenn man sich darauf einlässt -und sogar vielen Opernfans fällt dieses Loslassen schwer; sie erleben drei Stunden Spielzeit einer Händel Oper als zu lange und langwierig und sehnen sich nach Verdi etc.-, wenn man sich also darauf einlässt, dann erlebt man ein anderes Zeitmaß, überreiche Harmonie und ein entspanntes Aufgehen im Klang, eine Gestimmtheit der Ausgeglichenheit und Unaufgeregtheit. Das dies bei dieser Inszenierung unterstützt wird, ist der schönste Aspekt der Produktion. Musikalisch und szenisch ist diese Oper ein Genuß und man merkt, wie viel Erfahrung das Inszenierungsteam um Benjamin Lazar einbringt: von der Lichtregie, den im Kerzenlicht wunderschön scheinenden Kostümen und der pittoresk-stimmigen Gesamtanlage, bei der die Personenregie vor allem dekorativ ist.
Viel Applaus, viel Bravos - eine Produktion, an die man sich noch lange gerne erinnern wird und bei der man neben den Hauptsängern auch unbedingt die Gäste in den Nebenrollen hervorheben muß: Mit Nicholas Tamagna und Lisandro Abadie hat man zwei Sänger in den kleineren Rollen, die man gerne zukünftig auch in einer größeren Partie hören möchte. Und auch die hauseigenen Sänger Emily Hindrichs und Andrew Finden werden nach ihren Auftritten neue Fans haben. Wie schon traditionell war der gute Ton der 40 Musiker der Händel-Solisten ein Genuß und besonderes Merkmal der Karlsruher Händelwoche. Michael Hofstetter dirigierte so, wie man ihn aus früheren Auftritten in Karlsruhe kennt: mit einem wunderbar federnden und den Klang auslebenden Schwung. Franco Fagioli zeigt sein Kunststück zwischen tiefer Emotionalität und Virtuosität - für Karlsruhe ein wiederholter Glücksfall - wie die gesamte Produktion und die über 35jährige Vorbereitung und Verankerung im Karlsruher Publikum durch die Händel Festspiele.
Als um 23.40 Uhr der letzte Applaus verklang (sogar Regisseur Benjamin Lazar kam noch auf die Bühne, um sich den Jubel des Publikums abzuholen), gab es nur einen Wermutstropfen: es dauert nun ein Jahr bis zur nächsten Aufführung im Februar 2015. Karten dafür kann man schon erwerben.
Mittwoch, 26. Februar 2014
Abstecher und Vorschau: Fagioli und Cencic singen Porpora und Vinci
Barockopern sind beliebt wie nie, es gibt mehr gute Countertenöre denn je - die Plattenfirmen nutzen das aus und nehmen unbekannte Werke auf und vermarkten sie durch begleitende Bühnenproduktionen und Konzerte. Nach Franco Fagiolis Konzert im November 2013 folgt im September 2014 nun ein Konzert mit Max E. Cencic (bereits hier im Vorverkauf der Badischen Staatstheater) mit Arien von J.A. Hasse.
Im März 2014 wird die Oper Catone in Utica von Leonardo Vinci für Musikträger eingespielt. Es singen unter anderen Franco Fagioli, Max E. Cencic und Valer Barna Sabadus (er wird nächstes Jahr in Karlsruhe in Händels Teseo zu hören sein). Riccardo Minasi dirigiert Il Pomo d'Oro. 2015 will man damit auf Tour gehen.
Im Sommer 2014 wird das Plattenlabel DECCA eine Gesamteinspielung der Oper Germanico in Germania des Händel-Konkurrenten Antonio Porpora aufnehmen. In den Titelrollen werden Max E. Cencic als Germanico, Franco Fagioli als Arminio und Julia Lezhneva als Ersinda zu hören sein. Im Sommer/Herbst 2015 wird es auch eine Bühnenfassung bei den Innsbrucker Festwochen geben, die dann auch in anderen Städten auf Tour sein wird. Regisseur wird der in Karlsruhe bekannte und geschätzte Alexander Schulin sein. Alessandro De Marchi dirigiert die Academia Montis Regalis.
Liebes Badisches Staatstheater, so eine Opern-Produktion könnte man doch auch mal zur Aufführung ins Badische Staatstheater holen und Karlsruhe noch stärker als musikalische Barock-Stadt profilieren.
PS(1): Anfang 2015 wird auch die nächste Solo-CD von Franco Fagioli erscheinen. Er singt Arien von Antonio Porpora.
PS(2): Man kann gespannt sein, wie lange diese sicherlich zu begrüßende Welle an Arien- und Operneinspielungen des Barock anhalten wird. Aktuell kann man sich darüber freuen, wenn man diese Musikperiode schätzt.
Im März 2014 wird die Oper Catone in Utica von Leonardo Vinci für Musikträger eingespielt. Es singen unter anderen Franco Fagioli, Max E. Cencic und Valer Barna Sabadus (er wird nächstes Jahr in Karlsruhe in Händels Teseo zu hören sein). Riccardo Minasi dirigiert Il Pomo d'Oro. 2015 will man damit auf Tour gehen.
Im Sommer 2014 wird das Plattenlabel DECCA eine Gesamteinspielung der Oper Germanico in Germania des Händel-Konkurrenten Antonio Porpora aufnehmen. In den Titelrollen werden Max E. Cencic als Germanico, Franco Fagioli als Arminio und Julia Lezhneva als Ersinda zu hören sein. Im Sommer/Herbst 2015 wird es auch eine Bühnenfassung bei den Innsbrucker Festwochen geben, die dann auch in anderen Städten auf Tour sein wird. Regisseur wird der in Karlsruhe bekannte und geschätzte Alexander Schulin sein. Alessandro De Marchi dirigiert die Academia Montis Regalis.
Liebes Badisches Staatstheater, so eine Opern-Produktion könnte man doch auch mal zur Aufführung ins Badische Staatstheater holen und Karlsruhe noch stärker als musikalische Barock-Stadt profilieren.
PS(1): Anfang 2015 wird auch die nächste Solo-CD von Franco Fagioli erscheinen. Er singt Arien von Antonio Porpora.
PS(2): Man kann gespannt sein, wie lange diese sicherlich zu begrüßende Welle an Arien- und Operneinspielungen des Barock anhalten wird. Aktuell kann man sich darüber freuen, wenn man diese Musikperiode schätzt.
Samstag, 22. Februar 2014
Händel - Riccardo Primo, 21.02.14 (Premiere)
Die Generalprobe (mehr hier) versprach bereits viel, die Premiere erwies sich nun gestern als großer Erfolg beim begeisterten Publikum mit viel und langem Applaus und Bravi für alle.
Freitag, 21. Februar 2014
Vorverkauf für die Händel Festspiele 2015 gestartet
Ab heute kann man Karten für die Händel Festspiele 2015 erwerben und zwar hier:
http://www.staatstheater.karlsruhe.de/programm/haendel-festspiele2015/
Neben der Wiederaufnahme von Riccardo Primo mit der gleichen Sängerbesetzung (und Franco Fagioli) und einem Arienabend mit Vesselina Kasarova (Richard Baker dirigiert dabei die Badische Staatskapelle) steht die Neuproduktion im Mittelpunkt: Teseo von 1713 ist eine der frühen Händel-Opern. Die Countertenöre Terry Wey und der inzwischen als zukünftiger Star der Szene gehandelte Valer Barna Sabadus waren schon bei den Händel Festspielen 2011 in Partenope in Karlsruhe zu hören, die Sopranistin Roberta Invernizzi gibt am 27.02.2014 ein Arienabend, Yetzabel Arias Fernádez sang in Alessandro, Dirigent der Händel-Solisten: Michael Form - die Aussichten für eine gewohnt hochwertige musikalische Darbietung in Karlsruhe sind sehr gut. Nur der Regisseur wurde noch nicht verraten.
Und auch für den Arienabend von Max E. Cencic (musikalisch begleitet von Armonia Atenea, dirigiert von George Petrou) am 28.09.2014 sind nun Karten erhältlich.
http://www.staatstheater.karlsruhe.de/programm/haendel-festspiele2015/
Neben der Wiederaufnahme von Riccardo Primo mit der gleichen Sängerbesetzung (und Franco Fagioli) und einem Arienabend mit Vesselina Kasarova (Richard Baker dirigiert dabei die Badische Staatskapelle) steht die Neuproduktion im Mittelpunkt: Teseo von 1713 ist eine der frühen Händel-Opern. Die Countertenöre Terry Wey und der inzwischen als zukünftiger Star der Szene gehandelte Valer Barna Sabadus waren schon bei den Händel Festspielen 2011 in Partenope in Karlsruhe zu hören, die Sopranistin Roberta Invernizzi gibt am 27.02.2014 ein Arienabend, Yetzabel Arias Fernádez sang in Alessandro, Dirigent der Händel-Solisten: Michael Form - die Aussichten für eine gewohnt hochwertige musikalische Darbietung in Karlsruhe sind sehr gut. Nur der Regisseur wurde noch nicht verraten.
Und auch für den Arienabend von Max E. Cencic (musikalisch begleitet von Armonia Atenea, dirigiert von George Petrou) am 28.09.2014 sind nun Karten erhältlich.
Donnerstag, 20. Februar 2014
Händel - Riccardo Primo, 19.02.2014 (Generalprobe)
Endlich hat das Warten ein Ende! Die Premiere am Freitag und alle weiteren Vorstellungen (ebenfalls die gestrige Generalprobe) sind schon lange ausverkauft. Die
Vorfreude und der Vertrauensvorschuß sind beim Publikum also sehr groß. Wird man die Erwartungen erfüllen können? Es gibt viele gute Nachrichten nach der ausverkauften Generalprobe, die einen großen Erfolg bei der Premiere verspricht:
Zeit und Genuß, Dauer und Intensität
Freunde der Händel-Opern wissen es: sie besitzen Wagner'sche Dimensionen. 3 Akte, jeder Akt durchschnittlich eine Stunde Musik, dann benötigt der Applaus nach den Arien Zeit, mindestens eine, manchmal zwei Pausen. Händel kann schon mal 4-5 Stunden in Anspruch nehmen und auch die gestrige Generalprobe zeigte, daß man zu Riccardo Primo Zeit mitbringen muß. Diese Oper ist lang, herrlich lang und das ist grundsätzlich kein Nachteil. Im Gegenteil. Was gibt es schöneres für einen Opernliebhaber als das lange, viele Stunden dauernde, kräftezehrende und anstrengende, zwischen Tälern und Gipfeln wandernde Auf-und-Ab einer Oper? Sportler und Opernliebhaber wissen, daß es ein Privileg ist, sich anstrengen zu dürfen, durchzuhalten, daß der Weg das Ziel ist und die Erschöpfung durch vielfältigste, anregende und nachhaltige Eindrücke verdient sein will. In dieser Hinsicht sind Händel Opern und auch gerade dieser Riccardo Primo ein Erlebnis und Gewinn! Der erste und zweite Akt werden ohne Pause gespielt und dauern ca 2 Stunden, der ganze Abend ca. vier.
Worum geht es?
Riccardo I., das ist Richard Löwenherz, der in dieser unhistorisch behandelten Geschichte Abenteuer auf Zypern erlebt. Auf dem Kreuzzug ins heilige Land strandet er nach schwerem Sturm mit seiner Gefolgschaft auf der Mittelmeerinsel und sucht seine ihm noch unbekannte Braut Constanza, die nach Schiffbruch in die Hände des Inseltyrannen Isacio geraten ist. Isacios Tochter Pulcheria soll den syrischen Fürst Oronte heiraten, doch als Isacio erfährt, daß Riccardo seine Braut sucht, fordert er seine Tochter auf, sich als Constanza auszugeben und Riccardo zum Mann zu nehmen. Doch die Pläne des Tyrannen werden durchkreuzt und die richtigen Paare finden im glücklichen Ende zusammen. Es handelt sich also um eine typisch krude Barockopern-Konstellation, die in diesem Fall aber einen deutlichen roteren Faden besitzt, als vor zwei Jahren der handlungsschwache Alessandro.
Was ist zu sehen?
Im Vergleich zu Radamisto erscheint Riccardo Primo szenisch unbewegter, sehr statisch und mit weniger visuellen Reizen. Stärker betont scheint dafür die Gestik, die Hände haben noch mehr zu tun, als vor 5 Jahren, anfänglich vielleicht fast zu viel. Immer wieder gerinnt die Personenregie zu Tableaus, kurze eingefrorene Momente, teilweise wie aus Ölgemälden der Zeit entnommen. Die wenigen Statisten präsentieren sich oft in pittoresker Position. Das höfische Verhalten mag manchem fast als höfisches Gehabe wirken, doch muß man dieser Inszenierung Zeit zum Atmen und zur langsamen Entwicklung gönnen. Spätestens beim Höhepunkt des ersten Teils, dem abschließenden Duett des zweiten Akts, erreicht man eine Form von Transzendenz, ein stehendes Jetzt in dem Klang und Ambiente den Zeitrahmen sprengen können.
Die Bühne ist weniger barock als bei Radamisto. Fahrbare Bühnenelemente werden immer wieder neu variiert. Die barocke Bühnenmaschinerie wird hingegen nicht benötigt. Im zügigeren und abwechslungsreicheren 2. Teil (3. Akt) wird mehrfach die Drehbühne eingesetzt,
Was ist zu hören?
Händel konnte für fünf seiner 42 Opern auf eine Luxusbesetzung zurückgreifen: mit dem Kastrat Senesino, der Mezzosopranistin Faustina Bordoni und der Sopranistin Francesca Cuzzoni standen ihm damals internationale Pop-Stars der Opernszene zur Verfügung. Sie sangen die Hauptrollen in Alessandro (1726), Admeto (1727), Riccardo I. (1727), Siroe (1728) und Tolomeo (1728). Sechs Sänger werden für Riccardo I. benötigt, drei davon singen sechs Arien, die drei Hauptrollen teilen sich hingegen 21 Arien, 4 kurze Ariosi und ein Duett.
Die Uraufführung 1727 geschah anlässlich der Thronbesteigung Georgs II., komponiert wurde allerdings noch zu Lebzeiten Georgs I., der auf der Heimreise in seine Geburtsstadt Hannover verstarb. Die Festlichkeit hört man der Oper dennoch an: sie ist reich und außergewöhnlich interessant orchestriert: in der Ouvertüre klingen die Oboen, die folgende Sturmsequenz ist von Paukenschlägen begleitet. Orontes Liebe zu Pulcheria wird von Altblockflöten, seine Arie zum Sieg der Liebe dann von Hörnern dargestellt. Bei Constanzas Arien tönen Blockflöten und Bassquerflöte. Riccardo wird im 3.Akt von Trompeten unterstützt, wenn er vom Grauen des Krieges singt. Ein Höhepunkt ist wie bereits erwähnt das Ende des zweiten Akts: das einzige Duett der Oper zwischen Riccardo und Constanza ist berückend schön. Der ganze Riccardo Primo ist voller wunderbarer Arien und man wundert sich, daß diese Händel Oper relativ unbekannt geblieben ist.
Händel gibt seinen Sängerinnen unterschiedliche Profile: Constanza hat die schöneren Melodien (oft in moll); Pulcheria ist leidenschaftlicher und singt mehr Koloraturen (oft in Dur).
Fazit: Die ersten Eindrücke sind also sehr gut - die Premiere am Freitag kann kommen!
- Das Kerzenlicht ist zurück! Das Inszenierungsteam präsentiert eine schöne und stimmige Inszenierung. Regisseur Benjamin Lazar und sein Team haben sich in Frankreich eine Reputation für barocke Inszenierungen bei Kerzenschein erarbeitet und zeigen hier ihre erste Produktion in Deutschland. Dekors, Kostüme und Licht nehmen auf eine Zeitreise mit. Der Mehrwert dieses Rückgriffs liegt in der Stimmung und im Ambiente. Die Kerzen sorgen für ein weiches Licht, das von der Seite und von unten an der Rampe mit Reflektoren verstärkt für eine golden-warme Atmosphäre sorgt.
- Dirigent Michael Hofstetter ist zurück und die wunderbar klingenden Deutschen Händel-Solisten lassen wie zu erwarten nichts zu wünschen übrig.
- Franco Fagioli ist zurück! Über die Sänger lässt eine Generalprobe nur begrenzt Aussagen zu, aber nach der bereits hochklassigen Generalprobe kann man vermuten, daß die Premiere in jeder Hinsicht ein Genuß wird! Neben Fagioli könnte Emily Hindrichs zur großen Gewinnerin werden: die Rolle der Constanza scheint ihr auf die Stimme geschrieben.
Zeit und Genuß, Dauer und Intensität
Freunde der Händel-Opern wissen es: sie besitzen Wagner'sche Dimensionen. 3 Akte, jeder Akt durchschnittlich eine Stunde Musik, dann benötigt der Applaus nach den Arien Zeit, mindestens eine, manchmal zwei Pausen. Händel kann schon mal 4-5 Stunden in Anspruch nehmen und auch die gestrige Generalprobe zeigte, daß man zu Riccardo Primo Zeit mitbringen muß. Diese Oper ist lang, herrlich lang und das ist grundsätzlich kein Nachteil. Im Gegenteil. Was gibt es schöneres für einen Opernliebhaber als das lange, viele Stunden dauernde, kräftezehrende und anstrengende, zwischen Tälern und Gipfeln wandernde Auf-und-Ab einer Oper? Sportler und Opernliebhaber wissen, daß es ein Privileg ist, sich anstrengen zu dürfen, durchzuhalten, daß der Weg das Ziel ist und die Erschöpfung durch vielfältigste, anregende und nachhaltige Eindrücke verdient sein will. In dieser Hinsicht sind Händel Opern und auch gerade dieser Riccardo Primo ein Erlebnis und Gewinn! Der erste und zweite Akt werden ohne Pause gespielt und dauern ca 2 Stunden, der ganze Abend ca. vier.
Worum geht es?
Riccardo I., das ist Richard Löwenherz, der in dieser unhistorisch behandelten Geschichte Abenteuer auf Zypern erlebt. Auf dem Kreuzzug ins heilige Land strandet er nach schwerem Sturm mit seiner Gefolgschaft auf der Mittelmeerinsel und sucht seine ihm noch unbekannte Braut Constanza, die nach Schiffbruch in die Hände des Inseltyrannen Isacio geraten ist. Isacios Tochter Pulcheria soll den syrischen Fürst Oronte heiraten, doch als Isacio erfährt, daß Riccardo seine Braut sucht, fordert er seine Tochter auf, sich als Constanza auszugeben und Riccardo zum Mann zu nehmen. Doch die Pläne des Tyrannen werden durchkreuzt und die richtigen Paare finden im glücklichen Ende zusammen. Es handelt sich also um eine typisch krude Barockopern-Konstellation, die in diesem Fall aber einen deutlichen roteren Faden besitzt, als vor zwei Jahren der handlungsschwache Alessandro.
Was ist zu sehen?
Im Vergleich zu Radamisto erscheint Riccardo Primo szenisch unbewegter, sehr statisch und mit weniger visuellen Reizen. Stärker betont scheint dafür die Gestik, die Hände haben noch mehr zu tun, als vor 5 Jahren, anfänglich vielleicht fast zu viel. Immer wieder gerinnt die Personenregie zu Tableaus, kurze eingefrorene Momente, teilweise wie aus Ölgemälden der Zeit entnommen. Die wenigen Statisten präsentieren sich oft in pittoresker Position. Das höfische Verhalten mag manchem fast als höfisches Gehabe wirken, doch muß man dieser Inszenierung Zeit zum Atmen und zur langsamen Entwicklung gönnen. Spätestens beim Höhepunkt des ersten Teils, dem abschließenden Duett des zweiten Akts, erreicht man eine Form von Transzendenz, ein stehendes Jetzt in dem Klang und Ambiente den Zeitrahmen sprengen können.
Die Bühne ist weniger barock als bei Radamisto. Fahrbare Bühnenelemente werden immer wieder neu variiert. Die barocke Bühnenmaschinerie wird hingegen nicht benötigt. Im zügigeren und abwechslungsreicheren 2. Teil (3. Akt) wird mehrfach die Drehbühne eingesetzt,
Was ist zu hören?
Händel konnte für fünf seiner 42 Opern auf eine Luxusbesetzung zurückgreifen: mit dem Kastrat Senesino, der Mezzosopranistin Faustina Bordoni und der Sopranistin Francesca Cuzzoni standen ihm damals internationale Pop-Stars der Opernszene zur Verfügung. Sie sangen die Hauptrollen in Alessandro (1726), Admeto (1727), Riccardo I. (1727), Siroe (1728) und Tolomeo (1728). Sechs Sänger werden für Riccardo I. benötigt, drei davon singen sechs Arien, die drei Hauptrollen teilen sich hingegen 21 Arien, 4 kurze Ariosi und ein Duett.
Die Uraufführung 1727 geschah anlässlich der Thronbesteigung Georgs II., komponiert wurde allerdings noch zu Lebzeiten Georgs I., der auf der Heimreise in seine Geburtsstadt Hannover verstarb. Die Festlichkeit hört man der Oper dennoch an: sie ist reich und außergewöhnlich interessant orchestriert: in der Ouvertüre klingen die Oboen, die folgende Sturmsequenz ist von Paukenschlägen begleitet. Orontes Liebe zu Pulcheria wird von Altblockflöten, seine Arie zum Sieg der Liebe dann von Hörnern dargestellt. Bei Constanzas Arien tönen Blockflöten und Bassquerflöte. Riccardo wird im 3.Akt von Trompeten unterstützt, wenn er vom Grauen des Krieges singt. Ein Höhepunkt ist wie bereits erwähnt das Ende des zweiten Akts: das einzige Duett der Oper zwischen Riccardo und Constanza ist berückend schön. Der ganze Riccardo Primo ist voller wunderbarer Arien und man wundert sich, daß diese Händel Oper relativ unbekannt geblieben ist.
Händel gibt seinen Sängerinnen unterschiedliche Profile: Constanza hat die schöneren Melodien (oft in moll); Pulcheria ist leidenschaftlicher und singt mehr Koloraturen (oft in Dur).
Fazit: Die ersten Eindrücke sind also sehr gut - die Premiere am Freitag kann kommen!
Dienstag, 18. Februar 2014
Rückblick: Radamisto, Händel Festspiele 2009
Die von der belgischen Regisseurin und Choreographin Sigrid T'Hooft szenisch in einer historisch informierten Aufführungspraxis inszenierte Händel-Oper Radamisto hinterließ 2009 bei vielen einen unvergesslichen Eindruck und hatte etwas Bezauberndes. Am Freitag erfolgt nun die Premiere der Kerzenlichtproduktion des französischen Barock-Spezialisten Benjamin Lazar mit Händels Riccardo Primo und die Karlsruher Händel-Fans werden neugierig auf die stilistischen Unterschiede schauen. Hier ein kurzer Rückblick.
Was zeichnete Radamisto aus?
Für Sigrid T'Hooft ging es darum, die Oper mit historischen Stilmittel zu beleben und möglichst so zu zeigen, wie sie ausgesehen haben könnte. Zu Händels Zeiten gab es weder Regisseur noch Inszenierung, die Sänger wussten selber was zu tun war. Für Radamisto liegt ein historisches Soufflierbuch vor, das Auf- und Abgänge verzeichnete (wer geht wann und wo auf die Bühne und wieder ab) und die Anzahl der Statisten beinhaltete - und das waren damals ziemlich viele: über zwanzig, eine Zahl die in Karlsruhe 2009 in dieser Höhe nicht nachgeahmt wurde.
Es wurde keine zusätzliche Geschichte inszeniert, keine zusätzlichen Nebenstränge kreiert, sondern nur die Handlung des Librettos gezeigt. Die Dramatik fand dabei in den Rezitativen statt, unterstützt durch Mimik, Gestik und Handbewegungen, durch die Position der Sänger und das Auf- und Abgehen von der Bühne. Die Figuren wurden anti-psychologisch dargestellt. Die Arien waren quasi konzertant, die Sänger standen an der Rampe, blickten stets ins Publikum und nicht andere Figuren an. Die Figur, an die die Arie gerichtet war und den Gefühlsausbruch ausgelöst hatte war zwar ebenfalls auf der Bühne, doch wer nicht sang, stand im Hintergrund und gehörte zum Dekors. Während den Arien wurde das Publikum auf eine visuelle Reise mitgenommen. Die Arien mit ihrer A-B-A' Struktur wurden durch Positionswechsel verdeutlicht. Der A-Teil, in dem der Affekt verdeutlicht wurde, war am rechten Bühnenrand, der B-Teil, der die persönliche Färbung und den Grund für die Emotion erläutert, am linken. Der abschließende A'-Teil, bei dem der Grundaffekt erneut dargestellt und durch Koloraturen verschönt wird, erfolgte in der Mitte.
Das Barock mochte keine geraden Linien: die Sänger bewegten sich in C- oder S-Kurven von einem Punkt zu anderen. Gute Affekte wurden mit der rechten Hand verdeutlicht, schlechte mit der linken. Man sah offene (einladende) und geschlossene (abweisende Hände). Überhaupt wurden die Hände zum Verdeutlichen der Emotionen, der Situation, auch des Inhaltes und der Satzstruktur verwendet. Barockes Pathos entsprach einer kontrollierten Emotionalität - es gab fast keine Berührungen auf der Bühne. Die üppigen Kostüme verdeutlichten den sozialen Rang, beispielsweise durch die Länge der Schleppe. Die prachtvollen Gewänder wurden nach Kostüm-Zeichnungen der Uraufführung angefertigt. Die tief-perspektivische Bühne zeigte aufwendig gemalte Bühnenbilder und verwandelte sich bei offenem Vorhang. Die Bühne war nur durch ca 650 Kerzen erleuchtet und tauchte alles in ein magisches, honigfarbenes Licht. Freiheiten nahm sich die Regisseurin bei den Tanzszenen, die ohne konkrete Vorbilder gestaltet wurden. Statisten und Tänzer kamen teilweise aus einer anderen Epoche als die Opernhandlung: ihre Kostüme zeigten ein englisches Ambiente zur Zeit der Komposition Händels.
Was zeichnete Radamisto aus?
Für Sigrid T'Hooft ging es darum, die Oper mit historischen Stilmittel zu beleben und möglichst so zu zeigen, wie sie ausgesehen haben könnte. Zu Händels Zeiten gab es weder Regisseur noch Inszenierung, die Sänger wussten selber was zu tun war. Für Radamisto liegt ein historisches Soufflierbuch vor, das Auf- und Abgänge verzeichnete (wer geht wann und wo auf die Bühne und wieder ab) und die Anzahl der Statisten beinhaltete - und das waren damals ziemlich viele: über zwanzig, eine Zahl die in Karlsruhe 2009 in dieser Höhe nicht nachgeahmt wurde.
Es wurde keine zusätzliche Geschichte inszeniert, keine zusätzlichen Nebenstränge kreiert, sondern nur die Handlung des Librettos gezeigt. Die Dramatik fand dabei in den Rezitativen statt, unterstützt durch Mimik, Gestik und Handbewegungen, durch die Position der Sänger und das Auf- und Abgehen von der Bühne. Die Figuren wurden anti-psychologisch dargestellt. Die Arien waren quasi konzertant, die Sänger standen an der Rampe, blickten stets ins Publikum und nicht andere Figuren an. Die Figur, an die die Arie gerichtet war und den Gefühlsausbruch ausgelöst hatte war zwar ebenfalls auf der Bühne, doch wer nicht sang, stand im Hintergrund und gehörte zum Dekors. Während den Arien wurde das Publikum auf eine visuelle Reise mitgenommen. Die Arien mit ihrer A-B-A' Struktur wurden durch Positionswechsel verdeutlicht. Der A-Teil, in dem der Affekt verdeutlicht wurde, war am rechten Bühnenrand, der B-Teil, der die persönliche Färbung und den Grund für die Emotion erläutert, am linken. Der abschließende A'-Teil, bei dem der Grundaffekt erneut dargestellt und durch Koloraturen verschönt wird, erfolgte in der Mitte.
Das Barock mochte keine geraden Linien: die Sänger bewegten sich in C- oder S-Kurven von einem Punkt zu anderen. Gute Affekte wurden mit der rechten Hand verdeutlicht, schlechte mit der linken. Man sah offene (einladende) und geschlossene (abweisende Hände). Überhaupt wurden die Hände zum Verdeutlichen der Emotionen, der Situation, auch des Inhaltes und der Satzstruktur verwendet. Barockes Pathos entsprach einer kontrollierten Emotionalität - es gab fast keine Berührungen auf der Bühne. Die üppigen Kostüme verdeutlichten den sozialen Rang, beispielsweise durch die Länge der Schleppe. Die prachtvollen Gewänder wurden nach Kostüm-Zeichnungen der Uraufführung angefertigt. Die tief-perspektivische Bühne zeigte aufwendig gemalte Bühnenbilder und verwandelte sich bei offenem Vorhang. Die Bühne war nur durch ca 650 Kerzen erleuchtet und tauchte alles in ein magisches, honigfarbenes Licht. Freiheiten nahm sich die Regisseurin bei den Tanzszenen, die ohne konkrete Vorbilder gestaltet wurden. Statisten und Tänzer kamen teilweise aus einer anderen Epoche als die Opernhandlung: ihre Kostüme zeigten ein englisches Ambiente zur Zeit der Komposition Händels.
Samstag, 15. Februar 2014
Händel Festspiele 2014
Ab nächster Woche ist Karlsruhe wieder der Nabel der Barock-Welt - und das völlig verdient und zu Recht! Festspielleiter Dr. Bernd Feuchtner hat für dieses Jahr ein sehr attraktives Programm auf die Beine gestellt und beweist aber auch, daß es ein "fast zu viel" gibt oder zumindest ein "zu wenig abgestimmt". Denn der Wermutstropfen vorab: wieder ist es "fast zu viel", was man präsentiert. Die Abstimmung des Publikums erfolgt beim Kartenverkauf. Während vieles schon lange ausverkauft ist, bleiben andere Vorstellungen teils brutal leer (z.B. das Konzert der Lautten Compagney). Für 24 Aufführungen kann man Karten kaufen - und das bei 13 Tagen zwischen der ersten und der letzten Vorstellung. Nichts gegen Opulenz - Karlsruhe strotzt nur so von interessanten Programmpunkten, aber trotzdem wird es Tage geben, an denen man mehr Besucher hätte haben können: am 27. Februar kommen zeitgleich drei interessante Aufführungen auf die Bühnen, zwei davon sind Einzelereignisse: Riccardo Primo (ausverkauft im Großen Haus) läuft parallel zum Barock-Ballett (im Konzerthaus) und parallel zum Arienabend mit Roberta Invernizzi, die im Kleinen Haus auftreten wird - schade, daß man sich wieder selber Konkurrenz macht.
Dennoch: Glückwunsch an Dr. Feuchtner und das Badische Staatstheater! Riccardo Primo in historischer Aufführungspraxis des Regisseurs Benjamin Lazar und mit Franco Fagioli in der Titelrolle war bereits Monate im Voraus ausverkauft. Rinaldo mit der originellen Marionetten-Inszenierung ist dazu eine wunderbare Ergänzung. Dazu Händels vielleicht bekanntestes Oratorium Der Messias, ein Konzert des Barock-Ensembles Lautten Companey Berlin und eines der Deutschen Händel Solisten, zwei Kammerkonzerte, ein Barock-Ballett und ein Arienabend und noch mehr ....! Man kann sich begeistern, wenn man diese Musikperiode liebt. Es ist die Opulenz hochwertiger Namen und Ereignissen, die man hoffentlich neben gelungen Aufführungen und Interpretationen in Erinnerung behalten wird: 2014? Großartige Händel Festspiele! Die Aussichten dazu sind sehr gut.
Hier ein Programmüberblick und hier der Link zum Badischen Staatstheater
Mittwoch, 19.02.
RICCARDO PRIMO - ÖFFENTLICHE GENERALPROBE
Donnerstag, 20.02.
DOZIERENDENKONZERTder INTERNATIONALEN HÄNDEL-AKADEMIE KARLSRUHE
Freitag, 21.02.
BAROCKES GESAMTKUNSTWERK: GESANG, TANZ UND GESTIK IN DER TRAGÉDIE EN MUSIQUE
Symposium der INTERNATIONALEN HÄNDEL-AKADEMIE
RICCARDO PRIMO - PREMIERE
Samstag, 22.02.
BAROCKES GESAMTKUNSTWERK: GESANG, TANZ UND GESTIK IN DER TRAGÉDIE EN MUSIQUE
Symposium der INTERNATIONALEN HÄNDEL-AKADEMIE KARLSRUHE
CARAVAGGIOS ROM Ein bilderreicher Streifzug durch die Stadt des Barockmalers
Sonntag, 23.02.
ABSCHLUSSKONZERT der INTERNATIONALEN HÄNDEL-AKADEMIE KARLSRUHE
RICCARDO PRIMO
HÄNDEL! ORGEL! KLAIS!
Was Händel alles nicht für die Orgel schrieb ... Ouvertüren, Konzerte, Chöre in Bearbeitungen und Paraphrasen. Carsten Wiebusch an der Klais-Orgel
Montag, 24.02.
RICCARDO PRIMO
KAMMERKONZERT EXTRA – GRENZGÄNGE
Mit Werken von Albinoni, Vivaldi, Nitschmann, Händel, Parker und Strawinsky
Dienstag, 25.02.
3. SONDERKONZERT– FESTKONZERT DER DEUTSCHEN HÄNDEL-SOLISTEN
Mit Werken von Händel, Rebel und Leclair
Mittwoch, 26.02.
RICCARDO PRIMO
Donnerstag, 27.02.
RICCARDO PRIMO
BALLETT: VOYAGE EN EUROPE
Eine tänzerische Reise durch das Europa des Barock
ROBERTA INVERNIZZI
Cleopatra - Arien für Händels Diven
Freitag, 28.02.
LAUTTEN COMPAGNEY – HANDEL WITH CARE
Musik aus Opern und Oratorien von Georg Friedrich Händel.
Samstag, 01.03.
Marionettentheater: RINALDO
ERMUNTERUNG ZUR FRÖHLICHKEIT
Kammerkonzert der Deutschen Händel-Solisten
Sonntag, 02.03.
PREISTRÄGERKONZERT DES HÄNDEL-JUGENDWETTBEWERBS
Marionettentheater: RINALDO
2. JUGENDKONZERT: EIN DEUTSCHER SUPERSTAR IN ENGLAND
DER MESSIAS
Oratorium von Georg Friedrich Händel
Montag, 03.03.
Marionettentheater: RINALDO
Dennoch: Glückwunsch an Dr. Feuchtner und das Badische Staatstheater! Riccardo Primo in historischer Aufführungspraxis des Regisseurs Benjamin Lazar und mit Franco Fagioli in der Titelrolle war bereits Monate im Voraus ausverkauft. Rinaldo mit der originellen Marionetten-Inszenierung ist dazu eine wunderbare Ergänzung. Dazu Händels vielleicht bekanntestes Oratorium Der Messias, ein Konzert des Barock-Ensembles Lautten Companey Berlin und eines der Deutschen Händel Solisten, zwei Kammerkonzerte, ein Barock-Ballett und ein Arienabend und noch mehr ....! Man kann sich begeistern, wenn man diese Musikperiode liebt. Es ist die Opulenz hochwertiger Namen und Ereignissen, die man hoffentlich neben gelungen Aufführungen und Interpretationen in Erinnerung behalten wird: 2014? Großartige Händel Festspiele! Die Aussichten dazu sind sehr gut.
Hier ein Programmüberblick und hier der Link zum Badischen Staatstheater
Mittwoch, 19.02.
RICCARDO PRIMO - ÖFFENTLICHE GENERALPROBE
Donnerstag, 20.02.
DOZIERENDENKONZERTder INTERNATIONALEN HÄNDEL-AKADEMIE KARLSRUHE
Freitag, 21.02.
BAROCKES GESAMTKUNSTWERK: GESANG, TANZ UND GESTIK IN DER TRAGÉDIE EN MUSIQUE
Symposium der INTERNATIONALEN HÄNDEL-AKADEMIE
RICCARDO PRIMO - PREMIERE
Samstag, 22.02.
BAROCKES GESAMTKUNSTWERK: GESANG, TANZ UND GESTIK IN DER TRAGÉDIE EN MUSIQUE
Symposium der INTERNATIONALEN HÄNDEL-AKADEMIE KARLSRUHE
CARAVAGGIOS ROM Ein bilderreicher Streifzug durch die Stadt des Barockmalers
Sonntag, 23.02.
ABSCHLUSSKONZERT der INTERNATIONALEN HÄNDEL-AKADEMIE KARLSRUHE
RICCARDO PRIMO
HÄNDEL! ORGEL! KLAIS!
Was Händel alles nicht für die Orgel schrieb ... Ouvertüren, Konzerte, Chöre in Bearbeitungen und Paraphrasen. Carsten Wiebusch an der Klais-Orgel
Montag, 24.02.
RICCARDO PRIMO
KAMMERKONZERT EXTRA – GRENZGÄNGE
Mit Werken von Albinoni, Vivaldi, Nitschmann, Händel, Parker und Strawinsky
Dienstag, 25.02.
3. SONDERKONZERT– FESTKONZERT DER DEUTSCHEN HÄNDEL-SOLISTEN
Mit Werken von Händel, Rebel und Leclair
Mittwoch, 26.02.
RICCARDO PRIMO
Donnerstag, 27.02.
RICCARDO PRIMO
BALLETT: VOYAGE EN EUROPE
Eine tänzerische Reise durch das Europa des Barock
ROBERTA INVERNIZZI
Cleopatra - Arien für Händels Diven
Freitag, 28.02.
LAUTTEN COMPAGNEY – HANDEL WITH CARE
Musik aus Opern und Oratorien von Georg Friedrich Händel.
Samstag, 01.03.
Marionettentheater: RINALDO
ERMUNTERUNG ZUR FRÖHLICHKEIT
Kammerkonzert der Deutschen Händel-Solisten
Sonntag, 02.03.
PREISTRÄGERKONZERT DES HÄNDEL-JUGENDWETTBEWERBS
Marionettentheater: RINALDO
2. JUGENDKONZERT: EIN DEUTSCHER SUPERSTAR IN ENGLAND
DER MESSIAS
Oratorium von Georg Friedrich Händel
Montag, 03.03.
Marionettentheater: RINALDO
Mittwoch, 12. Februar 2014
Tollhaus Karlsruhe: Simple Minds, 11.02.2014
Simple Minds in einem Blog über das Badische Staatstheater? Nun, wenn man im Opernhaus mit Liederabenden über Bob Dylan (geboren 1941) und Rio Reiser (geboren 1950) ein Publikum anspricht, das ca. 50-60+ Jahre alt ist, dann ist es nur eine Frage von ca 10-20 Jahren bis man musikalisch in den 1980/90ern landet, also ein Publikum ansprechen wird, das aktuell noch ein 2-3 stündiges Konzert stehend und tanzend erleben kann und dann im Opernhaus sitzend sich erinnernd begeistern lassen will. Und in Karlsruhe erinnert man sich auch gerne an die Simple Minds, waren sie doch 1997 der erste, lange geheim gehaltene Star-Act beim Karlsruher "Das Fest", dem kostenlosen Open-Air in der Günter-Klotz Anlage, das im gleichen Jahr auch Neneh Cherry und Suzanne Vega zu bieten hatte und damit in neue Dimension vorstieß. Simple Minds in einem Blog über das Badische Staatstheater ist also auch ein augenzwinkernder Tribut an die primäre Zielgruppe dieser Texte.
Die in Glasgow 1978 gegründeten Simple Minds sind nun schon über 30 Jahre erfolgreich, haben über 60 Millionen Tonträger verkauft und gehören zu den Bands, die in den 1980er ihre ersten großen Erfolge erzielten und bis heute noch regelmäßig Konzerte geben. Sie gelten als beindruckende Live-Band und sind bekannt für ihre Spielfreude und langen Konzerte und reichhaltigen Zugaben und auch gestern waren die zahlreichen Zugaben im ausverkauften Tollhaus der Höhepunkt des Abends. Schon früh warnte der 55jährige Sänger Jim Kerr das Karlsruher Publikum (das überwiegend eine Altersgruppe von ca 40-50jährigen umfasste), daß es sich seine Kräfte einteilen solle. Nach 2,5 Stunden endete das Konzert, als es am schönsten war und nachdem die Stimmung sich linear gesteigert hatte,
Nur zwei Band-Mitglieder der Simple Minds sind übrig geblieben: der charismatische Sänger Jim Kerr und Gitarrist Charlie Burchill. Ergänzt hat man sich für diese Tour vorzüglich: Schlagzeuger Mel Gaynor, der Keyboarder Andy Gillespie, die Sängerin Sarah Brown und der Bassist Ged Grimes sorgten für einen hochprofessionellen Abend, der keine Routine ausstrahlte.
Das Greatest Hits Album der Simple Minds umfasst 50 Songs auf 3 CDs. Mindestens drei Welt-Hits davon hört man auch noch heute oft im Radio. Wobei es sich die Band einerseits leisten kann, auf eine Pflichtnummer zu verzichten: das auch aus einer Bierwerbung bekannte Belfast Child wurde gestern nicht gespielt. Andererseits hat man genug Songs zur Verfügung, um das berühmte Don’t You Forget About Me mit seinen stimmungsfördernden hey-hey-hey-hey's und la lalala la's im Hauptprogramm und Alive and Kicking inmitten der Zugaben zu spielen
Musikalisch klingen die Simple Minds dank Jim Kerrs Stimme unverkennbar und doch haben sie stilistische Änderungen durchlebt: Von der Punk-Band zur 80er Jahre New Wave-Band (das Musikgefühl der 80er hört man immer wieder bei den typischen Keyboard-Klängen dieser Zeit) zur Fußballstadion-Band (noch vor wenigen Jahren waren Simple Minds als Vorgruppe der Rolling Stones engagiert und stellten diese stimmungsmäßig in den Schatten. Hier findet sich bei youtube ein anderes Beispiel von 1997) und zurück zur rockigen Pop-Band. Die innere Entwicklung vom Musiker zum Big Business und zurück zur Musik hat man trotz Höhen und Tiefen erfolgreich gemeistert.
Fazit: es war bestimmt nicht die letzte Tour der Simple Minds. Dafür sind sie zu gut und ihre Musik zu stark in der Erinnerung einer Generation verankert.
Die in Glasgow 1978 gegründeten Simple Minds sind nun schon über 30 Jahre erfolgreich, haben über 60 Millionen Tonträger verkauft und gehören zu den Bands, die in den 1980er ihre ersten großen Erfolge erzielten und bis heute noch regelmäßig Konzerte geben. Sie gelten als beindruckende Live-Band und sind bekannt für ihre Spielfreude und langen Konzerte und reichhaltigen Zugaben und auch gestern waren die zahlreichen Zugaben im ausverkauften Tollhaus der Höhepunkt des Abends. Schon früh warnte der 55jährige Sänger Jim Kerr das Karlsruher Publikum (das überwiegend eine Altersgruppe von ca 40-50jährigen umfasste), daß es sich seine Kräfte einteilen solle. Nach 2,5 Stunden endete das Konzert, als es am schönsten war und nachdem die Stimmung sich linear gesteigert hatte,
Nur zwei Band-Mitglieder der Simple Minds sind übrig geblieben: der charismatische Sänger Jim Kerr und Gitarrist Charlie Burchill. Ergänzt hat man sich für diese Tour vorzüglich: Schlagzeuger Mel Gaynor, der Keyboarder Andy Gillespie, die Sängerin Sarah Brown und der Bassist Ged Grimes sorgten für einen hochprofessionellen Abend, der keine Routine ausstrahlte.
Das Greatest Hits Album der Simple Minds umfasst 50 Songs auf 3 CDs. Mindestens drei Welt-Hits davon hört man auch noch heute oft im Radio. Wobei es sich die Band einerseits leisten kann, auf eine Pflichtnummer zu verzichten: das auch aus einer Bierwerbung bekannte Belfast Child wurde gestern nicht gespielt. Andererseits hat man genug Songs zur Verfügung, um das berühmte Don’t You Forget About Me mit seinen stimmungsfördernden hey-hey-hey-hey's und la lalala la's im Hauptprogramm und Alive and Kicking inmitten der Zugaben zu spielen
Musikalisch klingen die Simple Minds dank Jim Kerrs Stimme unverkennbar und doch haben sie stilistische Änderungen durchlebt: Von der Punk-Band zur 80er Jahre New Wave-Band (das Musikgefühl der 80er hört man immer wieder bei den typischen Keyboard-Klängen dieser Zeit) zur Fußballstadion-Band (noch vor wenigen Jahren waren Simple Minds als Vorgruppe der Rolling Stones engagiert und stellten diese stimmungsmäßig in den Schatten. Hier findet sich bei youtube ein anderes Beispiel von 1997) und zurück zur rockigen Pop-Band. Die innere Entwicklung vom Musiker zum Big Business und zurück zur Musik hat man trotz Höhen und Tiefen erfolgreich gemeistert.
Fazit: es war bestimmt nicht die letzte Tour der Simple Minds. Dafür sind sie zu gut und ihre Musik zu stark in der Erinnerung einer Generation verankert.
Dienstag, 11. Februar 2014
Entfällt: Hesse - Das Glasperlenspiel
Der eine oder andere war vielleicht vorab im Frühjahr 2013 bereits skeptisch, als das Badische Staatstheater für Juni 2014 eine dramatische Adaption von Hermann Hesses knapp 600seitigem Roman Das Glasperlenspiel für die Bühne ankündigte (mehr dazu unten). Bereits zu Beginn des Jahres war Das Glasperlenspiel auf der Internetpräsenz des Staatstheaters nicht mehr zu finden und nun wurde das Ersatzprogramm angekündigt. Passend zum Kriegsgedenkjahr 1914 - 2014 wird Igor Strawinskys und Charles-Ferdinand Ramuz' Die Geschichte vom Soldaten am 14.05.14 gezeigt. Regisseur Daniel Pfluger, der in Karlsruhe bereits Dino und die Arche, Alice und zuletzt Ein Sommernachtstraum auf die Bühne brachte, bringt diese Inszenierung, die "Kammermusik, Schauspiel,
Erzählung und Tanz mit Animationen des Animationskollektivs Motionfruit" kombiniert, als Gastspiel nach Karlsruhe. Eine positive Besprechung dieses multimedialen Musiktheaterabends findet sich hier.
Also ein Gastspiel im Schauspielpremieren-Abo; eine eigene Ersatzproduktion konnte man nicht auf die Beine stellen, um die folgenden Abonnement-Vorstellungen zu füllen.
Keine Glasperlenspiel-Adaption
oder
Das Drama als Kunst und Handwerk
Der Dramatiker als Künstler, also der Autor von Theaterstücken, ist in der heutigen Theaterwelt oftmals von untergeordneter Funktion - er wird nicht mehr gebraucht, seine Funktion wurde entwertet. Einerseits ist der Dramatiker daran selber schuld: er ist nicht mehr originell, ihm fällt nur noch selten etwas ein, was das Publikum fasziniert und begeistert. Die Verdienstmöglichkeiten sind bei Film und Fernsehen wahrscheinlich auch höher. Natürlich gibt es Ausnahmen: entweder zu wenige oder sie werden heute nicht mehr entdeckt oder die Theater lesen nicht mehr genug ihr Repertoire und greifen deshalb auf Bekanntes aus der Prosaliteratur zurück.
Andererseits gibt es heute den Dramatiker als Handwerker: der "Drehbuchautor", der vorhandene Ideen aus epischen Formen für den Schauspieler anpasst. Ein Handwerk, daß auch von Regisseuren, Dramaturgen und anderen Formen des Schreibers ausgeübt wird - teilweise mit viel, oft mit weniger Geschick.
Als Zuschauer von Roman-Adaptionen merkt man es oft, daß das Bühnengeschehen geschickt zusammengesetzt wurde, aber das epische Vorbild mehr bot. Die Stücke haben oft etwas Verdünntes und Gekürztes - ein Konstrukt von Versatzstücken. Gelingen kann Handwerks-Dramatik trotzdem. Es benötigt einen starken Fokus auf Schauspieler, Bühne und Ambiente, die dem holprigen und zusammengesetzten Handlungsfaden Halt geben müssen. Jakob der Lügner und Agnes waren gelungene Beispiele des Schauspieldirektors Jan Linders, Der Steppenwolf während Knut Webers Direktion war bereits ein Beispiel, daß Hermann Hesse für die Bühne problematisch ist.
Adaptionen muß man nicht mögen. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung befand, daß "die Theater vor keiner hirnrissigen Roman- oder Filmadaption zurückschrecken" und sprach vom "fiebrigen Schimmelbefall der deutschsprachigen Theater mit grassierendem Morbus Bearbeiteritis". Mit dem Glasperlenspiel hat man nun in Karlsruhe offensichtlich ein Beispiel dafür, daß es schwerer ist als gedacht, ein Theaterstück aus einem Roman zu destillieren.
NACHTRAG: Hesses Glasperlenpiel bekommt anscheinend doch noch eine Chance: im September soll es zu Beginn der Spielzeit 2014/15 gezeigt werden.
Also ein Gastspiel im Schauspielpremieren-Abo; eine eigene Ersatzproduktion konnte man nicht auf die Beine stellen, um die folgenden Abonnement-Vorstellungen zu füllen.
Keine Glasperlenspiel-Adaption
oder
Das Drama als Kunst und Handwerk
Der Dramatiker als Künstler, also der Autor von Theaterstücken, ist in der heutigen Theaterwelt oftmals von untergeordneter Funktion - er wird nicht mehr gebraucht, seine Funktion wurde entwertet. Einerseits ist der Dramatiker daran selber schuld: er ist nicht mehr originell, ihm fällt nur noch selten etwas ein, was das Publikum fasziniert und begeistert. Die Verdienstmöglichkeiten sind bei Film und Fernsehen wahrscheinlich auch höher. Natürlich gibt es Ausnahmen: entweder zu wenige oder sie werden heute nicht mehr entdeckt oder die Theater lesen nicht mehr genug ihr Repertoire und greifen deshalb auf Bekanntes aus der Prosaliteratur zurück.
Andererseits gibt es heute den Dramatiker als Handwerker: der "Drehbuchautor", der vorhandene Ideen aus epischen Formen für den Schauspieler anpasst. Ein Handwerk, daß auch von Regisseuren, Dramaturgen und anderen Formen des Schreibers ausgeübt wird - teilweise mit viel, oft mit weniger Geschick.
Als Zuschauer von Roman-Adaptionen merkt man es oft, daß das Bühnengeschehen geschickt zusammengesetzt wurde, aber das epische Vorbild mehr bot. Die Stücke haben oft etwas Verdünntes und Gekürztes - ein Konstrukt von Versatzstücken. Gelingen kann Handwerks-Dramatik trotzdem. Es benötigt einen starken Fokus auf Schauspieler, Bühne und Ambiente, die dem holprigen und zusammengesetzten Handlungsfaden Halt geben müssen. Jakob der Lügner und Agnes waren gelungene Beispiele des Schauspieldirektors Jan Linders, Der Steppenwolf während Knut Webers Direktion war bereits ein Beispiel, daß Hermann Hesse für die Bühne problematisch ist.
Adaptionen muß man nicht mögen. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung befand, daß "die Theater vor keiner hirnrissigen Roman- oder Filmadaption zurückschrecken" und sprach vom "fiebrigen Schimmelbefall der deutschsprachigen Theater mit grassierendem Morbus Bearbeiteritis". Mit dem Glasperlenspiel hat man nun in Karlsruhe offensichtlich ein Beispiel dafür, daß es schwerer ist als gedacht, ein Theaterstück aus einem Roman zu destillieren.
NACHTRAG: Hesses Glasperlenpiel bekommt anscheinend doch noch eine Chance: im September soll es zu Beginn der Spielzeit 2014/15 gezeigt werden.
Freitag, 7. Februar 2014
Shakespeare - Ein Sommernachtstraum, 06.02.2014
Die gute Nachricht vorab: das Badische Staatstheater wiederholt nicht das Desaster der schnell wieder aus dem Spielplan verschwundenen Shakespeare-Komödie Wie es Euch gefällt, sondern präsentiert eine liebevoll gestaltete Neuinszenierung des Sommernachtstraum. Shakespeares Text wurde allerdings stark gekürzt und Handlungsstränge vereinfacht. Man inszeniert den Sommernachtstraum als Musical und nicht als Schauspiel und verzichtet damit auf die Hürden der Textkonzentration und Deutung. Die üblichen Mankos der Musical-Form konnte man nicht vermeiden: immer wieder wird das Geschehen durch Lieder unterbrochen und gedehnt. Durch diesen episodischen Charakter fehlt es an Tempo, Spannung und innerem Zusammenhalt. Es ist also kein großer Shakespeare-Abend oder großes Theater, das den Zuschauer erwartet, sondern sehr gut und nett gemachte Unterhaltung in Musical-Form, in der es dennoch starke schauspielerische Momente gibt.
Warum Shakespeare als Musical?
Damit beabsichtigt man das Publikum, das zu Alice, Dylan und Rio Reiser geht, nun auch zu einem vergleichsweise textlastigeren Abend zu verführen und eine Brücke von der musikalischen Singspiel-Revue zu einer musikalischen Theater-Performance eines klassischen Stücks zu schlagen.
Die Zielgruppe dieser Konzeption verrät die Studie der Freien Universität Berlin: Durch Produktionen wie Dylan wird auch "ein theateruntypisches Publikum über 40 Jahre mit vergleichsweise niedrigerem Bildungsabschluß angezogen". "Bei Zielsetzungen und der Gestaltung von Strategien darf nicht erwartet werden, dass über Produktionen wie „Dylan“ oder das junge Staatstheater neu gewonnene Nicht-Mehr- und Noch-Nie-Besucher durch den alleinigen Kontakt mit dem restlichen Theaterprogramm auch Aufführungen des ‚klassischen’ Theaterprogramms besuchen." Das Badische Staatstheater versucht hier also, ein klassisches Theaterprogramm für diese Zielgruppe aufzubereiten.
Reduzierter Shakespeare für Neu- und Erstbesucher
Die Reduktion des Texts geht auf Kosten der Balance: zu kurz kommen die Vermischung magischer und weltlicher Elemente, also die typisch Shakespeare'schen Gegenüberstellungen: Sterbliche und Unsterbliche, Herrschaft und Untertanen, Zivilisation und Natur, die Verzauberung des Alltags und die Alltäglichkeit der Streitereien und Eifersüchteleien im Geisterreich. Beispielsweise das klassische Hochzeitspaar Theseus und Hipployta, für das die Handwerker eigentlich Ihre Aufführung proben, ist gestrichen und die Aufführung des Laientheaters in der Schlußszene läuft entsprechend ins Leere. Den inneren Bezug, das große Ganze findet man also nicht, sondern nur ein Destillat. Man hat allerdings nach den bisherigen oft tief enttäuschenden Inszenierungen den Eindruck, daß sich das Badische Staatstheater Zurückhaltung in der Verunstaltung auferlegte und trotz der inhaltlichen Kürzungen kann man mit Erleichterung feststellen, daß man die Schauspieler nicht in ein Korsett gesperrt hat, sondern Leistungen gezeigt werden dürfen, bei denen die sonst auffälligen Momente der Ratlosigkeit fehlen.
Was ist zu sehen?
Man wünscht sich angesichts der sehr guten schauspielerischen Leistungen unweigerlich, daß mehr Shakespeare in dieser Inszenierung stecken sollte. Die Akteure hätten einen richtigen Sommernachtstraum verdient, um ihr Können zu zeigen. Man hat den schönen Eindruck, daß mehr möglich gewesen wäre, wenn man sich nicht auf ein Musical begrenzt hätte. Schade, daß man die Chance nicht genutzt hat. Wie schon bei Alice haben Bühnenbildner Flurin Borg Madsen und Kostümbildnerin Janine Werthmann eine schöne und phantasievolle Ausstattung auf die Beine gestellt, die ebenfalls für einen richtigen Schauspiel-Sommernachtstraum geeignet wäre.
André Wagner war auch schon im letzten Sommernachtstraum dabei und hat diesmal eine Doppelrolle als Egeus und Puck. Er leidet am meisten an der gekürzten Musical-Konzeption und bleibt zu blaß. Sebastian Kreutz hatte vor acht Jahren als Puck die deutlich dominantere Rolle.
Gunnar Schmidt (auch er war schon im letzten Sommernachtstraum dabei) als Squenz hat ebenfalls eine undankbare Aufgabe - er ist seit Jahren eine Stütze des Karlsruher Schauspiels und einer der beliebtesten Akteure des Hauses. Dennoch kommt er trotz aller Klasse nicht an seinem Vorgänger vorbei. Georg Krause brachte sein Publikum damals zum Rasen - wie man überhaupt es nicht verschweigen darf und ehrlich bekennen muß: der letzte, so wunderbar gelungene und zauberhafte, rasante und entfesselte Sommernachtstraum von Donald Berkenhoff aus dem Jahr 2006 bleibt die unerreichte Referenz und hatte vom Wesentlichen mehr: mehr Witz, mehr Tempo, mehr Spaß und mehr Begeisterung im Publikum. In dieser Hinsicht verläuft auch dieser Vergleich erneut zu Ungunsten der aktuellen Schauspielleitung.
Hervorheben muß man die vier Liebenden: Hermia (Sophia Löffler) und Helena (Florentine Krafft) sowie Lysander (Matthias Lamp) und Demetrius (Jan Andreesen) sind durch ihre Gesangsrollen aufgewertet und tragen zum sehr guten Eindruck wesentlich bei. Bravo!
Antonia Mohr als Titania und Tim Grobe als Oberon nutzen ihre Rollen gekonnt. Robert Besta erhält als Zettel sehr viele Lacher, wie überhaupt alle Beteiligten einen guten Eindruck in ihren Rollen hinterlassen.
Was ist zu hören?
oder
Ein Sommernachtstraum - Musical nach Shakespeares Stück
Es scheint, daß man am Schauspiel des Badischen Staatstheaters inzwischen um seine eigenen Defizite und Schwächen weiß. Ein Vergleich mit dem letzten von Schauspielern dominierten Sommernachtstraum schien man klugerweise auch deshalb aus dem Weg gehen zu wollen und präsentiert eine Version, in der man mehr auf Musik und Gesang setzt. Und da hat man sich viel einfallen lassen: 15(!) neue Lieder wurden getextet und stilistisch zwischen Schlager und Barock-Arie komponiert. Eine Vielzahl kurioser Musikinstrumente wurde neu konzipiert und gebaut, die von den sieben Musiker bedient und gespielt werden. Der neue Sommernachtstraum wird vorrangig auf phantasievolle Weise zum Klingen gebracht.
Das Programmheft macht darauf aufmerksam: der Sommernachtstraum ist ein Festspiel. Durch den hohen musikalischen Unterhaltungswert ist diese Inszenierung für eine Weiterverwendung tatsächlich prädestiniert. Sie würde gut zu Freiluftbühnen oder bspw. den Ettlinger Schloßfestspielen passen und wäre zweifellos auch dort erfolgreich. Die Besetzung ließe sich überdenken, denn die Rollen müssten nicht durch Schauspieler besetzt werden, die singen können, sondern auch Musical-Darsteller, die gut schauspielern können, passen zur Inszenierung.
Fazit: Nett! Ein netter Abend, nett gemacht, nette Musik und Schauspieler, vielleicht alles ein wenig zu gemächlich und harmlos. Shakespeare als Musical ist legitim, aber Shakespeare ist halt auch noch viel mehr. Schade, daß das Schauspiel des Badischen Staatstheaters das seinem Publikum (bisher) nicht zumuten will. Es gab in Karlsruhe vor wenigen Jahren eine Inszenierung des Sommernachtstraums, die leidenschaftlicher und überbordender war und hör- und sichtbar mehr Begeisterung auslöste. Trotzdem lohnt sich der Besuch dieser Version.
PS(1): Wende zum Besseren in Sicht?
Im dritten Jahr häufen sich rund um das Karlsruher Schauspiel die Anzeichen dafür, daß man sich zu akklimatisieren scheint. Es gibt mehr gelungene Produktionen, Mißerfolge werde schneller eliminiert und man hat endlich Zugang zu Komödien gefunden. Das Training-on-the-Job scheint bei den Verantwortlichen erste Resultate zu zeigen. Wenn jetzt noch im vierten Jahr solche Pleiten mit Ansage wie Endstation Sehnsucht wegfallen und man bei der Programmzusammenstellung das plakative Zweckhandwerk der Zielgruppenorientierung überwindet und sich öfters erfolgreich im Original-Schauspiel qualifiziert, dann ist man endlich auf dem richtigen Weg. Denn nach den Erfahrungen der letzten beiden Spielzeiten könnte man die Musical-Version auch anders deuten: Viel Musik und stark gekürzter Text - Der neue Karlsruher Sommernachtstraum zeigt wieder, daß man dem gesprochenen Wort nicht vertraut und nicht an die Kraft des Autors und des Stücks glaubt oder sogar nichts damit anzufangen weiß. Von einem Staatstheater kann man mehr erwarten und Ansätze dazu sind bei dieser Inszenierung zu spüren. Nur schade, daß das Programm der kommenden Monate so wenig Spannung verspricht.
PS(2): Einen Stich ins Herz versetzt man in Karlsruhe einem Schauspiel-erfahrenem Publikum durch die Begründung für diese Form der gekürzten und musikalisch ergänzten Umsetzung des Sommernachtstraum. Die obigen Absichten der Musical-Version werden verschleiert. Das Programmheft des Badischen Staatstheater betont eine angebliche Skepsis von sogenannten "Experten" gegenüber Shakespeares Sommernachtstraum: Das Publikum liebt es zwar, aber "von Literaturwissenschaftlern wird es jedoch kritisch beäugt.... Die Tradition der Geringschätzung reicht weit in die Vergangenheit zurück". Um die Schwächen des Stücks auszugleichen entschied man sich in Karlsruhe dafür, "den Sommernachtstraum mit Liedern anzureichern". Das ist schon eine arge Verdrehung. Das Karlsruher Schauspiel scheint also dieses mängelbehaftete Werk des überschätzten Shakespeare durch musikalische "Bereicherungen" für sein Publikum erträglich machen zu wollen. Vor wenigen Jahren bewies die letzte Karlsruher Inszenierung das Gegenteil.
Team und Besetzung:
Oberon: Tim Grobe
Titania: Antonia Mohr
Egeus, Puck: André Wagner
Elfe: David Rynkowski
Lysander: Matthias Lamp
Demetrius: Jan Andreesen
Hermia: Sophia Löffler
Helena: Florentine Krafft
Zettel (Pyramus): Robert Besta
Squenz (Prolog): Gunnar Schmidt
Flaut (Thisbe): Michel Brandt
Schnauz (Wand / Mond): Daniel Friedl
Schlucker (Löwe): Andreas Ricci
Regie: Daniel Pfluger
Bühne: Flurin Borg Madsen
Kostüme: Janine Werthmann
Lieder von Tobias Gralke & Clemens Rynkowski
Musik von Clemens Rynkowski
Musikalische Leitung: Clemens Rynkowski, Florian Rynkowski
Klavier, Harmonium, Celesta: Clemens Rynkowski
Percussion, Drumset, Schlagwerk: Jakob Dinkelacker
Bassklarinette, Saxophon, Piccolo: Sven Pudil
Bass, Gitarre: Florian Rynkowski
Vocals, Keyboard: David Rynkowski
Posaune, Sousaphone, Tuba: Jochen Welsch
Bratsche: Agata Zieba
Warum Shakespeare als Musical?
Damit beabsichtigt man das Publikum, das zu Alice, Dylan und Rio Reiser geht, nun auch zu einem vergleichsweise textlastigeren Abend zu verführen und eine Brücke von der musikalischen Singspiel-Revue zu einer musikalischen Theater-Performance eines klassischen Stücks zu schlagen.
Die Zielgruppe dieser Konzeption verrät die Studie der Freien Universität Berlin: Durch Produktionen wie Dylan wird auch "ein theateruntypisches Publikum über 40 Jahre mit vergleichsweise niedrigerem Bildungsabschluß angezogen". "Bei Zielsetzungen und der Gestaltung von Strategien darf nicht erwartet werden, dass über Produktionen wie „Dylan“ oder das junge Staatstheater neu gewonnene Nicht-Mehr- und Noch-Nie-Besucher durch den alleinigen Kontakt mit dem restlichen Theaterprogramm auch Aufführungen des ‚klassischen’ Theaterprogramms besuchen." Das Badische Staatstheater versucht hier also, ein klassisches Theaterprogramm für diese Zielgruppe aufzubereiten.
Reduzierter Shakespeare für Neu- und Erstbesucher
Die Reduktion des Texts geht auf Kosten der Balance: zu kurz kommen die Vermischung magischer und weltlicher Elemente, also die typisch Shakespeare'schen Gegenüberstellungen: Sterbliche und Unsterbliche, Herrschaft und Untertanen, Zivilisation und Natur, die Verzauberung des Alltags und die Alltäglichkeit der Streitereien und Eifersüchteleien im Geisterreich. Beispielsweise das klassische Hochzeitspaar Theseus und Hipployta, für das die Handwerker eigentlich Ihre Aufführung proben, ist gestrichen und die Aufführung des Laientheaters in der Schlußszene läuft entsprechend ins Leere. Den inneren Bezug, das große Ganze findet man also nicht, sondern nur ein Destillat. Man hat allerdings nach den bisherigen oft tief enttäuschenden Inszenierungen den Eindruck, daß sich das Badische Staatstheater Zurückhaltung in der Verunstaltung auferlegte und trotz der inhaltlichen Kürzungen kann man mit Erleichterung feststellen, daß man die Schauspieler nicht in ein Korsett gesperrt hat, sondern Leistungen gezeigt werden dürfen, bei denen die sonst auffälligen Momente der Ratlosigkeit fehlen.
Was ist zu sehen?
Man wünscht sich angesichts der sehr guten schauspielerischen Leistungen unweigerlich, daß mehr Shakespeare in dieser Inszenierung stecken sollte. Die Akteure hätten einen richtigen Sommernachtstraum verdient, um ihr Können zu zeigen. Man hat den schönen Eindruck, daß mehr möglich gewesen wäre, wenn man sich nicht auf ein Musical begrenzt hätte. Schade, daß man die Chance nicht genutzt hat. Wie schon bei Alice haben Bühnenbildner Flurin Borg Madsen und Kostümbildnerin Janine Werthmann eine schöne und phantasievolle Ausstattung auf die Beine gestellt, die ebenfalls für einen richtigen Schauspiel-Sommernachtstraum geeignet wäre.
André Wagner war auch schon im letzten Sommernachtstraum dabei und hat diesmal eine Doppelrolle als Egeus und Puck. Er leidet am meisten an der gekürzten Musical-Konzeption und bleibt zu blaß. Sebastian Kreutz hatte vor acht Jahren als Puck die deutlich dominantere Rolle.
Gunnar Schmidt (auch er war schon im letzten Sommernachtstraum dabei) als Squenz hat ebenfalls eine undankbare Aufgabe - er ist seit Jahren eine Stütze des Karlsruher Schauspiels und einer der beliebtesten Akteure des Hauses. Dennoch kommt er trotz aller Klasse nicht an seinem Vorgänger vorbei. Georg Krause brachte sein Publikum damals zum Rasen - wie man überhaupt es nicht verschweigen darf und ehrlich bekennen muß: der letzte, so wunderbar gelungene und zauberhafte, rasante und entfesselte Sommernachtstraum von Donald Berkenhoff aus dem Jahr 2006 bleibt die unerreichte Referenz und hatte vom Wesentlichen mehr: mehr Witz, mehr Tempo, mehr Spaß und mehr Begeisterung im Publikum. In dieser Hinsicht verläuft auch dieser Vergleich erneut zu Ungunsten der aktuellen Schauspielleitung.
Hervorheben muß man die vier Liebenden: Hermia (Sophia Löffler) und Helena (Florentine Krafft) sowie Lysander (Matthias Lamp) und Demetrius (Jan Andreesen) sind durch ihre Gesangsrollen aufgewertet und tragen zum sehr guten Eindruck wesentlich bei. Bravo!
Antonia Mohr als Titania und Tim Grobe als Oberon nutzen ihre Rollen gekonnt. Robert Besta erhält als Zettel sehr viele Lacher, wie überhaupt alle Beteiligten einen guten Eindruck in ihren Rollen hinterlassen.
Was ist zu hören?
oder
Ein Sommernachtstraum - Musical nach Shakespeares Stück
Es scheint, daß man am Schauspiel des Badischen Staatstheaters inzwischen um seine eigenen Defizite und Schwächen weiß. Ein Vergleich mit dem letzten von Schauspielern dominierten Sommernachtstraum schien man klugerweise auch deshalb aus dem Weg gehen zu wollen und präsentiert eine Version, in der man mehr auf Musik und Gesang setzt. Und da hat man sich viel einfallen lassen: 15(!) neue Lieder wurden getextet und stilistisch zwischen Schlager und Barock-Arie komponiert. Eine Vielzahl kurioser Musikinstrumente wurde neu konzipiert und gebaut, die von den sieben Musiker bedient und gespielt werden. Der neue Sommernachtstraum wird vorrangig auf phantasievolle Weise zum Klingen gebracht.
Das Programmheft macht darauf aufmerksam: der Sommernachtstraum ist ein Festspiel. Durch den hohen musikalischen Unterhaltungswert ist diese Inszenierung für eine Weiterverwendung tatsächlich prädestiniert. Sie würde gut zu Freiluftbühnen oder bspw. den Ettlinger Schloßfestspielen passen und wäre zweifellos auch dort erfolgreich. Die Besetzung ließe sich überdenken, denn die Rollen müssten nicht durch Schauspieler besetzt werden, die singen können, sondern auch Musical-Darsteller, die gut schauspielern können, passen zur Inszenierung.
Fazit: Nett! Ein netter Abend, nett gemacht, nette Musik und Schauspieler, vielleicht alles ein wenig zu gemächlich und harmlos. Shakespeare als Musical ist legitim, aber Shakespeare ist halt auch noch viel mehr. Schade, daß das Schauspiel des Badischen Staatstheaters das seinem Publikum (bisher) nicht zumuten will. Es gab in Karlsruhe vor wenigen Jahren eine Inszenierung des Sommernachtstraums, die leidenschaftlicher und überbordender war und hör- und sichtbar mehr Begeisterung auslöste. Trotzdem lohnt sich der Besuch dieser Version.
PS(1): Wende zum Besseren in Sicht?
Im dritten Jahr häufen sich rund um das Karlsruher Schauspiel die Anzeichen dafür, daß man sich zu akklimatisieren scheint. Es gibt mehr gelungene Produktionen, Mißerfolge werde schneller eliminiert und man hat endlich Zugang zu Komödien gefunden. Das Training-on-the-Job scheint bei den Verantwortlichen erste Resultate zu zeigen. Wenn jetzt noch im vierten Jahr solche Pleiten mit Ansage wie Endstation Sehnsucht wegfallen und man bei der Programmzusammenstellung das plakative Zweckhandwerk der Zielgruppenorientierung überwindet und sich öfters erfolgreich im Original-Schauspiel qualifiziert, dann ist man endlich auf dem richtigen Weg. Denn nach den Erfahrungen der letzten beiden Spielzeiten könnte man die Musical-Version auch anders deuten: Viel Musik und stark gekürzter Text - Der neue Karlsruher Sommernachtstraum zeigt wieder, daß man dem gesprochenen Wort nicht vertraut und nicht an die Kraft des Autors und des Stücks glaubt oder sogar nichts damit anzufangen weiß. Von einem Staatstheater kann man mehr erwarten und Ansätze dazu sind bei dieser Inszenierung zu spüren. Nur schade, daß das Programm der kommenden Monate so wenig Spannung verspricht.
PS(2): Einen Stich ins Herz versetzt man in Karlsruhe einem Schauspiel-erfahrenem Publikum durch die Begründung für diese Form der gekürzten und musikalisch ergänzten Umsetzung des Sommernachtstraum. Die obigen Absichten der Musical-Version werden verschleiert. Das Programmheft des Badischen Staatstheater betont eine angebliche Skepsis von sogenannten "Experten" gegenüber Shakespeares Sommernachtstraum: Das Publikum liebt es zwar, aber "von Literaturwissenschaftlern wird es jedoch kritisch beäugt.... Die Tradition der Geringschätzung reicht weit in die Vergangenheit zurück". Um die Schwächen des Stücks auszugleichen entschied man sich in Karlsruhe dafür, "den Sommernachtstraum mit Liedern anzureichern". Das ist schon eine arge Verdrehung. Das Karlsruher Schauspiel scheint also dieses mängelbehaftete Werk des überschätzten Shakespeare durch musikalische "Bereicherungen" für sein Publikum erträglich machen zu wollen. Vor wenigen Jahren bewies die letzte Karlsruher Inszenierung das Gegenteil.
Team und Besetzung:
Oberon: Tim Grobe
Titania: Antonia Mohr
Egeus, Puck: André Wagner
Elfe: David Rynkowski
Lysander: Matthias Lamp
Demetrius: Jan Andreesen
Hermia: Sophia Löffler
Helena: Florentine Krafft
Zettel (Pyramus): Robert Besta
Squenz (Prolog): Gunnar Schmidt
Flaut (Thisbe): Michel Brandt
Schnauz (Wand / Mond): Daniel Friedl
Schlucker (Löwe): Andreas Ricci
Regie: Daniel Pfluger
Bühne: Flurin Borg Madsen
Kostüme: Janine Werthmann
Lieder von Tobias Gralke & Clemens Rynkowski
Musik von Clemens Rynkowski
Musikalische Leitung: Clemens Rynkowski, Florian Rynkowski
Klavier, Harmonium, Celesta: Clemens Rynkowski
Percussion, Drumset, Schlagwerk: Jakob Dinkelacker
Bassklarinette, Saxophon, Piccolo: Sven Pudil
Bass, Gitarre: Florian Rynkowski
Vocals, Keyboard: David Rynkowski
Posaune, Sousaphone, Tuba: Jochen Welsch
Bratsche: Agata Zieba
Dienstag, 4. Februar 2014
4.Symphoniekonzert, 03.02.2014
Spirituelle Chor-Musik von französischen Katholiken und eine Mini-Oper - das vierte Symphoniekonzert war fast schon überreich an Eindrücken und hervorragend zusammengestellt!
Francis Poulenc komponierte die Litanies à la Vierge noire nach dem Autounfall eines Freundes, der Poulenc tief erschütterte und einen sehr starken Einfluß auf sein Leben und eine religiöse Rückbesinnung auslöste. Dieses kurze und dichte Werk für Frauenchor ist von überwiegend meditativer Einfachheit und das Resultat einer Wallfahrt zu schwarzen Madonna von Roc-Amadour. Poulencs Oper Dialogues des Carmélites wäre auch mal ein Kandidat für die Karlsruher Opernbühne!
Olivier Messiaen ist einer der Komponisten, dessen Namen bei Experten mit viel Respekt und fast schon Ehrfurcht verbunden wird. Seine Klangwelt hat etwas Unvergleichbares und Individuelles, seien es nun die immer wieder in der Natur notierten und dann vertonten Vogelstimmen (man denke nur an die Vogelpredigt in der Oper St. François d’Assise, die den Tieren als Verbindung zwischen Himmel und Erde Bedeutung verleiht), die originelle Instrumentierung und die Vorliebe bspw. für die Ondes Martenot (also das elektronische Tasteninstrument, das so prominent in der Turangalîla-Symphonie eingesetzt wird) oder sein katholisch-spiritueller Hintergrund als tiefgläubiger Christ. Gestern waren nun die Trois petites liturgies de la présence divine für Frauenchor, Klavier (sehr gut gespielt von Miho Uchida), Ondes Martenot (Nathalie Forget, die in der Pause einigen Zuschauern ihr Instrument erläuterte) und Orchester zu hören und bewiesen einen hohen musikalischen Reichtum zwischen den heute wie in die Jahre gekommene Science Fiction klingenden Tönen der Ondes Martenot und groß angelegten Breitwandklängen. Ein Werk von phantastisch-mystischer Gläubigkeit, die sich zwischendurch steigert zu religiöser Ekstase - reizvoll und zugleich auch sehr seltsam und eigen.
Nach der Pause dann Oedipus Rex, ein Opern-Oratorium in zwei Akten nach Sophokles von Igor Strawinsky. Die Ödipus Tragödie als Beispiel unerbittlicher Schicksalhaftigkeit wird hier in einer Form umgesetzt und gekürzt, die beim Publikum Vertrautheit mit dem Stoff voraussetzt. Die Handlung ist nur innerlich, die Figuren haben etwas unbewegt statuenhaftes. Ein Sprecher gibt Erläuterungen und das ganze Werk ist ebenfalls sehr reizvoll und seltsam zugleich - eine Mischung aus sakraler Pathetik und ironischer Distanz, streng und doch impulsiv und voller Ausdruck. Man bezeichnete Strawinskys Neoklassizismus als Musik über Musik, als heterogene Stilkopien mit Anklängen an andere Epochen und Komponisten. Die Wucht des Chores erinnerte gestern bspw. an Verdis Requiem und man hört, daß Carl Orff sich bei Strawinsky Inspiration holte.
Ein musikalisch sehr spannendes und gelungenes Konzert. Badischer Staatsopernchor und Extrachor waren wie gewohnt sicher von Ulrich Wagner vorbereitet, die Solisten trugen ihre Partien intensiv vor und Justin Brown und die Badische Staatskapelle sind bei den Symphoniekonzerten nun schon seit geraumer Zeit immer in hervorragender Form. BRAVO! Es gab sehr lang anhaltenden Applaus für dieses ungewöhnliche Konzert.
Besetzung Oedipus Rex
Oedipus: Matthias Wohlbrecht
Jokaste: Ewa Wolak
Kreon: Renatus Meszar
Tiresias: Luiz Molz
Bote: Renatus Meszar
Hirte: Steven Ebel
Sprecher: Gunnar Schmidt
Francis Poulenc komponierte die Litanies à la Vierge noire nach dem Autounfall eines Freundes, der Poulenc tief erschütterte und einen sehr starken Einfluß auf sein Leben und eine religiöse Rückbesinnung auslöste. Dieses kurze und dichte Werk für Frauenchor ist von überwiegend meditativer Einfachheit und das Resultat einer Wallfahrt zu schwarzen Madonna von Roc-Amadour. Poulencs Oper Dialogues des Carmélites wäre auch mal ein Kandidat für die Karlsruher Opernbühne!
Olivier Messiaen ist einer der Komponisten, dessen Namen bei Experten mit viel Respekt und fast schon Ehrfurcht verbunden wird. Seine Klangwelt hat etwas Unvergleichbares und Individuelles, seien es nun die immer wieder in der Natur notierten und dann vertonten Vogelstimmen (man denke nur an die Vogelpredigt in der Oper St. François d’Assise, die den Tieren als Verbindung zwischen Himmel und Erde Bedeutung verleiht), die originelle Instrumentierung und die Vorliebe bspw. für die Ondes Martenot (also das elektronische Tasteninstrument, das so prominent in der Turangalîla-Symphonie eingesetzt wird) oder sein katholisch-spiritueller Hintergrund als tiefgläubiger Christ. Gestern waren nun die Trois petites liturgies de la présence divine für Frauenchor, Klavier (sehr gut gespielt von Miho Uchida), Ondes Martenot (Nathalie Forget, die in der Pause einigen Zuschauern ihr Instrument erläuterte) und Orchester zu hören und bewiesen einen hohen musikalischen Reichtum zwischen den heute wie in die Jahre gekommene Science Fiction klingenden Tönen der Ondes Martenot und groß angelegten Breitwandklängen. Ein Werk von phantastisch-mystischer Gläubigkeit, die sich zwischendurch steigert zu religiöser Ekstase - reizvoll und zugleich auch sehr seltsam und eigen.
Nach der Pause dann Oedipus Rex, ein Opern-Oratorium in zwei Akten nach Sophokles von Igor Strawinsky. Die Ödipus Tragödie als Beispiel unerbittlicher Schicksalhaftigkeit wird hier in einer Form umgesetzt und gekürzt, die beim Publikum Vertrautheit mit dem Stoff voraussetzt. Die Handlung ist nur innerlich, die Figuren haben etwas unbewegt statuenhaftes. Ein Sprecher gibt Erläuterungen und das ganze Werk ist ebenfalls sehr reizvoll und seltsam zugleich - eine Mischung aus sakraler Pathetik und ironischer Distanz, streng und doch impulsiv und voller Ausdruck. Man bezeichnete Strawinskys Neoklassizismus als Musik über Musik, als heterogene Stilkopien mit Anklängen an andere Epochen und Komponisten. Die Wucht des Chores erinnerte gestern bspw. an Verdis Requiem und man hört, daß Carl Orff sich bei Strawinsky Inspiration holte.
Ein musikalisch sehr spannendes und gelungenes Konzert. Badischer Staatsopernchor und Extrachor waren wie gewohnt sicher von Ulrich Wagner vorbereitet, die Solisten trugen ihre Partien intensiv vor und Justin Brown und die Badische Staatskapelle sind bei den Symphoniekonzerten nun schon seit geraumer Zeit immer in hervorragender Form. BRAVO! Es gab sehr lang anhaltenden Applaus für dieses ungewöhnliche Konzert.
Besetzung Oedipus Rex
Oedipus: Matthias Wohlbrecht
Jokaste: Ewa Wolak
Kreon: Renatus Meszar
Tiresias: Luiz Molz
Bote: Renatus Meszar
Hirte: Steven Ebel
Sprecher: Gunnar Schmidt
Freitag, 31. Januar 2014
Shakespeare - Ein Sommernachtstraum ..... ein Bericht erfolgt hier erst später
Vielen Dank für Ihren Besuch dieser Seiten!
Allerdings konnte ich die gestrige Premiere des Sommernachtstraum nicht besuchen und werde mir erst im Februar eine Vorstellung ansehen.
An einem Tag (und sogar schon in der Nacht) nach einer Premiere schnellen die Besucherzahlen dieser Seiten stets deutlich nach oben und lassen erkennen, welches Prestige ein Stück besitzt. Die Premiere der Fledermaus war in dieser Hinsicht in dieser Spielzeit der klare Spitzenreiter. Über einen längeren Zeitraum lässt sich ein anderes Muster erkennen, das obige Beobachtung ergänzt: umso mehr Emotionen eine Produktion des Badischen Staatstheaters auslöst, desto häufiger wollen sich Vorstellungsbesucher darüber informieren und landen auf diesen Seiten. Und zum Abschluß eine dritte Beobachtung: weniger gelungene Produktion führen zu mehr Kommentaren. Es scheint wichtiger für das emotionale Gleichgewicht, Unzufriedenheit oder Ärger zu artikulieren statt Zufriedenheit und Freude.
Schon wieder Sommernachtstraum?
Es ist meines Erachtens eine mutige Entscheidung des Karlsruher Schauspiels, Shakespeares Sommernachtstraum ins Programm zu nehmen. Immerhin liegt die letzte Inszenierung nur wenige Jahre zurück und war ein grandioser Erfolg und eine der schönsten Produktionen des letzten Jahrzehnts. Ich selber sah sie mehrfach. Jan Linders stellt sich also dem Vergleich. Nach den bisher stets zu seinen Ungunsten verlaufenen Vergleichen der letzten beiden Spielzeiten ist das mutig und hoffentlich wird diesmal sein Mut belohnt. Da der Sommernachtstraum auch eines meiner persönlichen Lieblingsstücke ist, liegen meine Erwartungen hoch und die Vorfreude ist groß. Falls Sie in der Premiere waren, schreiben Sie mir doch einen Kommentar mit Ihren Eindrücken!
NACHTRAG: Ein Vorstellungseindruck findet sich inzwischen hier.
Die große Dürre - Zur restlichen Spielzeit 2013/14
Die Spielzeit geht noch knapp 6 Monate. Dennoch ist sie fast schon vorbei. Nichts spannendes Neues scheint in den kommenden Monaten auf die Bühne des Schauspiels zu kommen. Diese dritte Spielzeit zeigte bisher gute Tendenzen. Nun beginnt die große Dürre. Was wird den Schauspielbesuchern noch geboten? Im Schauspielpremieren-Abonnement sind noch drei Vorstellungen:
Was kann man also als Zuschauer des Sprechtheaters noch besuchen? Große Überraschungserfolge gehören nun nicht gerade ins aktuelle Karlsruher Schauspiel-Repertoire. Ich hoffe dennoch ein wenig auf eine Überraschung bei GAS I & II und schaue mir sonst wieder die Spielpläne von Frankfurt und Stuttgart an. Dantons Tod in Baden-Baden hat sehr gute Kritiken bekommen. Das wäre auch mal ein spannender Vergleich.
Allerdings konnte ich die gestrige Premiere des Sommernachtstraum nicht besuchen und werde mir erst im Februar eine Vorstellung ansehen.
An einem Tag (und sogar schon in der Nacht) nach einer Premiere schnellen die Besucherzahlen dieser Seiten stets deutlich nach oben und lassen erkennen, welches Prestige ein Stück besitzt. Die Premiere der Fledermaus war in dieser Hinsicht in dieser Spielzeit der klare Spitzenreiter. Über einen längeren Zeitraum lässt sich ein anderes Muster erkennen, das obige Beobachtung ergänzt: umso mehr Emotionen eine Produktion des Badischen Staatstheaters auslöst, desto häufiger wollen sich Vorstellungsbesucher darüber informieren und landen auf diesen Seiten. Und zum Abschluß eine dritte Beobachtung: weniger gelungene Produktion führen zu mehr Kommentaren. Es scheint wichtiger für das emotionale Gleichgewicht, Unzufriedenheit oder Ärger zu artikulieren statt Zufriedenheit und Freude.
Schon wieder Sommernachtstraum?
Es ist meines Erachtens eine mutige Entscheidung des Karlsruher Schauspiels, Shakespeares Sommernachtstraum ins Programm zu nehmen. Immerhin liegt die letzte Inszenierung nur wenige Jahre zurück und war ein grandioser Erfolg und eine der schönsten Produktionen des letzten Jahrzehnts. Ich selber sah sie mehrfach. Jan Linders stellt sich also dem Vergleich. Nach den bisher stets zu seinen Ungunsten verlaufenen Vergleichen der letzten beiden Spielzeiten ist das mutig und hoffentlich wird diesmal sein Mut belohnt. Da der Sommernachtstraum auch eines meiner persönlichen Lieblingsstücke ist, liegen meine Erwartungen hoch und die Vorfreude ist groß. Falls Sie in der Premiere waren, schreiben Sie mir doch einen Kommentar mit Ihren Eindrücken!
NACHTRAG: Ein Vorstellungseindruck findet sich inzwischen hier.
Die große Dürre - Zur restlichen Spielzeit 2013/14
Die Spielzeit geht noch knapp 6 Monate. Dennoch ist sie fast schon vorbei. Nichts spannendes Neues scheint in den kommenden Monaten auf die Bühne des Schauspiels zu kommen. Diese dritte Spielzeit zeigte bisher gute Tendenzen. Nun beginnt die große Dürre. Was wird den Schauspielbesuchern noch geboten? Im Schauspielpremieren-Abonnement sind noch drei Vorstellungen:
- Maienschlager von Katharina Gericke ist für ein jugendliches Publikum und behandelt die fast schon wie ein klischeehaft konstruiertes Symbol klingende homosexuelle Liebe zwischen einem 16jährigen Hitler-Jungen und einem 15jährigen Juden im Jahre 1938. Bei besten Absichten besteht oft etwas Kitschgefahr ....
- GAS I & II aus der Sozialen Trilogie von Georg Kaiser ist historisch von Interesse. Die Koproduktion mit den Ruhrfestspielen Recklinghausen löste dort 2013 anscheinend wenig Begeisterung aus.
- Und die letzte Premiere der Spielzeit scheint zu entfallen: die Adaption von Hermann Hesses Roman Glasperlenspiel ist sang- und klanglos aus dem Programm verschwunden. Man kann gespannt sein, was nun im Abo als Ersatz geboten wird.
- Im Studio scheint auch nur noch eine Doku-Soap über die NSU und ein neues ukrainisches Stück zu kommen
Was kann man also als Zuschauer des Sprechtheaters noch besuchen? Große Überraschungserfolge gehören nun nicht gerade ins aktuelle Karlsruher Schauspiel-Repertoire. Ich hoffe dennoch ein wenig auf eine Überraschung bei GAS I & II und schaue mir sonst wieder die Spielpläne von Frankfurt und Stuttgart an. Dantons Tod in Baden-Baden hat sehr gute Kritiken bekommen. Das wäre auch mal ein spannender Vergleich.
Montag, 27. Januar 2014
Vorschau: Händel Festspiele 2015
Hier ein erster Ausblick auf 2015:
TESEO
Mit Invernizzi, Arias Fernandez, Hindrichs – Sabadus, Ferri-Benedetti, Wey
Regie: ???
Dirigent: Michael Form
Premiere 20.2.15, weitere Aufführungen 22.2., 25.2., 27.2., 1.3.
RICCARDO PRIMO
Mit Hindrichs, Lefilliâtre – Fagioli, Abadie, Tamagna, Finden
Dirigent: Paul Goodwin (anstelle von Michael Hofstetter, so meldet es da Badische Staatstheater im März)
WA-Premiere 24.2.15, weitere Aufführungen 26.2. & 28.2.
Galakonzert VESSELINA KASAROVA
Dirigent: Richard Baker
02.03.15
Teseo aus dem Jahr 1713 ist eine der Händel Opern, die in Karlsruhe noch nicht gespielt wurden. Dazu eine hochkarätige Besetzung bei den Sängern! Beste Aussichten also auch für die Händel Festspiele im nächsten Jahr und ein Bravo! und Vielen Dank! an Festspielleiter Dr. Bernd Feuchtner!
Zusätzlich gibt es noch dieses Jahr ein Konzert mit Max Emanuel Cencic am 28. September 2014 mit Arien von Johann Adolph Hasse!
PS: Liebes Badisches Staatstheater, als Barock-Opernfan würde ich am liebsten sofort meine Eintrittskarten für 2015 kaufen. Bei der Wiederaufnahme von Riccardo Primo wäre es schön, wenn Abonnenten wieder ein Vorverkaufsrecht bekommen!
TESEO
Mit Invernizzi, Arias Fernandez, Hindrichs – Sabadus, Ferri-Benedetti, Wey
Regie: ???
Dirigent: Michael Form
Premiere 20.2.15, weitere Aufführungen 22.2., 25.2., 27.2., 1.3.
RICCARDO PRIMO
Mit Hindrichs, Lefilliâtre – Fagioli, Abadie, Tamagna, Finden
Dirigent: Paul Goodwin (anstelle von Michael Hofstetter, so meldet es da Badische Staatstheater im März)
WA-Premiere 24.2.15, weitere Aufführungen 26.2. & 28.2.
Galakonzert VESSELINA KASAROVA
Dirigent: Richard Baker
02.03.15
Teseo aus dem Jahr 1713 ist eine der Händel Opern, die in Karlsruhe noch nicht gespielt wurden. Dazu eine hochkarätige Besetzung bei den Sängern! Beste Aussichten also auch für die Händel Festspiele im nächsten Jahr und ein Bravo! und Vielen Dank! an Festspielleiter Dr. Bernd Feuchtner!
Zusätzlich gibt es noch dieses Jahr ein Konzert mit Max Emanuel Cencic am 28. September 2014 mit Arien von Johann Adolph Hasse!
PS: Liebes Badisches Staatstheater, als Barock-Opernfan würde ich am liebsten sofort meine Eintrittskarten für 2015 kaufen. Bei der Wiederaufnahme von Riccardo Primo wäre es schön, wenn Abonnenten wieder ein Vorverkaufsrecht bekommen!
Sonntag, 26. Januar 2014
Adams - Dr. Atomic, 25.01.2014
Das Badische Staatstheater blieb sich bei der gestrigen Opernpremiere von Dr. Atomic in zweifacher Hinsicht treu: erneut gelang es bei einer zeitgenössischen und weitgehend unbekannten Oper deutlich interessanter und origineller zu sein, als bei den bekannten Publikumszugpferden. Dennoch ist man am ganz großen Erfolg vorbeigeschrammt. Dabei muß man eines klar feststellen: Den visuell sensationellen 1. Akt muß man gesehen haben! Nach der Pause baut die Inszenierung zwar ziemlich ab, aber das Ereignis des ersten Akts überwog beim Premierenpublikum und alle Beteiligten bekamen viel Applaus.
Worum geht es (1)?
Adams' Oper thematisiert die Zündung des ersten Atombombentests am 15.07.1945 (bereits am 6. August 1945 wurde dann Hiroshima verwüstet, am 9. August Nagasaki) und konzentriert sich auf wenige Personen und deren Empfinden. Es passiert also wenig, man diskutiert und erwartet das Ge- oder Mißlingen des ersten Tests. Der erste Akt spielt in den Tagen zuvor und endet in der Nacht vor der ersten Atombombenzündung. Der zweite Akt behandelt die letzten Stunden hin bis zum Countdown und ist fast ohne Handlung. Das Geschehen ist überwiegend innerlich. Ein Schwachpunkt dieser Oper ist das Libretto, das aus Aktennotizen und Berichten sowie mit literarischen Texten und Zitaten zusammengesetzt (manch einer würde sagen: zusammengestückelt) ist und immer wieder versucht, Bedeutsamkeit zu behaupten, wo es an Bedeutung mangelt.
Worum geht es (2)? - Geschichtlicher Hintergrund
Im Dezember 1938 gelang den Chemikern Otto Hahn und seinem Assistenten Fritz Straßmann in Berlin am Kaiser-Wilhelm-Institut für Chemie die erste Kernspaltung von Uran - ein epochales Wissenschaftsereignis: Hahn erhielt dafür 1944 den Nobelpreis für Chemie. Hahns frühere Assistentin Lise Meitner, die wegen den Nazis nach Schweden emigriert war, lieferte dazu die richtige theoretische Deutung. Der dänische Physiker Niels Bohr erzählte Anfang 1939 auf einer Reise durch die USA Albert Einstein von dem geglückten Experiment. Einstein schrieb noch im gleichen Jahr an den amerikanischen Präsidenten Roosevelt eine Warnung, im März 1940 forderte der Pazifist Einstein Roosevelt in einem zweiten Brief auf, etwas zu tun. Doch erst im Herbst 1941 begannen die USA Maßnahmen einzuleiten - das Projekt unter dem Decknamen Manhattan. Einstein war nicht involviert: man traute ihm nicht. Der amerikanische Physiker Robert Oppenheimer war der führende US-amerikanische Theoretiker und wurde der Direktor der geheimen Forschungseinrichtung im Los Alamos im Bundesstaat New Mexico. Die militärischen Leitung hatte General Leslie Grove.
Ein Vielzahl berühmter Wissenschaftler arbeite an dem Projekt, unter ihnen auch der ungarische Forscher Edward Teller, der an der Technischen Hochschule in Karlsruhe studiert hatte und später der militärischen Forschung treu blieb und nach dem zweiten Weltkrieg als der "Vater der Wasserstoffbombe" bezeichnet wurde, also einer Bombe, die ihre Energie nicht aus Kernspaltung, sondern aus Kernfusion bezog. Teller spielte eine ambivalente Rolle im Projekt Manhattan und hatte eine problematische Persönlichkeit. Er fühlte sich übergangen und weigerte sich bei den Berechnungen zur Kernspaltungsbombe mitzuarbeiten. Teller denunzierte später Oppenheimer als Risikofaktor und sorgte dafür, daß er keine verantwortliche Position bei Folgeforschungen erhielt. (Im wenig verständlichen zweiten Akt der Karlsruher Inszenierung gibt es eine Szene, in der Teller Oppenheimer mit einem Messer in den Rücken sticht).
Was ist zu sehen?
Vor wenigen Jahren konnte die Kunstgattung Oper ihren 400. Geburtstag feiern und ein Erfolgsgeheimnis dieser Kunstform ist es, alle anderen Künste integrieren zu können. Große Autoren schrieben Libretti, bildende Künstler und sogar Architekten gestalteten Bühne und Kostüme, aus allen Bereichen gewann man Mitarbeiter und Regisseure, die neue Ideen einbrachten und auch neue technische Möglichkeiten gaben nie gesehene Faszination. Die Oper ist große Kunstfusion und Fusionskunst. Und das ist auch der Verdienst und Ruhm des ersten Akts der Karlsruher Inszenierung: Das Bühnengeschehen ist komplett in eine Zeichentrickanimation eingefügt und die Bühnenwirkung ist großartig. Ich kann mich nur wiederholen: das muß man gesehen haben! Ein Bravo an das Animationsteam: Benedikt Dichgans, Philipp Engelhardt und Andreas Grindler. Oper auf der Höhe der Zeit und vor allem geht es hier nicht um Effekte um des Effekts willen, sondern um den angemessenen und perfekt passenden ästhetischen Ausdruck zur Oper. Das Libretto bietet wie erwähnt wenig Handlung, die Texte sind überwiegend literarische oder dokumentarisch überlieferte Zitate, die kaum ihre Figur charakterisieren. Regisseur Yuval Sharon: "So entstand die Idee, die Sprache von Comics zu nutzen. .... Jede der Figuren ist zugespitzt, sie sind stark, kommen aber nacheinander, so dass kein dreidimensionales Bild entsteht. Die Komplexität des Stoffes entsteht im Kopf des Zuschauers. Genau so funktionieren auch Comics, deshalb wollte ich diesen Akt in einer Comic-Sprache auf die Bühne bringen." Der erste Akt ist ein großer Wurf und bekam sehr langen Applaus und Bravos zur Pause.
Der zweite Akt ....... schade, schade, schade! Es gibt keine Animation, sondern nur eine leere Bühne. Der Regisseur hierzu: "Im zweiten Akt gibt es eine völlig andere Handlungsweise als im ersten Akt. Obwohl wir das Ziel kennen, ist der zweite Akt nicht mehr zielstrebig, sondern schwebend. Deshalb haben wir uns für ein leeres Blatt Papier entschieden, auf dem eine Welt entstehen, aber auch vernichtet werden könnte. Es ist doch auch erstaunlich, dass eine Formel auf einem Millimeterpapier die ganze Welt verändern kann!"
Die letzten Stunden vor der Explosion ziehen sich in surreale Länge und Langeweile. Figuren laufen und stehen herum und warten und sinnen und schauen und machen scheinbar bedeutungsvolle Bewegungen. Der Chor kommt auf die Bühne und geht wieder ab, und das mehrfach. Es ist so schade, daß der Regisseur das Geschehen so verfremdend und verwirrend darstellt. Die wachsende Ratlosigkeit und Enttäuschung war beim Publikum im Verlauf des zweiten Akts fast schon mit Händen greifbar. Spannend wird es wieder gegen Ende während des Countdowns, doch das rettet nicht diesen Teil der Oper vor einer spröden Starrheit.
Was ist zu hören?
Seit dem großen Erfolg des Balletts Siegfried ist der amerikanische Komponist John Adams (*1947) vielen Besuchern des Badischen Staatstheaters zumindest ein akustischer Begriff. Nun kann man ihn auch als Opernkomponisten entdecken. Dr. Atomic wurde 2005 in San Francisco uraufgeführt, 2010 erfolgte die deutsche Erstaufführung und in dieser Spielzeit wird die Oper auch in Straßburg gespielt. Nicht immer klingt Adams in Dr. Atomic unverkennbar nach Adams. Die textlichen und dramaturgischen Schwächen des Librettos können auch musikalisch nicht ausgeglichen werden, dafür ist die Musiksprache zu heterogen und unruhig. Johannes Willig leitet das Orchester souverän durch die Klangmassen und bewies wieder, daß die Badische Staatskapelle alles spielen kann.
Beim ersten Hören von Dr. Atomic fällt besonders die bekannteste Arie Batter my heart auf, die am Ende des ersten Akts gespielt wird (und unverkennbar nach Adams klingt). Armin Kolarczyk, die schönste und charaktervollste Baritonstimme der Karlsruher Oper und einer der wirklichen Publikumslieblinge, singt sie ergreifend und intensiv und bekam am Ende des Abends die meisten Bravos. Überhaupt ist man wieder auf gewohnt sehr hohem Niveau und alle Sänger tragen ihren Anteil bei. Hervorheben muß man die beiden Sängerinnen. Katharine Tier, die die größte Rolle neben Kolarczyk stimmstark meistert und die stimmschöne Dilara Baştar, die zwar noch im Opernstudio ist, aber hoffentlich noch darüber hinaus in Karlsruhe gehalten wird.
Ein großes Lob geht an den Chor, der eine Vielzahl von Stimmungen vermitteln muß -gehetzt, geschäftig, flehend, furchtvoll- und dazu in komplexen musikalischen Strukturen.
Fazit: Inszenatorisch zwischen Top und Flop. Doch den ersten Akt muß man gesehen haben und darf man als Opernfreund nicht verpassen!
Besetzung und Team:
Robert Oppenheimer: Armin Kolarczyk
Kitty Oppenheimer: Katharine Tier
General Leslie Groves: Renatus Meszar
Robert Wilson: Steven Ebel
Jack Hubbard: Jaco Venter
Edward Teller: Lucas Harbour
Kapitän James Nolan: Klaus Schneider
Pasqualita: Dilara Baştar
Musikalische Leitung: Johannes Willig
Regie: Yuval Sharon
Bühne: Dirk Becker
Kostüme: Sarah Rolke
Animation: Benedikt Dichgans, Philipp Engelhardt, Andreas Grindler
Worum geht es (1)?
Adams' Oper thematisiert die Zündung des ersten Atombombentests am 15.07.1945 (bereits am 6. August 1945 wurde dann Hiroshima verwüstet, am 9. August Nagasaki) und konzentriert sich auf wenige Personen und deren Empfinden. Es passiert also wenig, man diskutiert und erwartet das Ge- oder Mißlingen des ersten Tests. Der erste Akt spielt in den Tagen zuvor und endet in der Nacht vor der ersten Atombombenzündung. Der zweite Akt behandelt die letzten Stunden hin bis zum Countdown und ist fast ohne Handlung. Das Geschehen ist überwiegend innerlich. Ein Schwachpunkt dieser Oper ist das Libretto, das aus Aktennotizen und Berichten sowie mit literarischen Texten und Zitaten zusammengesetzt (manch einer würde sagen: zusammengestückelt) ist und immer wieder versucht, Bedeutsamkeit zu behaupten, wo es an Bedeutung mangelt.
Worum geht es (2)? - Geschichtlicher Hintergrund
Im Dezember 1938 gelang den Chemikern Otto Hahn und seinem Assistenten Fritz Straßmann in Berlin am Kaiser-Wilhelm-Institut für Chemie die erste Kernspaltung von Uran - ein epochales Wissenschaftsereignis: Hahn erhielt dafür 1944 den Nobelpreis für Chemie. Hahns frühere Assistentin Lise Meitner, die wegen den Nazis nach Schweden emigriert war, lieferte dazu die richtige theoretische Deutung. Der dänische Physiker Niels Bohr erzählte Anfang 1939 auf einer Reise durch die USA Albert Einstein von dem geglückten Experiment. Einstein schrieb noch im gleichen Jahr an den amerikanischen Präsidenten Roosevelt eine Warnung, im März 1940 forderte der Pazifist Einstein Roosevelt in einem zweiten Brief auf, etwas zu tun. Doch erst im Herbst 1941 begannen die USA Maßnahmen einzuleiten - das Projekt unter dem Decknamen Manhattan. Einstein war nicht involviert: man traute ihm nicht. Der amerikanische Physiker Robert Oppenheimer war der führende US-amerikanische Theoretiker und wurde der Direktor der geheimen Forschungseinrichtung im Los Alamos im Bundesstaat New Mexico. Die militärischen Leitung hatte General Leslie Grove.
Ein Vielzahl berühmter Wissenschaftler arbeite an dem Projekt, unter ihnen auch der ungarische Forscher Edward Teller, der an der Technischen Hochschule in Karlsruhe studiert hatte und später der militärischen Forschung treu blieb und nach dem zweiten Weltkrieg als der "Vater der Wasserstoffbombe" bezeichnet wurde, also einer Bombe, die ihre Energie nicht aus Kernspaltung, sondern aus Kernfusion bezog. Teller spielte eine ambivalente Rolle im Projekt Manhattan und hatte eine problematische Persönlichkeit. Er fühlte sich übergangen und weigerte sich bei den Berechnungen zur Kernspaltungsbombe mitzuarbeiten. Teller denunzierte später Oppenheimer als Risikofaktor und sorgte dafür, daß er keine verantwortliche Position bei Folgeforschungen erhielt. (Im wenig verständlichen zweiten Akt der Karlsruher Inszenierung gibt es eine Szene, in der Teller Oppenheimer mit einem Messer in den Rücken sticht).
Was ist zu sehen?
Vor wenigen Jahren konnte die Kunstgattung Oper ihren 400. Geburtstag feiern und ein Erfolgsgeheimnis dieser Kunstform ist es, alle anderen Künste integrieren zu können. Große Autoren schrieben Libretti, bildende Künstler und sogar Architekten gestalteten Bühne und Kostüme, aus allen Bereichen gewann man Mitarbeiter und Regisseure, die neue Ideen einbrachten und auch neue technische Möglichkeiten gaben nie gesehene Faszination. Die Oper ist große Kunstfusion und Fusionskunst. Und das ist auch der Verdienst und Ruhm des ersten Akts der Karlsruher Inszenierung: Das Bühnengeschehen ist komplett in eine Zeichentrickanimation eingefügt und die Bühnenwirkung ist großartig. Ich kann mich nur wiederholen: das muß man gesehen haben! Ein Bravo an das Animationsteam: Benedikt Dichgans, Philipp Engelhardt und Andreas Grindler. Oper auf der Höhe der Zeit und vor allem geht es hier nicht um Effekte um des Effekts willen, sondern um den angemessenen und perfekt passenden ästhetischen Ausdruck zur Oper. Das Libretto bietet wie erwähnt wenig Handlung, die Texte sind überwiegend literarische oder dokumentarisch überlieferte Zitate, die kaum ihre Figur charakterisieren. Regisseur Yuval Sharon: "So entstand die Idee, die Sprache von Comics zu nutzen. .... Jede der Figuren ist zugespitzt, sie sind stark, kommen aber nacheinander, so dass kein dreidimensionales Bild entsteht. Die Komplexität des Stoffes entsteht im Kopf des Zuschauers. Genau so funktionieren auch Comics, deshalb wollte ich diesen Akt in einer Comic-Sprache auf die Bühne bringen." Der erste Akt ist ein großer Wurf und bekam sehr langen Applaus und Bravos zur Pause.
Der zweite Akt ....... schade, schade, schade! Es gibt keine Animation, sondern nur eine leere Bühne. Der Regisseur hierzu: "Im zweiten Akt gibt es eine völlig andere Handlungsweise als im ersten Akt. Obwohl wir das Ziel kennen, ist der zweite Akt nicht mehr zielstrebig, sondern schwebend. Deshalb haben wir uns für ein leeres Blatt Papier entschieden, auf dem eine Welt entstehen, aber auch vernichtet werden könnte. Es ist doch auch erstaunlich, dass eine Formel auf einem Millimeterpapier die ganze Welt verändern kann!"
Die letzten Stunden vor der Explosion ziehen sich in surreale Länge und Langeweile. Figuren laufen und stehen herum und warten und sinnen und schauen und machen scheinbar bedeutungsvolle Bewegungen. Der Chor kommt auf die Bühne und geht wieder ab, und das mehrfach. Es ist so schade, daß der Regisseur das Geschehen so verfremdend und verwirrend darstellt. Die wachsende Ratlosigkeit und Enttäuschung war beim Publikum im Verlauf des zweiten Akts fast schon mit Händen greifbar. Spannend wird es wieder gegen Ende während des Countdowns, doch das rettet nicht diesen Teil der Oper vor einer spröden Starrheit.
Was ist zu hören?
Seit dem großen Erfolg des Balletts Siegfried ist der amerikanische Komponist John Adams (*1947) vielen Besuchern des Badischen Staatstheaters zumindest ein akustischer Begriff. Nun kann man ihn auch als Opernkomponisten entdecken. Dr. Atomic wurde 2005 in San Francisco uraufgeführt, 2010 erfolgte die deutsche Erstaufführung und in dieser Spielzeit wird die Oper auch in Straßburg gespielt. Nicht immer klingt Adams in Dr. Atomic unverkennbar nach Adams. Die textlichen und dramaturgischen Schwächen des Librettos können auch musikalisch nicht ausgeglichen werden, dafür ist die Musiksprache zu heterogen und unruhig. Johannes Willig leitet das Orchester souverän durch die Klangmassen und bewies wieder, daß die Badische Staatskapelle alles spielen kann.
Beim ersten Hören von Dr. Atomic fällt besonders die bekannteste Arie Batter my heart auf, die am Ende des ersten Akts gespielt wird (und unverkennbar nach Adams klingt). Armin Kolarczyk, die schönste und charaktervollste Baritonstimme der Karlsruher Oper und einer der wirklichen Publikumslieblinge, singt sie ergreifend und intensiv und bekam am Ende des Abends die meisten Bravos. Überhaupt ist man wieder auf gewohnt sehr hohem Niveau und alle Sänger tragen ihren Anteil bei. Hervorheben muß man die beiden Sängerinnen. Katharine Tier, die die größte Rolle neben Kolarczyk stimmstark meistert und die stimmschöne Dilara Baştar, die zwar noch im Opernstudio ist, aber hoffentlich noch darüber hinaus in Karlsruhe gehalten wird.
Ein großes Lob geht an den Chor, der eine Vielzahl von Stimmungen vermitteln muß -gehetzt, geschäftig, flehend, furchtvoll- und dazu in komplexen musikalischen Strukturen.
Fazit: Inszenatorisch zwischen Top und Flop. Doch den ersten Akt muß man gesehen haben und darf man als Opernfreund nicht verpassen!
Besetzung und Team:
Robert Oppenheimer: Armin Kolarczyk
Kitty Oppenheimer: Katharine Tier
General Leslie Groves: Renatus Meszar
Robert Wilson: Steven Ebel
Jack Hubbard: Jaco Venter
Edward Teller: Lucas Harbour
Kapitän James Nolan: Klaus Schneider
Pasqualita: Dilara Baştar
Musikalische Leitung: Johannes Willig
Regie: Yuval Sharon
Bühne: Dirk Becker
Kostüme: Sarah Rolke
Animation: Benedikt Dichgans, Philipp Engelhardt, Andreas Grindler
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