Freitag, 30. September 2011

Profilierungsdrang

Im Bemühen sich zu profilieren ist die Opernleitung zu Beginn der Spielzeit bereits zweimal am Ziel vorbei: So wurde für Katja Kabanova die legendäre Sängerin Anja Silja angekündigt. Zwei Tage vor der Wiederaufnahme musst dann dementiert werden:

Sonja Borowski-Tudor ersetzt Anja Silja in KATJA KABANOVA
Aufgrund differierender Auffassungen über die Anlage der Figur der Kabanicha wird Anja Silja diese Partie in der Wiederaufnahme am 30.9. und bei folgenden Vorstellungsterminen von Janáceks Oper KATJA KABANOVA am STAATSTHEATER KARLSRUHE nicht interpretieren. An ihrer Stelle singt Sonja Borowski-Tudor.


Nun ja, schade, doch gehe ich heute Abend, um Barabara Dobrzanska bei ihrem Rollendebüt zu hören.

Ärgerlicher ist dann schon, dass für Les Troyens am 9./10 November Lance Ryan angekündigt wurde und auch namentlich auf den Werbe-Postkarten zu finden ist. Ich besorgte mir umgehend Karten für die beiden Abende. Inzwischen ist Lance Ryan kommentarlos durch ein N.N. ersetzt worden und bei mir ist schon etwas Enttäuschung zu spüren.

NACHTRAG: Am Abend wurde ich dann aber bei Katja Kabanova positiv überrascht: durch Zufall kam ich mit Chefdramaturg Dr. Bernd Feuchtner in Gespräch, der mir sehr freundlich und kompetent Auskunft erteilte. Anja Silja und der Regisseur Georg Köhl konnten sich nicht bezüglich der Interpretation einigen. Ein Abrücken von den Vorgaben zugunsten der Ausnahmesängerin kam für Herrn Köhl nicht in Frage.
Lance Ryan hat überraschend abgesagt und wird durch Ian Storey ersetzt, der letzte Saison an der Deutschen Oper Berlin unter Donald Runnicles den Enée sang.

Freitag, 23. September 2011

Verdi - La Traviata, 22.09.2011

Aufgrund der neuen Sänger lohnt sich aktuell ein Besuch der Karlsruher Traviata, die im Dezember 2010 unter der Regie des damaligen Intendanten Thorwald Premiere hatte. Schon in der vergangenen Saison hatte diese Inszenierung hohe Besucherzahlen: sie war mit dem Trio Schlingensiepen / Berchtold / Donati sehr gut besetzt und auf sehr hohem musikalischen Niveau. Dazu kommt eine solide, unspektakuläre Regie und Ausstattung, die die Konzentration auf die Sänger ermöglicht.

Seit dieser Woche ist nun eine neue Besetzung zu hören und alle Sänger hinterließen einen sehr guten Eindruck! Die neue Opernleitung verfolgte die Strategie aus kleineren Häusern junge Sänger  zu holen, die am Karlsruher Staatstheater den nächsten Karriereschritt machen sollen. Dabei handelt es sich bei den neuen Ensemblemitgliedern durchweg um Publikumslieblinge anderer Häuser.

Donnerstag, 22. September 2011

1. Symphoniekonzert, 19.09.2011

Zu Beginn der Spielzeit zeigte sich das Orchester in guter Form, nur die Hörner – die langjährige Schwachstelle – hatten mal wieder einige Wackler. Sympathieträger des Abends war der junge, sympathische, in London geborene Dirigent Kevin Griffiths, der vor allem mit den groß besetzten Tondichtungen Don Juan und Till Eulenspiegel von Richard Strauss überzeugte, die zu Beginn und zum Abschluß gebracht wurden.

Hauptstück des Konzerts war Berlioz' Harold en Italie, eine symphonische Dichtung mit Bratschen-Solo, das zuletzt vor ca 10 Jahren in Karlsruhe gespielt wurde. Damals spielte die erste Bratschistin des Hauses Franziska Dürr die Solorolle und erzielte einen großen Erfolg. Die gestrige Aufführung hingegen wurde nur verhalten beklatscht und das obwohl die renommierte Künstlerin Isabelle van Keulen den unvirtuosen Bratschen-Part übernahm. Der Funke sprang allerdings nicht über: zu verhalten und betulich interpretiert stellte sich eine gewisse Langeweile ein. Es ist mir nicht bekannt, ob Frau van Keulen eine Zugabe eingeplant hatte; Untypischerweise für das Karlsruher Konzertpublikum endete der Applaus rasch, bevor sich die Künstlerin dazu entscheiden konnte.

Ergänzt wurde der Abend mit Liszts später Tondichtung Von der Wiege bis zum Grabe, die selten gespielt wird und auch gestern ihren geringen Repertoirewert unter Beweis stellte. Nur für den Klangmagier Strauss lohnte der Besuch.

Immerhin: der neue Generalintendant inspizierte vor dem Konzert sein Haus und verteilte danach persönlich am Ausgang Werbematerial für die neue Spielzeit.

Theaterfest des Badischen Staatstheater, 17.09.2011

Vor dem Ausblick ein Rückblick:
Durch den spektakulär inszenierten Suizid des früheren Chordirektors Helg am Spielzeitende im Juli 2011 wurde der scheidende Generalintendant Thorwald mit seinem Team um die verdiente Verabschiedung gebracht. Thorwald hat das Haus auf hohem künstlerischem Niveau geführt. Es war kein Zufall, dass Besprechungen Karlsruher Inszenierungen in überregionalen Tageszeitungen (FAZ, Süddeutsche, Welt u.a.) zu finden waren. Mit Knut Weber wurde das Schauspiel zu einer gleichberechtigten Sparte mit einem homogenen und ausgeglichenen Ensemble. Das Ballett unter Birgit Keil erlebt in den letzten Jahren eine Hochzeit. Und Operndirektor Thomas Brux schaffte das Kunststück hochrangige Sänger nach Karlsruhe zu locken, die auch die Abo-Vorstellungen unter der Woche zu einem Ereignis machen konnten.
Sänger wie Bernhard Berchtold, Walter Donati, Anna-Maria Dur, Edith Haller, Lance Ryan und Sabina Willeit sind nur schwer zu ersetzen. Dazu kamen andere große Namen: José Cura sang verschiedene Rollen und inszenierte Samson et Dalila. Stars wie Ramon Vargas, Anja Harteros, Ambrogio Maestri, Klaus Florian Vogt, Franz Grundheber, Bo Skovhus, Violetta Urmana, Franco Fagioli (der bei den Händel Festspielen zum Publikumsliebling wurde), ... sangen als Gäste.

Peter Spuhler und sein Team präsentierten sich nun beim diesjährigen Theaterfest, das mehr zu bieten hatte als die übliche Routine. Allem Anfang wohnt ein Zauber inne … das Publikum konnte das spüren: es lag ein erwartungsfrohe Atmosphäre über den Veranstaltungen.
Traditioneller Höhepunkt ist der Spielzeit Cocktail am Abend. Zuerst erfolgten ungewohnt interessante und kurzweilige Ansprachen von Vertretern der Stadt (der Karlsruher OB Fenrich) und des Landes (Staatssekretär Jürgen Walter). Beide bekannten sich zum Haus und dessen kulturellen Aufgaben, erläuterten die finanziellen Hürden und die anstehenden Sanierungsmaßnahmen des Hauses an der Baumeisterstraße. Die Nancy-Halle als zusätzlicher Probenbereich wurde von Fenrich als Möglichkeit angedeutet. Spuhler kann man nur viel Verhandlungsgeschick wünschen – es stehen mehr Aufgaben und Entscheidungen an als in den letzten Jahren. Zudem will er ein Kinder- und Jugendtheater etablieren und für das Haus neues Publikum gewinnen. Ob er die hohen Auslastungszahlen der vergangen Jahre überhaupt halten oder wirklich überbieten kann, wird in den nächsten 5 Jahren eine Meßlatte für seine Tätigkeit.

Zur künstlerischen Seite: in allen Sparten sind Publikumslieblinge gegangen, die nun ersetzt werden wollen. Das Schauspiel eröffnete den Abend mit Ausschnitten aus den anstehenden Produktionen. Der neue Schauspielchef Jan Linders und das komplette Ensemble waren angetreten und hinterließen einen sehr guten Eindruck und machten neugierig auf den Spielzeitbeginn. Ob die Stücke das Karlsruher Publikum in der Breite ansprechen, muss sich erst zeigen, doch das Ensemble scheint das Potential gehalten zu haben.

Das Ballett zeigte zwei Ausschnitte früherer Produktionen. Angesichts der hohen Popularität Birgit Keils wird es auch in der kommenden Spielzeit wieder ausverkaufte Abende geben. Allerdings sind zwei der drei ersten Solisten nicht mehr am Haus. Auch ist weiterhin keine erste Solistin in Sicht. Flavio Salamanka als einziger verbliebener erster Solist wird nicht alleiniges Zugpferd und Sympathieträger bleiben können. Mittelfristig wird man also personelle Veränderungen vornehmen müssen, um den Erfolg zu halten.

Die Oper hinterließ den schwächsten Eindruck an diesem Abend. Der Spielplan ist ambitioniert, der neue Operndirektor Schaback, Casting-Direktor John Parr und Chefdramaturg Bernd Feuchtner hinterließen einen kompetenten Eindruck und doch blieben Zweifel, ob sie aus dem großen Schatten ihres Vorgängers treten können.
Die vorgestellten neuen Sänger konnten nur teilweise Interesse wecken. So machten die beiden jungen Tenöre Sebastian Kohlhepp und Elezar Rodriguez neugierig auf ihre weitere Entwicklung. Andrew Finden ließ mit einer Bariton-Arie aus Händels Alessandro die Vorfreude auf die Händel-Festspiele wachsen und der junge Baß Avtandil Kaspeli begeisterte bei seinem Auftritt als Komtur in Mozarts Don Giovanni. Der neue Heldentenor John Treleaven wird sich mit Lance Ryan vergleichen lassen müssen.
Es fehlten an diesem Abend einige der voraussichtlich neuen Stars: die Soprane Dovhan und Melton, der Tenor Shin und die Baritone Venter und Jung nehmen zentrale Rollen in der neuen Spielzeit ein. Mit ihnen hätte die Vorfreude auf das kommende Opernprogramm größer ausfallen können.
Und für alle Wagner-Fans: es wird 2013 eine Wiederaufnahme des Rings geben.