Sonntag, 26. Februar 2017

Händel - Arminio, 26.02.2017

Es gibt Barockopern, die nur von ihren Bravourarien leben, Stimmakrobatik und Virtuosität als Selbstzweck konterkarieren emotionalen Tiefgang, sorgen aber für schwungvoll gute Laune - Armnio gehört nicht dazu: Händels Arien haben dafür eine andere Qualität - musikalische Substanz, die in der Regel nicht vordergründig ist, sondern die Psychologie der Charaktere beachtet, die Geschichte und das Drama erzählt und tiefer geht als bei anderen Barockkomponisten üblich. Arminio gehört wirklich nicht zu Händels besten Opern - in denen ist das Orchester variabler, die Bandbreite größer. Das bedeutet aber gerade nicht, das Arminio schwach ist, vielleicht ist er relativ schwach und dennoch stärker als viele andere Barockopern mit austauschbaren Nummern. Bei Arminio scheint es mehr Folgerichtigkeit zu geben, und daß Regisseur Max E. Cencic dies erkannt hat und dadurch die Spannungsmomente betonen konnte, macht die besondere Leistung dieser Inszenierung aus.
      
Musikalisch ist Arminio aufregender als die gestrige Semele, die vom Dirigenten überwiegend begleitend gestaltet etwas blaß bleibt. George Petrou und Armonia Atenea hingegen spielen federnder mit plastischem Klang,  variabel, akzentuiert und Wärme ausstrahlend - das Orchester ist ein Drittel kleiner besetzt als bei Semele und klingt trotzdem voller. Petrou als Dirigent zeigt mit Arninio eine großartige Interpretation.

Sängerisch gab es einige Wechsel auf Augenhöhe zum Vorjahr (mehr dazu hier), etwas vernachlässigt hat man dabei dieses Jahr die Figurenzeichnung. Die amerikanische Sopranistin Lauren Snouffer übernimmt von Layla Claire (die 2018 in Karlsruhe die Titelrolle in Alcina singen wird). Sie spielt zwar Tusnelda nicht mit der adlig-hochmütigen Selbstsicherheit und Selbstverständnis, doch sängerisch ist sie mit ihrer sehr gut sitzenden, schönen Stimme die interessanteste Entdeckung der Festspiele. Weiterhin wurde das komische Paar Ramise-Sigismondo neu besetzt. Die italienische Mezzosopranistin Gaia Petrone ist anstelle von Ruxandra Donose zu hören, stimmlich überzeugt sie, darstellerisch übertreibt sie als versoffene Ramise. Vince Yi mußte aus familiären Gründen die Rolle des Sigismondo zurückgeben, der als Ersatz nominierte französische Countertenor Nicolas Zielinski sagte aus gesundheitlichen Gründen ab, eine Woche vor der Wiederaufnahme wurde Aleksandra Kubas-Kruk als kurzfristige Einspringerin bekannt gegeben. Kubas-Kruk hat nicht die androgyne Stimme des US-Koreaners, meisterte dafür die technische anspruchsvolle Rolle mit Bravour - sie ist eine weitere bemerkenswerte Entdeckung der Festspiele.
Unverändert stark ist die restliche Vorjahresbesetzung: Max Emanuel Cencic als Arminio, Juan Sancho als testosterongeladener Varo, Owen Willetts als Tullio und Pavel Kudinov als Segeste.

Fazit:
Bravo! Mit Arminio und Semele hat man dieses Jahr zwei erfolgreiche und publikumswirksame Inszenierungen im Programm. Aktuell sind die Händel-Festspiele auf gutem Kurs.