Samstag, 28. Februar 2015

Händel - Riccardo Primo, 28.02.2015

Kopfschütteln zu Beginn
Viele großartige künstlerische Leistungen gab es bei dieser letzten Aufführung und der erste starke Moment gehörte Generalintendant Peter Spuhler, der vorab vor den Vorhang trat und klare Worte für die Gewerkschaft ver.di fand. Bereits vor zwei Jahren (mehr dazu hier) hatte ver.di in Karlsruhe bewiesen, daß es ihr mehr Vergnügen macht, Porzellan zu zerschlagen und Kollateralschaden anzurichten als intelligent vorzugehen.
Heute hat man nun einen weiteren Tiefpunkt erreicht, indem man über die Presse die Falschmeldung verbreiten ließ, daß keine Vorstellungen stattfinden. Das Badische Staatstheater dementierte schnell auf seiner Internetseite und schaffte es mit einer Aushilfsbesetzung, alle Vorstellungen stattfinden zu lassen, vor allem Riccardo Primo, für den überregional und international Gäste angereist waren. Obwohl man bestreikt wurde, retteten die engagierten Mitarbeiter des Badischen Staatstheaters für ihr Publikum die restlos ausverkaufte Abschlußvorstellung der Händel-Oper.

Stehende Ovationen zum Abschluß
Riccardo Primo (mehr dazu auch hier) wurde vier Stunden später vom Publikum mit Jubel, Bravos und Standing Ovations für alle beteiligten Künstler und Mitarbeiter von der Karlsruher Bühne verabschiedet. Über 9000 verkaufte Karten für neun stets ausverkaufte Aufführungen (inkl. öffentlicher Generalprobe) - und es wären noch mehr geworden, wenn es weitere Termine gegeben hätte. Aber: Peter Spuhler deutete an, daß es vielleicht eine Wiederaufnahme geben könnte!
Ein herzliches Danke geht hier auch an Benjamin Lazar (Regie), Adeline Caron (Bühne)  Alain Blanchot (Kostüme), Christophe Naillet (Lichtdesign) sowie den früheren Leiter der Händel Festspiele Dr. Bernd Feuchtner für dieses stimmungsvolle und stimmige Gesamtkonzept.
               
Was bleibt?
Eine Empfehlung:
Es lohnt sich bei Kerzenlicht-Inszenierungen weit vorne zu sitzen - im Halbdunkel erkennt und sieht man dort deutlich besser als in den hinteren Bereichen. Nach fünf besuchten Aufführungen (alle im Parkett, zwei in der ersten Reihe) war es bei dieser Produktion eine deutliche Erfahrung, daß sich weiter vorn ein noch intensiveres Erlebnis ergibt.

Eine Erkenntnis:
Ein Vergleich zur sterilen Teseo-Inszenierung zeigt, daß Barockopern auch fürs Auge geschrieben sind. Man kann nicht immer (aber alle paar Jahre mal schon) nur historisierend und im Kerzenlicht inszenieren. Aber welcher Regie-Stil auch Anwendung findet, die Herausforderung liegt darin, die vielen Szenenwechsel räumlich zu lösen und das Publikum auf eine Reise mitzunehmen.

Eine Empfindung:
Händels Musik ist so stark mit barockem Geist durchtränkt, daß sie auch nach 300 Jahren noch wirkt. In einem Programmheft der Stuttgarter Oper zu Händels Teseo (2011) finden sich die treffenden Worte: "Barocke Kunst hat immer etwas grundsätzlich Wahres, wenn sie auf unbedingte Weise lebensbejahend ist, obwohl sie um Schrecken, Leid und Zerstörung keinen Umweg macht. .... Auch in den entsetzlichsten Momenten der Handlung dominiert dieses positive Weltbild."

Eine Entdeckung:
Ausnahmsweise gibt es hier auch einen Link zu Fotos. Ausnahmsweise - denn wer benötigt schon Fotos?
Die Sentimentalen? Wer ist schon sentimental genug, um anhand eines Fotos schnell verblassende Gefühle in der Erinnerung erneut durchleben zu können?
Die Daheimgebliebenen? Sie bekommen doch nur einen sehr schwachen und meistens nicht zutreffenden oder falschen Eindruck. Und der Werbeeffekt ist nur indirekt, da keine weiteren Termine bekannt sind.
Wieso also Fotos? Für die Wehmütigen angesichts des Vergänglichen. Denn wer Fotos schaut, hat etwas Unerledigtes oder Unbewältigtes vor sich. In dieser Hinsicht werden vielleicht doch einige wenige diesen Riccardo Primo für einige Zeit innerlich als unerledigt und immer noch positiv präsent betrachten.
Photograph Falk von Traubenberg hat aktuell viele Aufnahmen hier veröffentlicht:
https://m.flickr.com/#/photos/fvt-theaterfotografie/sets/72157641357302923/