Montag, 16. Juni 2014

Rückblick (1): Standortbestimmung. Eine Kritik der Intendanz Spuhler

2011 mit Beginn dieses Besucher-Tagebuchs hätte ich nicht gedacht, daß ich mal eine Intendanz erlebe, die mir gerade zu Beginn so wenig Freude, Spaß, Spannung und Inspiration gibt. Wie fasst man Unbehagen in Worte? In der Übertreibung liegt die Anschauung! Das Folgende ist oft subjektiv zugespitzt und verarbeitet und beschreibt persönliche Eindrücke und Erfahrungen.

Sonntag, 15. Juni 2014

Ravel - Das Kind und die Zauberdinge / Strawinsky - Die Nachtigall, 14.06.2014

Großes Desinteresse beim Publikum gegenüber Ravel und Strawinsky: selten sieht man in einer Karlsruher Premiere so viele leere Plätze im Rang und Balkon. Attraktiv wirkt die Kombination der beiden Kurzopern anscheinend nicht: zu leicht, zu unbedeutend, zu belanglos? Dabei sollten es doch gerade zwei sommerlich-leichte Mini-Opern (beide jeweils ca 45 Minuten) sein, die den richtigen Kontrast zu den vermeintlich schweren und langen Opern bieten können, mit denen man sich in letzter Zeit in Karlsruhe vorwiegend beschäftigt hat. Die beiden Kurzopern haben deutlich mehr Aufmerksamkeit verdient, auch wenn es einen guten Grund gibt, wieso beide selten zu hören sind: es sind eher Meisterwerke auf dem Papier als auf der Bühne.

Donnerstag, 12. Juni 2014

Birgit Keil im Interview

Die Stuttgarter Zeitung hat ein Interview mit Birgit Keil und Alicia Amatriain, aktuell erste Solistin am Stuttgarter Ballett und Keils erste Stipendiatin, ins Internet gestellt.

Das Gespräch findet sich hier: http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.generationentreff-4-birgit-keil-und-alicia-amatriain-wie-lebt-eine-balletttaenzerin.a2d2879b-ff99-4f40-a5ff-e85aa45e484e.html

Montag, 9. Juni 2014

Wagner - Die Meistersinger von Nürnberg, 08.06.2014

Pfingstsonntag, Meistersinger-Gala bei hochsommerlichen 35°C - da kamen in der Beinahe-Wagner-Festspielhaus-Stadt Karlsruhe schon etwas Bayreuth-Gefühle auf (obwohl der Innenraum zum  Glück sehr gut klimatisiert war), und das um so mehr als es eigentlich -stärker noch als der von Presse als Bayreuth-würdig bezeichnete Tannhäuser- diese Inszenierung der Meistersinger (hier mehr zur Premiere) von Tobias Kratzer ist, die nach Bayreuth passen würde.

Das muß man dem scheidenden Operndirektor Joscha Schaback und dem Dramaturgieleiter Bernd Feuchtner unbedingt attestieren: die beiden Wagner Opern,  Die Passagierin, Dr. Atomic oder z.B. Wallenberg waren spannende Regie-Erfahrungen. Die Meistersinger sind umstritten, in gewissem Sinne aber auch grandios ambivalent und konstruktiv diskutierbar. Viele sind von der Regie begeistert, viele haben auch teilweise massive Einwände, aber einfallsreich ist die Inszenierung sehr oft und was man dem Badischen Staatstheater dabei vorwerfen könnte ist, daß es für eine stark polarisierende und umstrittene Inszenierung vielleicht der falsche Zeitpunkt ist. Ob das die geeignete Positionierung für das Umland ist? Die Türen rannte man dem Karlsruher Staatstheater anscheinend bisher noch nicht ein. Mal schauen, ob die Mund-zu-Mund Werbung erst noch anläuft oder diese "Meistersinger für Insider" nur ein Hit bei Opernspezialisten wird. Dennoch ein Glückwunsch an das Badische Staatstheater: Aufmerksamkeit hat man damit gewonnen.

Viele gute Ideen und doch ist nicht alles inszenatorisch optimal gelöst: die Selbstbezüglichkeit gewisser Szenen ist eine Hürde für ein breites Publikum, der Merker-Szene im ersten Akt fehlt der Humor, Beckmesser quietscht hinter einer verschlossenen Tür, Stolzing wirkt cholerisch und der Szene fehlt der Spaß. Die eigentlich so spannende und witzige Auseinandersetzung Sachs/Beckmesser im zweiten Akt hat man schon pointierter und bühnenwirksamer gesehen. Im dritten Akt will der Beginn nicht so richtig funktionieren, doch es ergibt sich szenisch ein starker Eindruck im Quintett und in der langen Festspielwiesenszene.

Auffällig ist der kühl-analytische und wenig schmeichelhafte Blick, den die Regie auf den heutigen Kunstbetrieb und das Künstler-Innenleben wirft und ernüchternd kommentiert: Meckerer und Übergangene, Besserwisser und Pedanten sind das Personal, die vier Protagonisten erleben kein Happy-End: gedemütigt, verbittert, beleidigt und Eva flüchtet von Liebhaber zu Liebhaber.

War das nun eine Gala gestern? Na ja, halbwegs...  Albert Dohmen ist ein routinierter Sänger der Rolle des Hans Sachs, der Charisma und Persönlichkeit auf die Bühne bringt. Gestern war ihm etwas die plötzliche Hitzewelle anzumerken: einige Konzentrationsschwächen trübten leicht den Eindruck. Dimitry Ivashchenko hinterließ in der kleinen Rolle als Pogner stimmlich einen sehr guten Eindruck. Der Star dieser Meistersinger bleibt Armin Kolarczyk als Beckmesser. Einfach großartig in jeder Hinsicht. BRAVO. Justin Brown und die Badische Staatskapelle und der Staatsopernchor in gewohnter Form. Trotz Hitze, ein spannender Meistersinger-Marathon über sechs Stunden.

Samstag, 7. Juni 2014

Festspielhaus Baden-Baden: Gounod - Faust, 06.06.2014

Gestern hatte ein lang erwartetes Highlight im Baden-Badener Festspielhaus Premiere: sängerisch und musikalisch hielt der Abend, was er versprach. Inszenatorisch ist dieser Faust aber bestenfalls als sehr konventionell und adäquat bebildert zu beschreiben. Gute Einfälle sind leider Mangelware.

Sonntag, 1. Juni 2014

Ballett Gala, 31.05.2014

Das war nun mal wirklich ein Höhepunkt und festlicher Abschluss der 8.Karlsruher Ballettwoche! Wer nicht dabei war, hat was verpasst! Hochkarätige Gäste und so viele besondere Momente, daß man kaum weiß, wie man alle Eindrücke überhaupt angemessen zusammenfassen soll! An einem starken Abend den beeindruckendsten Auftritt hatten Lucia Lacarra und Marlon Dino vom Bayerischen Staatsballett. Es kam Perfektion schon sehr nahe, wie die beiden die Gesetze der Schwerkraft und Physis ignorierten und zu Rachmaninows Préludes die Zeit stehen ließen. Erst staunend, dann begeistert: das Publikum feierte die beiden lang und ausgiebig. (Einen extra Applaus verdiente sich die Pianistin des Abends: Angela Yoffe).

Zwei sehr gut aufeinander abgestimmte Tanzpaare waren zu sehen: Catherine Franco und Denis Piza vom Ballett der Staatsoper Hannover harmonierten wie bereits in Sissi beeindruckend miteinander (auch hier wieder u.a. zu Gustav Mahler, und zwar dem Urlicht aus der 2.Symphonie, schön gesungen von Stefanie Schaefer); Krasina Pavlova und Arshak Ghalumyan vom Staatsballett Berlin zeigten zwei interessante Paarstudien: zuerst ein getanzter Dipolmoment, dann Leidenschaft in sich umkreisender Halbdistanz.

Interessant war der Vergleich der beiden Choreographen Kenneth MacMillan und John Cranko, die mit emotional vergleichbaren Szenen hintereinander gezeigt wurden. Beide haben ja einen sehr ähnlichen Zugang zu Prokofievs Ballett Romeo und Julia (mehr hier) und MacMillan gilt eher als britisch distanziert, aber sein Pas des deux aus Winter Dreams, den Marianela Núñez und Thiago Soares vom Royal Ballet in London tanzten, wirkte auf eine altmodische Weise überdramatisiert und teilweise auf eine unfreiwillig komische Weise pathetisch. Crankos Choreographie aus Onegin (mehr hier), aus dem die Schlußszene von den beiden langjährigen Stars Maria Eichwald und Filip Barankiewicz vom Stuttgarter Ballett präsentiert wurde, wirkte dagegen deutlich geschmackvoller und aktuell zeitloser.

Eric Gauthier ließ sich zur Musik von Kate Bush zu einer kleinteilig-bewegungsreichen und gehetzten Choreographie inspirieren, während Thiago Bordin vom Hamburg Ballett Lebensfreude zu Cello-Musik versprühte. Ein Extra-Bravo geht an den Cellisten der Badischen Staatskapelle Johann Ludwig, der auf der Bühne sitzend mit seinem souveränen Spiel dem Hamburger Tänzer fast ein wenig die Schau stahl.

Das Badische Staatsballett präsentierte zu Beginn den Walzer aus Dornröschen und dann drei weitere Choreographien, darunter zwei Uraufführungen. Eine erschuf Ensemblemitglied Reginaldo Oliveira, der unlängst mit Der Fall M. (mehr hier) im Rahmen des Ballettabends Mythos einen großen Publikumserfolg feierte und dabei ist, sich als "Hauschoreograph" zu etablieren. Sein neues Ballett Attacke ist ein klaustrophobisches Stück, bei dem vier Tänzer vor ungewissen Bedrohungen flüchten: angstvoll und unheilvoll und mit einem visuellen und akustischen Showdown. Oliveira bekam zweifach viel Applaus und Jubel, denn  auch ein bereits bekanntes Publikumslieblingsstück wurde getanzt: Arman Aslizadyan und Reginaldo Oliveira zeigten ihr inzwischen beliebtes und bekanntes Two 4 One mit Tänzer-vervielfachendem Live- Kameramitschnitt.
Zum Abschluß des Abends standen dann 32 Tänzer des Staatsballetts auf der Bühne. Thiago Bordin, der also nicht nur ein Solo tanzte, kreierte auf Musik aus Jean Sibelius' 2. Symphonie ein neues Stück mit viel Humor und großen Ensemble-Szenen.

Die Badische Staatskapelle unter der Leitung von Steven Moore und Justus Thorau trug mit packend gespieltem Max Richter, Tschaikowsky, Glasunow, Mahler, Sibelius und Schostakowitsch viel zum großartigen Eindruck des Abends bei und manch einer wird sich nun das eine oder andere Stück im Symphoniekonzert wünschen.

Fazit: Viel Jubel im Publikum. Birgit Keil schafft es ein ums andere mal, ihr Publikum zu begeistern und mit der sensationellen Freigabe von John Crankos Choreographie zu Der Widerspenstigen Zähmung in der kommenden Saison ist man endgültig im Balletthimmel angekommen. Glückwunsch an Birgit Keil für Ihre großartige Aufbauarbeit und alle Tänzer und Beteiligten des Badischen Staatsballett!

Zusammenfassung der Programmpunkte

Lucia Lacarra und Marlon Dino vom Bayerischen Staatsballett
THREE PRELUDES
Musik Sergej Rachmaninow
Choreografie Ben Stevenson
Klavier Angela Yoffe

Maria Eichwald und Filip Barankiewicz vom Stuttgarter Ballett
HOMMAGE À BOLSCHOI
Musik Alexander Glasunow
Choreografie John Cranko

PAS DE DEUX
aus Onegin (III. Akt)
Musik Peter I. Tschaikowski (eingerichtet von Kurt-Heinz Stolze)
Choreografie John Cranko

Krasina Pavlova und Arshak Ghalumyan vom Staatsballett Berlin
HEUTE IST DAS GESTERN VON MORGEN
Musik Max Richter
Choreografie Raimondo Rebeck

TRANSPARENTE
Musik Arshak Ghalumyan feat. Mariza
Choreografie Roland Savkovic

Catherine Franco und Denis Piza vom Ballett der Staatsoper Hannover
INFERNO
Musik Lisa Gerrard & Andrew Claxton
Choreografie Jörg Mannes

URLICHT
Musik Gustav Mahler
Choreografie Jörg Mannes
Mezzosopran Stefanie Schaefer

Marianela Núñez und Thiago Soares vom Royal Ballet in London
WINTER DREAMS PAS DE DEUX
Musik Peter I. Tschaikowski
Choreografie Kenneth MacMillan
Klavier Angela Yoffe

Thiago Bordin vom Hamburg Ballett
,
PRAMIM
Musik Alexander Tscherepnin, Johann Sebastian Bach
Choreografie Jörg Mannes
Thiago Bordin, Hamburg Ballett
Violoncello Johann Ludwig

Eric Gauthier, Leiter der am Theaterhaus Stuttgart beheimateten Compagnie GauthierDance
I FOUND A FOX
Musik Kate Bush
Choreografie Marco Goecke

Badisches Staatsballett
ATTACKE
URAUFFÜHRUNG
Musik Dmitri Schostakowitsch
Choreografie Reginaldo Oliveira
Bruna Andrade, Larissa Mota, Kt. Flavio Salamanka, Ed Louzardo, STAATSBALLETT KARLSRUHE

TWO 4 ONE
Musik Starkey
Choreografie Arman Aslizadyan & Reginaldo Oliveira
Arman Aslizadyan & Reginaldo Oliveira, STAATSBALLETT KARLSRUHE

SIBELIUS FÜR B.
URAUFFÜHRUNG
Musik Jean Sibelius
Choreografie: Thiago Bordin

Sowie dem WALZER aus dem 1.Akt von Dornröschen