Sonntag, 1. April 2012

Rückblende: Der Bayreuther Lohengrin von Hans Neuenfels

Wenige Stunden vor der Karlsruher Premiere der neuen Lohengrin Inszenierung ein Rückblick auf die in Bayreuth seit 2010 gespielte Produktion des Regisseurs Hans Neuenfels. Der neue Karlsruher Lohengrin spielt anscheinend in einem Sportstadion, Lohengrin tritt in einem Fechtkostüm auf.
Lohengrin ist eine der Opern, bei der die Regie die interessantesten und ausgefallensten Ideen hat. Es wird spannend, was ab 17 Uhr im Badischen Staatstheater zu hören und sehen sein wird ...


Hier der alte Forenbeitrag vom August des letzten Jahres:
Richard Wagner – Lohengrin, 100. Bayreuther Festspiele, 20.08.2011
Man erlebt es selten, daß ein Opernsänger nach einer Aufführung vom Publikum nicht nur mit einer Woge von Bravos gefeiert wird, sondern auch mit stehenden Ovationen. Für Klaus Florian Vogt stand das Publikum auf, um ihm zu danken und minutenlang zu bejubeln. Und das zu recht: Klaus Florian Vogt als Lohengrin ist eine Sensation: so gesangsschön und stimmgewaltig, so scheinbar mühelos und souverän! Er machte den Abend zu einer Sternstunde und bleibenden Erinnerung. Die anderen Interpreten rundeten den Abend mit guter bis sehr guter Leistung ab: Annette Dasch als Elsa hielt sich tapfer, doch Petra Lang als Ortrud hatte den besseren Abend; Georg Zeppenfeld als König und Samuel Youn als Heerrufer hinterließen einen ganz starken Eindruck und überzeugten in jeder Hinsicht; Tomas Tomasson als Telramund war leider leicht indisponiert und konnte nicht jeden Ton halten. Andris Nelsons dirigierte bravourös und klangschön, der Chor war fantastisch. Musikalisch erfüllte der Bayreuther Gala-Abend die Wünsche des Publikums.

Die Inszenierung von Hans Neuenfels polarisierte: visuell beeindruckend, doch in (fast) trostloser Haltung. Ein bildstarker Abend, der lange in Erinnerung bleiben wird, kontrastiert von einer pessimistisch-sarkastischen Sichtweise. Wagner war beeinflusst von der Philosophie Arthur Schopenhauers und machte sich einzelne Elemente vor allem im Ring und Tristan zu nutze. Neuenfels scheint Schopenhauer genau zu kennen. Seine Inszenierung erscheint als konsequente Anwendung dessen pessimistischen Gedankenguts auf die Handlung.

Dem Publikum wird das in teils drastischen Bilder gezeigt. Das Volk als Ratten: giergetrieben, mit schwankender Loyalität der Masse oder der Macht folgend, das sich oppurtunistisch einen Führer sucht. Ein religiöser Glaube an eine höhere Macht? Willensfreiheit? Die Sänger sind in einem Labor gefangen und unter Aufsicht; der König ist schwach und gleichfalls ein Spielball der Laborwächter. Die Liebe? Neuenfels hat – wie Schopenhauer in seiner Metaphysik der Geschlechtsliebe einen beißend-sarkastischen Blick darauf. Man hat einiges zu lachen bei dieser Inszenierung, aber man hat das Gefühl sich unter seinem Niveau zu amüsieren. Das passt ins grimmige Schopenhauersche Bild, jedoch kein Publikum wird es dem Regisseur danken. Nur in Ausnahmesituationen gelingt es den Laborinsassen auf der Bühne zu durchschauen, daß ihnen eher mitgespielt wird als daß sie selber willensfrei spielen. Große Ideen sind dann möglich, doch wird jede höher zielende Utopie von der Menge zerstört. Der Glaube an einen Erlöser und Führer gebiert ein fürchterliches Monster.

Das Publikum folgte dieser düsteren Interpretation nicht gerne. Doch am Ende überwiegte an diesem Abend klar die musikalische Seite und der Triumph des Klaus Florian Vogt!

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