Dienstag, 5. März 2024

5. Symphoniekonzert, 04.03.2024

Das 5. Symphoniekonzert war auch Abschluß der Händel-Festspiele 2024 und ließ die Badische Staatskapelle Händel, Bach und Benda musizieren.

Montag, 26. Februar 2024

Händel - Ottone, 25.02.2024

Homogen hochklassig (2) 
Die Wiederaufnahme der letztjährigen Produktion des Ottone ergänzt sich gut mit Siroe: zwei Königsdramen, beide historisierend-archaische Phantasie-Inszenierungen, die charakterisieren ohne abschweifend zu psychologisieren, beide finden einen geradlinigen Weg, der die musikalischen Affekte respektiert und sie nicht aus dem Zusammenhang reißt, und der insbesondere Sängern und Musiker Raum zur Entfaltung gibt. Auch für Ottone gab es gestern viel Jubel und langanhaltenden Applaus.

Samstag, 17. Februar 2024

Händel - Siroe, 16.02.2024

Homogen hochklassig
So starr die Barockoper mit dem Modell des handlungstreibenden Rezitativs und dessen emotionale Verarbeitung in affektgeladenen Arien auch ist, so flexibel sind die sich daraus ergebenden Interpretationsmöglichkeiten. Modern oder historisierend, humorvoll oder ernst, naiv oder zwielichtig. ob bei Kerzenlicht, in mafiösem Halbdunkel oder unter arkadischer Sonne - die Opera Seria zeigt nur den sichtbaren Teil des Eisbergs und überläßt es deshalb der Regie, durch die Inszenierung mehr zu offenbaren und gerade bei den Karlsruher Händel Festspielen konnte man in der Hinsicht reichhaltig Anschauungsmaterialen bei vielfältigen Inszenierungsstilen sammeln. Aktuell ist man in einer historisierenden Schwertphase in dominanten Bühnengrau, wie auch letztes Jahr bei Ottone ist auch Siroe eine Rückversetzung in Zeiten, wo schwere metallene Stich- und Hiebwaffen verwendet werden. Für den neuen Siroe bekannte sich das Inszenierungsteam im Vorfeld bereits zur Inspirationsquelle Game of Thrones. Die gestrige Premiere setzte also ganz auf Dramatik und Intrigen und wurde diesem Anspruch gerecht: eine solide Inszenierung, der es gelingt, der Handlung passende Szenen zu unterlegen, und die vor allem musikalisch und sängerisch durch eine homogen hochklassige Besetzung getragen wird.

Montag, 12. Februar 2024

Oper Straßburg: Porpora - Polifemo, 11.02.2024

Die Arie Alto Giove aus Nicola Porporas Oper Polifemo ist schon seit Jahrzehnten ein viel eingespieltes Bravourstück für Barocksänger. 1994 wurde sie im Film Farinelli des belgischen Regisseurs Gérard Corbiau verwendet (damals gesungen von Dereck Lee Ragin), der die Kastraten als Pop-Stars der damaligen Epoche zurück ins Bewußtsein des Publikums brachte. So bekannt und oft gehört die Arie ist, so unbekannt blieb die Oper: die deutsche Erstaufführung erfolgte erst 2013 in Schwetzingen (mehr hier) und an der Opéra du Rhin ist aktuell die  spannend besetzte französische Erstaufführung zu hören, bei der Franco Fagioli die einst von Farinelli gesungene Rolle des Aci übernimmt. Und auch 18 Jahre nach Fagiolis erstem Auftritt bei den Karlsruher Händel Festspielen ist es ein Erlebnis, dem argentinischen Countertenor zuzuhören.

Dienstag, 30. Januar 2024

4. Symphoniekonzert, 29.01.2024

Hymnisch himmlische Eschatologie
2024 gedenkt man u.a. des 100. Todestags von Franz Kafka, Giacomo Puccini und Gabriel Fauré, des 125. Geburtstags von Erich Kästner, Ernest Hemingway und Vladimir Nabokov, des 150. Geburtstags von Hugo von Hofmannsthal und William Somerset Maugham, des 175. Geburtstags von August Strindberg, des 200. Geburtstags von Anton Bruckner und Bedřich Smetana, des 200. Jahrestags der Uraufführung von Beethovens 9. Symphonie sowie des 300. Geburtstags von Immanuel Kant und des Dichters Friedrich Gottlieb Klopstock. Die Badische Staatskapelle startete gestern in das Jahr mit der bekanntesten Klopstock-Vertonung.

Sonntag, 28. Januar 2024

Jazz Night: Max Greger jr. Trio, 27.01.2024

Von Kopf bis Fuß auf Schwarzwaldfahrt mit Duke Ellington eingestellt
Der Name Max Greger ist quasi eine Marke, mit der man seit Jahrzehnten Musik verbindet, der Bigband-Klang des Saxophon spielenden Vaters (*1926 †2015) war durch viele TV-Auftritte bei Sendungen des ZDF in den 1960ern und 70ern fast jedem bekannt. Gestern nun der zweite Auftritt des Sohns (*1951) bei den Karlsruher Jazz Nights, und zwar in kleiner Bigband-Besetzung. Neben einigen Stücken von Duke Ellington und anderer Jazz-Persönlichkeiten gab es Interpretationen bekannter Musik von Frederick Loewe (My fair Lady) und George Gershwin (I got rhythm), Kurt Weil (Mackie Messers Moritat) und als Höhepunkte quasi eine Wiederentdeckung von Horst Jankowskis Schwarzwaldfahrt sowie eine fulminant verjazzte Version von Friedrich Hollaenders Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt. Max Greger jr. überzeugte als virtuoser Pianist und Moderator, am Schlagzeug war der souveräne Bernd Reiter zu hören und Bassist Mini Schulz überraschte mit seinen Improvisationen.
Ein Konzert, das wie im Flug verging, manche wären gerne noch weitergeflogen. Der elegante Swinging Jazz des Trios erwies sich als Hörvergnügen, bei dem sich die Freude des Musizierens auf die Zuhörer im ausverkauften Kleinen Haus übertrug.

Donnerstag, 25. Januar 2024

Strauss - Die schweigsame Frau, 24.01.2024

Zeit für eine kurze Heldenverehrung, denn es ist unbedingt erforderlich auf einen Sänger hinzuweisen, für den es aktuell keine Zweitbesetzung am Badischen Staatstheater gibt. Am Samstag  sang er Ferrando in der Premiere von Così fan tutte, drei Tage später am Dienstag mußte er deshalb auch bei der B-Premiere auftreten, am Tag darauf war dann gestern die Rolle des Henry Morosus dran. Drei Vorstellungen tragender Rollen in fünf Tagen: ohne den sympathisch und humorvoll auftretenden mexikanischen Tenor Eleazar Rodriguez geht es zur Zeit nicht. Wir kaum ein anderer hat Rodriguez die letzten Jahre nutzen können, mit den richtigen Rolle sich ein Repertoire und in Karlsruhe ein Publikum zu ersingen, insbesondere als Mozart- und Donizetti-Tenor (Nemorino im Liebestrank, Roberto Devereux, Percy in Anna Bolena, Tonio (Regimentstochter) und Ernesto in Don Pasquale). Scheinbar unermüdlich und stets zuverlässig -   BRAVO!

Wie musikalisch reich und bereichernd ist doch Die schweigsame Frau! Was da alles im Orchestergraben zu hören ist, Glocken, Zitate, komponierter Lärm, man denke nur an die Explosion, von der Morosus mit Hinweis auf sein zerstörtes Trommelfell berichtet und die visuell so schön und passend umgesetzt ist: die erzählten Schallwellen fegen die Anwesenden um. Den Sängern scheint das ebenfalls Freude zu bereiten, mit viel Engagement sind alle bei der Sache. Nicht alles an der Inszenierung ist optimal (mehr hier zur Premiere), doch wen kümmert's, wenn die Aufführungen im übrigen so gut funktionieren! BRAVO! Sechs weitere Termin stehen noch in den nächsten drei Monaten zur Verfügung, die man unbedingt und so oft als möglich nutzen sollte.

Sonntag, 21. Januar 2024

Mozart - Così fan tutte, 20.01.2024

Beschaulich, behaglich, betulich
Es ist nicht einfach, das richtige Inszenierungsmaß für Così fan tutte zu finden. Meistens wird die  hanebüchene  Handlung dieser Buffa-Oper nicht als komisch, sondern als lächerlich empfunden, früher hat man deshalb oft in die Handlung eingegriffen oder der Oper neue Texte unterlegt. Lange betonte man die bittersüße Komponente des Geschehens, die man ironisch oder sarkastisch interpretieren kann, je nachdem, ob man die Abgründe übertünchen will oder versucht, sie glaubhaft zu machen. Und in der Schlußszene kann man dann entweder ein Ausrufezeichen oder ein Fragezeichen setzen.
Die neue Karlsruher Inszenierung findet einen überwiegend kurzweiligen Weg durch die Education sentimentale der Handlung, die Regie drängt sich nie in den Vordergrund, modernisiert behutsam das Geschehen und charakterisiert treffend die wankelmütigen Figuren. Musik und Sänger blieben bei der gestrigen Premiere nicht nur stets im Mittelpunkt, sondern trumpfen auf: Dirigent und Musiker trugen die spielfreudigen Sänger quasi auf  Händen und zelebrierten die Partitur als Schönklang. 

Sonntag, 14. Januar 2024

Reza - Kunst, 13.01.2024

Die fragile Maskulinität der Memmen
Mann oder Memme? Es ist wenig überraschend, wie das Karlsruher Schauspiel die drei Protagonisten in Yasmina Rezas Erfolgsstück charakterisiert: Man bleibt überraschungsfrei in der eigenen Filterblase, nimmt sich viele Freiheiten am Text und verkrüppelt die Figuren zu politisch korrekt gewollten Klischees: statt Männer stehen Memmen auf der Bühne. Doch die gute Nachricht: Rezas Kunst hält die Reduzierung auf clownesk infantile Charaktere aus, wer sich an den grobmotorisch plumpen Humor gewöhnt, der kann der Regie durchaus eine ideenreiche Figurenentwicklung bescheinigen, die wahrscheinlich noch besser funktioniert hätte, wenn man bei dieser Inszenierung die Rollen mit drei Schauspielerinnen besetzt hätte. Was auf manche ein wenig wie eine unterbelichtete Selbstverramschung wirken könnte, ist dennoch durchaus zeitgemäß durch die Darstellung eines ins Lächerliche gezogenen, pseudomännlichen woke-soften Habitus.

Freitag, 29. Dezember 2023

Rokokotheater Schwetzingen: Keiser - Nebucadnezar, 28.12.2023

"So fährt unsre Zeit von hinnen"
Das Silvesterfest 2023 scheint in der Bundesrepublik einer der bisher feuerwerksintensivsten Jahreswechsel zu werden. Wie das statistische Landesamt im Südwesten mitteilte, hat die Importmenge an Feuerwerkskörpern im Land einen neuen Rekordwert erreicht und auch im Bund legte der Import deutlich zu. Wer sich bei der gestrigen Vorstellung von Reinhard Keisers Nebucadnezar mit einem Barockfeuerwerk auf den Jahreswechsel einstimmen wollte, wurde stattdessen Zeuge eines Zweikampfs: eine sehr gute Sängerriege kämpfte oft und vor allem gegen Ende vergebens gegen eine sich dahinziehende, ungewöhnlich langweilige Inszenierung.

Dienstag, 19. Dezember 2023

3. Symphoniekonzert, 18.12.2023

Russische Musik, die zu Beginn klingt, als ob man den Zaren begrüßen wollte, und polnische Musik, die einst die DDR-Diktatur in Schrecken versetzte, bildeten das 3. Symphoniekonzert der Saison, das mit knapp 65 Minuten reiner Spieldauer wieder einmal etwas zu klein dimensioniert, wenn nicht sogar knausrig wirkte. Doch  dafür wurde dem Publikum mit den beiden Gästen -Pianistin und Dirigent- einiges geboten.

Freitag, 15. Dezember 2023

Jazz Night: Swinging Christmas

Ausverkauftes Haus bei der gestrigen Jazz Night, an deren Ende sich das Publikum erhob, um seine Ovationen stehend zu erbringen, die insbesondere Jazz-Legende Sandy Patton galten.

Samstag, 9. Dezember 2023

Strauss - Die schweigsame Frau, 09.12.2023

Die Karlsruher Rückkehr von Richard Strauss
Händel, Mozart, Wagner und Richard Strauss sind die Hausgötter des Badischen Staatstheaters, und spätestens als es 2014 zum 150. Geburtstag von Strauss keine einzige Neuinszenierung gab, mußte man sich Sorgen über die Karlsruher Oper machen. 2019 gab es dann eine wenig spannende Elektra, 2022 eine halbherzige Salome, zwei großartige Opern wurden so inszeniert, daß man kaum Freude daran hatte, die Vorstellungen öfters zu besuchen. Doch mit der gestern bejubelten Premiere scheint man nun das Tal der Enttäuschungen verlassen zu haben. Die schweigsame Frau ist eine  hochengagiert musizierte, gespielte und gesungene Buffa-Oper mit vielen Höhepunkten.

Sonntag, 19. November 2023

Tschaikowsky: Der Nußknacker (Ballett), 18.11.2023

Wenig Flair und späte Steigerung
Wie war das noch mal mit der Handlung des Nußknackers? Ein Jahrzehntlang stand immer wieder Youri Vámos beliebte Choreographie auf dem Karlsruher Spielplan, die Dickens' Weihnachtsmärchen mit Tschaikowskys Musik verknüpfte. Bridget Breiner setzt nun mit einer Interpretation dagegen, die näher am Original ist, geographisch wechselt man von Dickens' England in die USA der 1920er und tropft ganz wenig Bitternis in die Weihnachtssüße des Balletts. Doch wie zu befürchten war, kann die neue Produktion die alte nicht umstandslos verdrängen, sie wirkt atmosphärisch weniger stimmig und szenisch nicht rundum überzeugend, erst Mitte des zweiten Akts springt der Funke über, als die Schülerinnen des Otto-Hahn-Gymnasiums einen akrobatischen Auftritt haben und in der Folge die Tänzer zum Schluß umjubelte Tanzszenen bekommen. Viel und langer Applaus für einen Übergangs-Nußknacker, bei dem allerdings kaum jemand bedauern sollte, falls er nur eine Spielzeit gegeben wird.

Donnerstag, 16. November 2023

Gegen Antisemitismus – Kundgebung mit Mahnwache in Karlsruhe

Angesichts des erbärmlichen Schweigens des Badischen Staatstheaters nach dem Terrorangriff der Hamas auf die israelische Zivilbevölkerung (mehr dazu hier), kann man nur hoffen, daß die Intendanz jeglichen weiteren Anschein von Antisemitismus bzw. Israelfeindlichkeit vermeidet und Flagge zeigt. Am Sonntag, den 26.11.2023 besteht dafür Gelegenheit: die Deutsch-Israelische Gesellschaft organisiert eine Kundgebung auf dem Karlsruher Kronenplatz, Beginn 15.30h, mehr dazu hier: 
https://www.deutsch-israelische-gesellschaft.de/veranstaltungen/gegen-jeden-antisemitismus-kundgebung-mit-mahnwache-in-karlsruhe/ 
Traut euch, liebe Intendanz des Badischen Staatstheaters, es ist ganz einfach, den schlechten Eindruck vergessen zu machen und dort offiziell Solidarität zu zeigen! Denn wann ist "Nie wieder!", wenn nicht jetzt?
PS: Wer hart im Nehmen ist, kann in einer Auswertung des Journalisten Deniz Yücel nachlesen (und zwar aktuell hier), wie bestialisch die Hamas gemordet hat. 

Sonntag, 12. November 2023

Verdi - Nabucco, 11.11.2023

Mit Nabucco scheint das Badische Staatstheater einen Volltreffer gelandet zu haben, alle fünf in diesem Jahr angesetzten Vorstellungen sind fast ausverkauft, nur wenige Plätze sind für November und Dezember überhaupt noch verfügbar. Die vermeintlich beliebtere Bohème hinkt trotz bevorstehender Weihnachtszeit in der Publikumsnachfrage hinterher. Was macht Nabucco so gefragt?

Dienstag, 31. Oktober 2023

2. Symphoniekonzert, 30.10.2023

Drei Werke von drei Komponisten, drei Choräle, drei Solisten und eine dreisätzige Symphonie als drittes Werk, die der Autor dieses Besucher-Tagebuchs im dritten Jahrzehnt als Konzertabonnent zum dritten mal im Großen Haus erlebte, und -aller guten Dinge sind drei- beim dritten Hören engagierter und überzeugender musiziert wahrnahm als zuvor. Wenn es nun noch das dritte Symphoniekonzert der Saison gewesen wäre, hätte die auffallende Dreifaltigkeit als zahlenmystisches Zeichen Anlaß zu transcendenten Spekulation über die anscheinende Absichtlichkeit im Schicksale des Einzelnen gegeben. So blieb es dann doch nur Zufall.

Sonntag, 22. Oktober 2023

Verdi - Nabucco, 21.10.2023

Das Elend der Heuchelei
Die Handlung von Verdis Nabucco erzählt vom Leid des israelischen Volkes. Zwei Wochen vor der gestrigen Premiere wurde Israel angegriffen, hunderte Zivilisten -Säuglinge, Kinder, Frauen und Männer- durch ein an ein Pogrom erinnerndes Massaker der palästinensischen Terrormiliz Hamas  teilweise bestialisch ermordet. Und das Badische Staatstheater schwieg dazu. Es ist schon seltsam und bezeichnend: Seit Jahren ist das Theater instrumentalisiert für politische Botschaften aus dem ideologischen Milieu; führende Mitarbeiter des Theaters, bspw. die künstlerische Betriebsdirektorin Uta-Christine Deppermann und der geschäftsführende Direktor Johannes Graf-Hauber, dürfen die Webpräsenz des Badischen Staatstheaters für persönliche Darstellungen instrumentalisieren und ließen sich bspw. letztes Jahr während der Fußballweltmeisterschaft (nach dem Eklat durch Innenministerin Nancy Faeser in Katar, als diese  den Arabern mal so richtig zeigen wollte, auf welchem Niveau der deutsche Regenbogen-Moralhammer hängt) auf Social Media Seiten des Staatstheater wie Faeser mit Armbinde ablichten. Daß Deutsche, die ihre vermeintliche Überlegenheit wie in den 1930/40ern ausgerechnet mit Armbinde (und dann noch im Ausland) präsentieren, einen peinlich geschichtsvergessenen Eindruck abgeben, sei mal hintenangestellt. Doch wieso gab es nun keine Israel-Flaggen oder andere Solidaritätskundgebungen beim Badischen Staatstheater zu entdecken? Wenn Mitarbeiter sogar Solidarität mit einer wenig beliebten SPD-Ministerin zeigten, wieso dann nicht erst recht jetzt  mit Israel?
"Wo sind die israelischen Flaggen?", fragte Simon Strauß bereits am 10.10. in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (und zwar hier). "Unsere kulturellen Institutionen halten sich mit Zeichen der Solidarität bislang auffallend zurück. Es ist, als ob man Hemmungen hätte, sich die israelische Flagge ins Haus zu holen.  .... Wo sind die Banner, die Plakate, die Transparente? All die symbolpolitischen Aushängeschilder, die unsere kulturellen Institutionen sonst sehr gerne sehr schnell in ihre Schaufenster hängen .... Man kann das sehr gerne sehr kritisch sehen .... ".
Die WELT attestierte (und zwar hier) der Kulturszene im Land: "Der Israelhaß ist ein strukturelles Problem" und spielt damit auch auf das Versagen der "Kulturbeauftragten der Bundesregierung" Claudia Roth bei der letzten Documenta an, die im Frühsommer des Jahres dafür die Quittung bekam: bei einem vom Zentralrat der Juden in Deutschland organisierten Ereignis wurde die Grüne Politikerin  beim Grußwortdreschen lautstark ausgepfiffen und ausgebuht. Der Berliner Tagesspiegel fand damals die richtigen Worte für die fehlende Solidarität mit jüdischen Mitbürgern: "Es wird Zeit, mit Claudia Roth und denen, die ihres Geistes sind, Tacheles zu reden(mehr dazu hier). Daß Islamverbände keine deutlichen Worte gegen die Ermordung israelischer Zivilisten fanden und sich scheuen, Mörder als solche zu benennen oder bundesweit ein Zeichen gegen Gewalt zu setzen, daß Menschen mit arabischen Wurzeln auf die Straße gingen und die wahllosen Morde an Frauen und Kinder feiern und doch nur geballten Haß ausdrücken wollen, mag nur die überraschen, die ein naives Verhältnis zu diesen Kreisen pflegen. Auch diesmal blieb der bemerkbare Aufstand der Anständigen im arabischen bzw. islamischen Kreisen aus.
"In Berlin werden die Haustüren von Häusern markiert, in denen jüdische Familien leben. Es gibt versuchte Brandanschläge auf Synagogen. Jüdische Schulen und Kindergärten werden mit Dutzenden Polizisten bewacht. Das Holocaust-Mahnmal muss mit einer Hundertschaft Polizei geschützt werden." - das Badische Staatstheater schwieg, als ob dies ein hinzunehmender Tribut für "Vielfalt", "Diversität" und andere Sonntagswunschfloskeln aus dem Milieu sei. Ein Menschenalter war es undenkbar, daß es in Deutschland innerhalb von zwei Wochen 1100 antisemitische Straftaten geben könnte - nun wird jüdisches Leben wieder massiv bedroht. Es gab keine Solidaritätsbekundung von Seiten des Theaters.
Erst zehn Tage nach den Massakern erfolgte eine Reaktion. Das Badische Staatstheater machte sich aber lediglich die Erklärung des Deutschen Bühnenvereins zu eigen (hier). Doch niemand aus dem Intendanz-Team oder eines anderen Gremiums gab seinen Namen oder sein Foto dazu. Bei der Vermutung von Mikroaggressionen gegen das eigene Klientelmilieu wird vermeintlich Haltung gezeigt, beim Judenhaß und Makroaggressionen wird geschwiegen. Dieses Schweigen des Badischen Staatstheaters und seines Top-Managements ist eine moralische Bankrotterklärung. Wer sich gerne als Moralapostel*ette und Vorzeigehaltungsclown*inchen präsentiert oder glaubt, das Theater für private Meinungen instrumentalisieren zu können und dann im entscheidenden Moment schweigt, der muß sich fragen lassen, was Heuchelei, was Doppelmoral und was gelebte Israelfeindlichkeit ist, und die vergangenen zwei Wochen waren eine Bloßstellung für eine kleine Minderheit im Theater, die sich sonst doch so gerne in Szene setzt und wohlfeil ablichten läßt. Wenn einzelne Mitarbeiter der Intendanz und anderer Gremien am Theater  israelfeindlich bzw. antisemitisch sind oder es nicht für opportun halten, sich zu solidarisieren - bedauerlich, doch jeder darf seine Meinung haben; Aber wenn sich das Staatstheater einerseits für persönliche politische Botschaften kapern läßt (die nichts auf den Seiten eines Theaters verloren haben), dann aber als Theater es nicht hinbekommt, Antisemitismus zu verurteilen, dann ist das schon erbärmlich und lächerlich. 

Sonntag, 1. Oktober 2023

Shakespeare: Romeo und Julia, 30.09.2023

Die Abgedroschenheit des Selbstimitats
Anna Bergmanns Tage als Schauspieldirektor in Karlsruhe sind bekanntlich gezählt, nach dieser Spielzeit ist Schluß. Betrachtet man die abstürzenden Besucherzahlen in ihrer Sparte (mehr hier), kann man ihre Direktion als gescheitert betrachten, und nach der gestrigen Premiere scheint es, als ob ihr Abgang zu spät erfolgt. Ein Regisseur sollte wissen, wann der Vorhang zu fallen hat, denn sonst bekommt laut Oscar Wilde jede Komödie einen tragischen Schluß und jede Tragödie endet als Farce. Die gestrige Premiere von Romeo und Julia wirkte teilweise wie eine Farce. Bergmann  kopiert sich selbst, sie kombiniert Ideen früherer Inszenierungen zu einem Flickenteppich aus Versatzstücken. Shakespeare, Romeo und Julia müssen nun einiges am Badischen Staatstheater aushalten. "Anna Bergmann inszeniert die ... Liebesgeschichte ... in einer Musical-Version ... von hinten nach vorne. Die Inszenierung beginnt mit dem fünften Akt und endet mit dem ersten." Und da Shakespeares Text nicht zu dem paßt, was Bergmann inszenieren will, hat man noch belanglos flache Texte hinzuerfunden. Das Ergebnis wirkt auf gequirlte Weise abgedroschen. 

Dienstag, 26. September 2023

1. Symphoniekonzert, 25.09.2023

Die neue Saison der Symphoniekonzerte startet mit einer sinnvollen Neuerung: die Konzerte beginnen nun nicht mehr um 20 Uhr, sondern um 19.30. Zuletzt begann gegen 22 Uhr oft bereits mitten im Konzert eine geringe, aber merkliche Abwanderung, da manche, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln aus dem Umland kommen, ansonsten aufgrund veränderter Fahrpläne bis zu einer Stunde länger warten müssen, wenn das Konzert kurz nach 22 Uhr endet. Auch sonst scheint es sinnvoll, die im Vergleich mit anderen Theatern späte Standard-Anfangszeit von 20 Uhr zukünftig einheitlich auf 19.30 oder sogar 19 Uhr zu verfrühen.
Reger, Schumann und Mozart und eine namhafte Solistin: GMD Georg Fritzsch eröffnete die Spielzeit mit einer klassischen, aber etwas drögen Programmauswahl mit Ouvertüre, Solistenkonzert und Symphonie

Dienstag, 12. September 2023

Vorschau auf die Spielzeit 2023/24 (2)

Franco Fagioli in PolifemoMichael Spyres als Lohengrin und Karine Deshayes als Norma! Spannend, was die Oper in Straßburg für die bevorstehende Saison ankündigt. Dem Badischen Staatstheater fehlt es dagegen weiterhin an Glanz und Charisma. Die Freude am Theaterbesuch ist nicht nur dem Verfasser dieser Zeilen über ein Jahrzehnt merklich ausgetrieben worden. Manch einer bleibt lieber weg und ob diese Wegbleibenden 2024 einfach wieder ins Theater zurückkommen, steht auf einem anderen Blatt. Doch einiges kann nun endlich in absehbarer Zeit zum Orkus hinab gespült und hoffentlich vergessen werden. Manche werden 2023/24 (mehr auch hier) lieber abwarten, was der kommende Intendant ab 2024/25 anbietet und den Eindruck haben, daß es sich nicht mehr lohnt, die Aporien von Schauspiel- und Operndirektorin zu ertragen. Über ein Jahrzehnt war es intendantengewollte Mode bei den Karlsruher Theaterverantwortlichen_innen, ein verklemmtes Verhältnis zur Erotik zu pflegen. Zu oft wurden Theater und Bühne zum Zwecke der Selbstbefriedigung instrumentalisiert, statt das Publikum zu beglücken. Eine unfreiwillige Komik liegt in Verhalten und Selbstdarstellung eines Theater mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung und einem onanistischen Sendungsbewußtseins, bei der man als Zuschauer nicht über Komödien auf der Bühne lachen durfte, sondern über das künstliche "Empowerment" des Führungspersonal, das sich ungewollt selber dekonstruierte. Als Höhepunkte in der langen Reihe unfreiwilliger Komik darf einerseits der Moment gelten, als der Intendant, der Die Würde des Menschen ist unantastbar kanzelhaft an die Brüstung pinseln ließ, wegen würdelosen Verhaltens gegenüber den Angestellten aus dem Theater geworfen wurde. Und daß die 100% Regie-Frauenquote im Schauspiel so in die Hose ging und lediglich zeigte, daß weibliche Regisseure genauso langweiliges ideologisches Theater machen können wie zuvor die ausgesuchten Männer, wird noch lange als Quelle von Komik dienen können. Doch abgesehen von den Konflikten und Ärgernissen, von Hybris und Heuchelei, wird 2011-2024 als eine Zeit in Erinnerung bleiben, die in Schauspiel und Oper nur sehr wenig erinnerungswürdige Produktionen und Publikumsdauerbrenner auf die Bühne und stattdessen Personen ins Amt brachte, denen es vorrangig darum zu gehen schien, sich selber und ihre Allüren in den Mittelpunkt ihres Klienteltheaters zu stellen, statt Theater für das Publikum zu machen. 

Freitag, 21. Juli 2023

Zuschauerzahlen 2022/23: Der große Publikumsschwund

Man kann Zuschauerzahlen  des Badischen Staatstheater ja nur begrenzt trauen, bei ca. 20.000 Freikarten/Saison in der Vergangenheit sind die offiziellen Zahlen verzerrt.  Dennoch ist ein Vergleich mit früheren Spielzeiten von Interesse, um die eklatante Schwäche nach über einem Jahrzehnt der Instrumentalisierung zu belegen:

Montag, 17. Juli 2023

Rüge des Rechnungshofes

Der Rechnungshof Baden-Württenberg hat 2022 die Haushalts- und Wirtschaftsführung und die Perspektiven des Badischen Staatstheaters geprüft. Prüfungszeitraum waren die Jahre 2016 bis 2021. Das Resultat ist für regelmäßige Besucher nicht überraschend und deutet nicht nur an, daß die gängige Praxis des Klienteltheaters nicht erfolgreich war, sondern zeigt sowohl die Tricks der Theaterleitung, mit denen Premieren manipuliert wurden, als auch die Ignoranz des Verwaltungsrats. Verbesserungspotentiale sieht der Rechnungshof auf der Einnahmenseite:

Dienstag, 4. Juli 2023

GMD Fritzsch bleibt bis 2027

Ein Sturm im Wasserglas - so mag es weiterhin scheinen. Der kommende Intendant wollte ab 2024 nicht mit dem aktuellen GMD weitermachen, das Orchester sprach sich mit 85% Zustimmung für ihren Chef aus, Georg Fritzsch und/oder Mitglieder des Orchesters suchten die öffentliche Konfrontation, man empörte sich mittels der Presse, es wurde gepokert, die Politik scheint sich auf Wunsch des Orchesters für den GMD ausgesprochen zu haben, der kommende Intendant gehorchte, ließ sich aber Zeit zum Verhandeln, die Presse kolportierte meistens ziemlich spekulativ, nun steht der Kompromiß: Georg Fritzsch (*1963) bleibt, aber nur für drei Jahre bis 2027. Für Außenstehende in der freien Wirtschaft mag das Verwunderung ausgelöst haben, da werden Manager ausgewechselt bzw. versetzt, wenn ein neuer Verantwortlicher kommt und sich die Vertrauensfrage stellt. Im steuerfinanzierten Umfeld mußte die Presse hinzugezogen werden, weil zwei Führungskräfte im gehobenen Milieu nicht miteinander konnten. Nun ja, das Badische Staatstheater hat dringendere Probleme als den Posten des GMD, deswegen ist es gut, daß es nun wieder um den sonstigen  künstlerischen Neustart ab 2024 gehen kann. Was der wahre Grund für den Konflikt zwischen Firmbach und Fritzsch ist, scheint aber weiterhin unbekannt und ist wahrscheinlich auch vertraulich und bilateral.